Amazon als Vorbild? Otto.de strebt Wandel zur Plattform an

Veröffentlicht: 19.05.2017 | Geschrieben von: Christian Laude Test | Letzte Aktualisierung: 19.05.2017

17 Milliarden Euro will die Otto Group bis zum Geschäftsjahr 2022/23 umsetzen. Aktuell lag die Zahl noch bei 12 Milliarden Euro. Stellt sich die bedeutende Frage, wie die Unternehmensgruppe so schnell wachsen will. Wir fassen die Strategien zusammen. 

Alexander Birken, Vorstandsvorsitzender der Otto Group

© Otto.de

Ein Umsatzwachstum von 3,4 bzw. 5 Prozent auf vergleichbarer Basis auf 12,5 Milliarden Euro, der so wichtige E-Commerce-Anteil wächst um 500 Millionen auf rund 7 Milliarden Euro, ein Ebit-Plus von knapp 100 auf 365 Millionen Euro – die Ergebnisse des Geschäftsjahres 2016/17 der Otto Group können sich durchaus sehen lassen. Das empfindet auch der Konzern selbst so und ließ deswegen sichtlich erleichtert bei der entsprechenden Bilanz-Konferenz in Hamburg verlauten: „Wir haben alle wesentlichen Ziele erreicht.“

Otto Group will 2022/23 auf 17 Mrd. Euro Umsatz wachsen

Doch die Zahlen aus dem letzten Jahr standen eindeutig nicht im Mittelpunkt des Treffens. Vielmehr wurden sie zu Beginn in relativ schneller Geschwindigkeit von Petra Scharner-Wolff, Finanzvorständin der Otto Group, vorgestellt, um so zum eigentlichen Kernthema zu kommen: der zukünftigen Ausrichtung. Als Bezugspunkt wählte der Otto-Group-Vorstandsvorsitzende Alexander Birken das Geschäftsjahr 2022/23 und zeigte auf, welche Ziele sich das Unternehmen bis dahin gesteckt hat und wie diese erreicht werden sollen.

Das größte Vorhaben der Otto Group lautet schlicht wie ambitioniert: Bis zum Geschäftsjahr 2022/23 soll der Umsatz von derzeit 12,5 auf 17 Milliarden Euro gesteigert werden. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies ein Zuwachs von einer Milliarde Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Der Umsatz erhöhte sich in diesem Jahr um 400 Millionen Euro, also nicht einmal die Hälfte dieser Summe. Doch wie will der Konzern dieses hochgesteckte Ziel erfolgreich erreichen?

Petra Scharner-Wolff, Finanzvorständin der Otto Group

© Otto.de

Otto.de öffnet sich für externe Händler

Die Otto Group baut hierfür auf drei verschiedene Eckpfeiler, die dies garantieren sollen. Der vermeintlich wichtigste lautet „fokussierte Wachstumsstrategie“: Otto will sich als eine Art Plattform etablieren, die sich auch für externe Händler öffnet – also ähnlich, wie man das bereits von Amazon kennt. Wie genau dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt werden soll, blieb in vielen Punkten noch offen. Fest steht in jedem Fall, dass die Anzahl an Produkten, die auf Otto.de gelistet sind, von aktuell 2,1 Millionen auf dann bestenfalls 10 Millionen erhöht werden soll. Alexander Birken wollte sich zunächst auf keine genaue Zahl festlegen, meinte zur Erhöhung aber: „Wir reden hier nicht von Prozenten.“ Erst auf Nachfrage konkretisierte er dieses Vorhaben.

Diese stattliche Erhöhung kann Otto kaum alleine stemmen. Deswegen sollen eben auch andere Händler mit ins Boot geholt werden. Die Gefahr besteht hier jedoch darin, dass das Unternehmen damit eines seiner Alleinstellungsmerkmale verliert. Schließlich vertrauten die Kunden bisher eben auf die Qualität von Otto und kauften genau deswegen dort auch immer wieder ein. Ob der Standard dann auch weiterhin eingehalten werden kann, bleibt fraglich. Birken beschwichtigte deswegen auch direkt, dass der Standard trotz der Produkterhöhung auch weiterhin garantiert werden soll. Als halbwegs konkretes Beispiel versprach er, auf „Produkte unbekannter Herkunft“ verzichten zu wollen.

Weiterhin meinte Birken, dass Otto auch gezielt neue Sortimentsbereiche abdecken will. Dazu gehören vor allem Dinge des täglichen Bedarfs, die ebenfalls von externen Händlern angeboten werden sollen. Zwangsläufig tauchte hierzu die Frage auf, ob das auch verderbliche Produkte beinhalten würde. Diese befänden sich „aktuell nicht auf der Liste“, so Birken, doch ausschließbar sei dies in wohl eher ferner Zukunft nicht. Vielleicht wartet man schlichtweg zunächst ab, wie Amazon Fresh in Deutschland anläuft, bevor Otto selbst die Pläne dahin gehend konkretisiert.

