Fake-Bewertungen: Organisierter Betrug auf Tripadvisor aufgedeckt

Veröffentlicht: 03.05.2017 | Geschrieben von: Julia Ptock | Letzte Aktualisierung: 29.05.2017

Es erinnert fast schon an organisierte Kriminalität: Ein Schweizer Gastro-Unternehmen beging systematischen Bewertungsbetrug auf der Plattform Tripadvisor. Das Schlimme daran: Tripadvisor wusste von den Fake-Bewertungen und hat erst etwas dagegen unternommen, als das Schweizer Fernsehen darüber berichtete. Update: Tripadvisor hat sich zu den Vorwürfen geäußert. 

Logo der Marke Tripadvisor

360b / Shutterstock.com

Schlechte Publicity für Tripadvisor: Wie jetzt bekannt wurde, mehren sich die Hinweise darauf, dass auf dem Portal systematisch Fake-Bewertungen veröffentlicht wurden. In dem aktuellen Fall soll eine Schweizer Hotel- und Gastronomie-Gruppe, die in der Schweiz 30 Outlets unterhält, über Jahre hinweg Fake-Bewertungen auf Tripadvisor veröffentlicht haben.

Geschäftsleitung formulierte genaue Vorgaben für Fake-Bewertungen

Warum dieser Fall sich von anderen unterscheidet, liegt in der Qualität des Betrugs. Wie Onlinemarketing.de berichtet, wies die Geschäftsleitung der Gruppe jeden einzelnen Betriebsleiter an, im Fall schlechter Bewertungen mindestens zwei positive Bewertungen dagegenzusetzen. Die Anweisungen erfolgten dabei schriftlich mit exakten Vorgaben zu Bewertungsheadlines, Texten und der Art und Weise der Bewertungen. So hieß es in den Anweisungen, dass die Bewertungen von unterschiedlichen Geräten erfolgen sollten, damit bestimmte IP-Adressen nicht auffallen. Weiterhin sollten die Betriebsleiter auch in ihrem Freunden- und Bekanntenkreis Bewertungen akquirieren, wobei diese dann auch in einem Orga-Formblatt eingetragen werden sollten.

Diese systematische Verankerung von Fake-Bewertungen im Qualitätsmanagement der Gruppe macht diesen Fall so besonders. Weiterhin stand der Vorwurf im Raum, dass Tripadvisor selbst nicht gegen die Fake-Bewertungen vorgegangen sei. Das Unternehmen erklärt jedoch, dass man auf Grund von Informationen aus der Community eine Recherche gestartet und Maßnahmen ergriffen habe. Dies geschah, so Tripadvisor, bereits vor der Ausstrahlung der Kassensturz-Sendung. Doch trotz der Reaktion dürfte der Image- und Vertrauensverlust immens sein. 

Negativ-Bewertungen führen zu Umsatzeinbußen

Das Schweizer Unternehmen sieht keine Schuld bei sich. In dem O-Ton, den Onlinemarketing.de von der Geschäftsführung veröffentlicht hat, wird deutlich, dass man sich keiner Schuld bewusst ist. Ganz im Gegenteil: „Jeder Gastronom, der das nicht macht, ist selber schuld. Und ich behaupte, dass das die meisten machen. Das ist heute Teil des Daily Business.“ – so die Aussage der Geschäftsleitung.

Der aktuelle Fall verdeutlicht, wie abhängig beispielsweise Gastro-Unternehmen von den Bewertungsplattformen sind. Schlechte Bewertungen können schnell zu Umsatzeinbußen führen. So gibt es findige Unternehmen, die aus dieser Abhängigkeit ein Geschäft machen und sich für Fake-Bewertungen bezahlen lassen. Laut einem Insider, der dem Schweizer Fernsehen ein Interview gab, konnte der Unterschied zwischen 4,3 und 4,4 Sternen für ein Unternehmen im Monat 100.000 Euro Umsatz mehr oder weniger bedeuten. Pro Fake-Bewertungen bezahlten Kunden zwischen 1,50 bis 25 Euro.

Doch wie kann es sein, dass Unternehmen so organisiert Fake-Bewertungen veröffentlichen können? Der Grund dafür liegt im Vorgehen der Bewertungsportale. Diese können aus Usability-Gründen keine verifizierten Profile verlangen. Würden sie darauf bestehen, würde am Ende nur ein Bruchteil der Nutzer tatsächlich eine Bewertung abgeben. Zudem: Je besser die Bewertung auf den Portalen, umso höher wird das Angebot gerankt. Und auch vom Plattformbetreiber ausgegebene Qualitäts-Siegel, die beispielsweise ab bestimmten Punkten erreicht werden, sorgen ebenfalls für mehr Vertrauen bei den Usern. Die Anreize für gefakte Bewertungen sind enorm.

Update, 03.05.17, 17:30 Uhr - Stellungnahme von Tripadvisor

Nach Veröffentlichung des Artikels hat Tripadvisor die Redaktion kontaktiert und um Veröffentlichung eines Statements zu den Vorwürfen gebeten. Die Stellungnahme wird an dieser Stelle von der Redaktion unkommentiert veröffentlicht:

„Wir sind dem Hinweis unserer Community über mögliche Betrugsfälle bei Hotels und Restaurants der Gamag/Remimag-Gruppe nachgegangen. Unser Content-Team hat daraufhin eine tiefgehende Untersuchung gestartet und bestätigt, dass Bewertungen zu mehreren Betrieben dieser Kette gegen unsere Richtlinien verstoßen. Aus diesem Grund haben wir Maßnahmen ergriffen, um die Integrität unserer Seite zu schützen. Das umfasst unter anderem die Entfernung von einer Reihe an Bewertungen. Wir können außerdem bestätigen, dass eine schriftliche Verwarnung an die Gamag/Remimag-Gruppe sowie an die Manager der betroffenen Betriebe geschickt wurde und in einigen Fällen haben wir Sanktionsmaßnahmen ergriffen.

Bei TripAdvisor gehen wir vehement gegen mögliche Betrugsfälle vor und sind entschieden gegen jegliche Versuche, betrügerische oder verfälschte Bewertungen zu veröffentlichen. Jede Bewertung, die bei TripAdvisor eingereicht wird, durchläuft unser automatisches Prüfsystem, welches das Wie, Was, Wo und Wenn eines jeden Reviews abbildet. Zusätzlich arbeiten unsere Content Integrity-Spezialisten 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche daran, Bewertungen zu überprüfen, die von unserem System oder unserer Community als verdächtig gekennzeichnet werden. Als eine der weltweit meistbesuchten Reise-Webseiten fühlen wir uns in besonderer Weise verpflichtet, sicherzustellen, dass die Inhalte auf TripAdvisor für alle, die eine Reise zu irgendeinem Ort auf der Welt planen, eine vertrauenswürdige und nützliche Informationsquelle sind.  Wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere Systeme weiterzuentwickeln und zu optimieren, um Betrügern einen Schritt voraus zu sein. Auch möchten wir darauf hinweisen, dass betrügerische Bewertungen nicht nur ein Verstoß gegen unsere Nutzungsbedingungen darstellen, sondern in vielen Ländern auch geltendes Recht verletzen.“

In einer früheren Version hatten wir angegeben, dass Tripadvisor "von dem Betrug wusste und jahrelang nicht unternommen hat". Wie in dem oben stehenden Statement zu lesen ist, erklärte Tripadvisor, dass man bereits vor Ausstrahlung der Sendung auf Grund von Informationen aus der Community eine Untersuchung eingeleitet hat und entsprechende Maßnahmen unternommen wurden. Wir haben diesen Fehler korrigiert. 

 

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