Amazon.de: Chinesische Händler genießen unfaire Vorteile

Veröffentlicht: 04.09.2015 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 04.09.2015

Immer mehr chinesische Händler verkaufen ihre Produkte auf Amazon.de, halten sich aber nicht immer an rechtliche Vorgaben. Für die deutsche Konkurrenz wird das zu einem großen Problem, doch die Behörden sind machtlos.

Logo von Amazon.de

Bildquelle: 360b / Shutterstock.com

Online-Händler aus China lagern vermehrt ihre Produkte in den deutschen Logistikzentren von Amazon ein, verkaufen ihre Produkte über Amazon.de und können so aus den Logistikzentren schnell liefern. Damit haben die chinesischen Online-Händler einen „unfairen Wettbewerbsvorteil“, wie heise online schreibt. „Sie können genauso schnell liefern wie deutsche Händler, müssen aber bei unsicheren Produkten, Umweltvergehen oder Steuerhinterziehung keine Bußgelder fürchten“. Der Grund: Die Händler befinden sich außerhalb der Reichweite der Behörden – Marktüberwacher und Finanzämter sind machtlos.

Wer nun Amazon in der Verantwortung sieht, wird herbe enttäuscht. Das Unternehmen sei nicht dazu verpflichtet, Kontrollen zuzulassen oder Verantwortung für die Ware zu übernehmen. Grund ist, dass Amazon in diesen Fällen die Rolle eines Logistik-Dienstleisters und einer Verkaufsplattform übernimmt und damit nicht der Marktüberwachung durch die zuständigen Behörden unterliegt. Gewerbeaufsichtsämter und das Umweltbundesamt können dem Handel also keinen Einhalt gebieten.

Stichprobe: Kein Produkt war einwandfrei

Anders sieht es bei Händlern, Herstellern und Importeuren mit Sitz in Deutschland aus. Bei Verstößen müssen sie nachbessern, die Untersuchungskosten samt Bußgeldern bezahlen und in schweren Fällen können die Behörden sogar Vertriebsverbote aussprechen. Damit unterliegen sie einer umfassenden Kontrolle durch die Behörden, während die chinesischen Händler freie Hand haben. Und diese Freiheit wird offenbar genutzt: Eine Stichprobenuntersuchung von c’t lasse darauf schließen, dass Verstöße gegen Anforderungen des Produktsicherheits- und Umweltrechts an der Tagesordnung stehen. 13 Produkte wurden von chinesischen Händlern über Amazon.de gekauft und davon „war keines einwandfrei“.

Auch Verstöße gegen Wettbewerbs- und Markenrecht sind nicht außer Acht zu lassen, wie unsere Rechtsexpertin Yvonne Gasch erklärt. So halten sich die Händler aus Fernost meist nicht an deutsche Rechtsvorschriften, wie etwa die Informationspflichten aus dem Fernabsatzrecht. Soweit überhaupt ein Impressum vorhanden ist, ist eine Abmahnung an einen chinesischen Händler praktisch aussichtslos. Ähnliche Probleme haben auch Markenhersteller: Den Machenschaften beim Verkauf von Plagiaten nachzukommen ist äußerst schwierig. Verbraucher haben ebenfalls das Nachsehen. Während deutsche Händler für die Mangelfreiheit ihrer Produkte einstehen müssen, können sich die Händler aus China schon durch die räumliche Distanz aus der Affäre ziehen.

Amazon wird erst aktiv, wenn Sanktionen drohen

Experten hoffen unterdessen darauf, dass die EU sich des Problems annimmt. Die Chemnitzer Jura-Professorin Dagmar Gesmann-Nuißl sieht vor allem Amazon in der Pflicht. „Sie sollten von sich aus tätig werden und die eingelagerten Waren zumindest stichprobenartig prüfen“, fordert sie. Doch für Amazon bedeuten derartige Kontrollen mehr Arbeit – das Unternehmen werde erst dann aktiv, wenn es selbst Sanktionen befürchten müsse. Deshalb hofft Gesmann-Nuißl, dass die EU „diese Rechtslücke bald schließt“ – ein Entwurf für eine bessere Marktüberwachung wird derzeit auch von der EU-Kommission ausgearbeitet. Ob Logistik-Dienstleister mehr Verantwortung übernehmen sollen, bleibt aber vorerst eine offene Frage. Die Kommission wollte sich dazu bisher noch nicht äußern.

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