About You soll Milliardenunternehmen werden

Der zweite Eckpfeiler bilden Marken, die besonders gut laufen und genau deswegen noch erheblich mehr nach vorne gebracht werden sollen. Als Beispiele nannte Birken konkret Bonprix, Witt sowie Crate and Barrel. Aber auch About You wurde von Birken immer wieder explizit in den Fokus gerückt. Otto will den Collins-Ableger sogar über kurz oder lang zu einem „Milliardenunternehmen“ machen, denn dem personalisierten Mode-Handel sagt Birkens eine sehr große Zukunft voraus.

Bilanz-Konferenz der Otto Group

© Otto.de

Zusammenarbeit mit Amazon & Co. für Otto wichtig

Als dritten und letzten Grundpfeiler für das Ziel von 17 Milliarden Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2022/23 nannte der Otto-Group-Vorstandsvorsitzende Investitionen in vielversprechende StartUps, deren Technologien beziehungsweise Mitarbeiter über die Investorengruppen E. Ventures sowie Project A zum Teil auch komplett akquiriert werden sollen. Birken betonte hier, dass die Zuschüsse oftmals unters Radar fallen würden, man jedoch stolz auf die gezielten Investitionen sei.

Damit einher geht auch die „Öffnung des Ökosystems“, wie es von Otto betitelt wurde. Hier wurden während der Pressekonferenz auch zum ersten und einzigen Mal andere große Unternehmen wie Amazon aber auch Google konkret genannt. Diese seien Birken zufolge eben nicht immer nur schlicht und einfach Konkurrenten, sondern eben auch potenzielle Kooperationspartner. Als Beispiel nannte er Amazon-Pakete, die von Hermes-Boten ausgetragen werden. „Kollaborationen sind der Schlüssel zum Erfolg“, so Birken.

Investitionen werden zwangsläufig exponentiell steigen

„Wir werden definitiv in eine Investitionsphase gehen“, kündigte Birken fokussiert an. Im letzten Jahr investierte die Otto Group insgesamt 382 Millionen Euro in den Multichannel-Einzelhandel, den Finanzdienstleistungen sowie den Service und erhöhte damit den Wert um 50 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. Um die hochgesteckten Ziele allesamt und hier insbesondere die Umwandlung zur Plattform erfolgreich zu erreichen, wird die Summe in den nächsten Jahren wohl noch weitaus höher ausfallen.

Bilanz-Konferenz der Otto Group

© Otto.de

Für Händler, die mit den Marktplätzen von Amazon und Ebay nicht zufrieden sind und dementsprechend eine Alternative suchen, dürfte der Wandel von Otto sehr gelegen kommen. Wie das genaue Geschäftsmodell dann ausfällt, wird wohl erst in den kommenden Jahren nach und nach deutlich. Doch fest steht: Otto.de ist ein dermaßen großer Name, sodass die Reichweite definitiv ein überzeugendes Argument für Händler ist. Wenn dann auch noch die Konditionen stimmen, dürften sich relativ schnell viele Shop-Betreiber für Otto.de als (weitere) Verkaufsplattform interessieren.

Auch die Frage, ob die Kunden wiederum diesen Wandel mitmachen werden und dementsprechend Produkte von externen Händlern abseits von Otto akzeptieren, ist extrem relevant, wenn nicht sogar die wichtigste überhaupt. Schließlich hat sich das Traditionsunternehmen im Laufe der Jahre seinen Ruf beziehungsweise Erfolg als hierzulande zweitumsatzstärkster Online-Shop unter anderem auch durch die Tatsache aufgebaut, dass sämtliche Produkte von Otto selbst stammen und damit ein gewisses Qualitätssiegel aufweisen. Wenn dieses Merkmal wegbricht, könnten auch die Kunden wegfallen.

2022: Die Otto-Gruppe als weltweiter Benchmark

Im persönlichen Gespräch mit Alexander Birken im Anschluss an die Bilanz-Konferenz meinte dieser: „Ich würde mich freuen, wenn wir uns in fünf Jahren treffen, und Sie sagen: ‚Die Art und Weise, wie sich die Otto-Gruppe intern vernetzt hat und wie sie nach außen kollaboriert: Das ist ein weltweiter Benchmark!“ Abseits von den prognostizierten und erhofften Umsatzzahlen will sich die Otto Group eben auch weiterhin als E-Commerce-Schwergewicht etablieren, das mit Innovationen und Technologien bei den Kunden punktet. Ob dies letztendlich auch gelingen wird? Spätestens in fünf Jahren wissen wir mehr.

 

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