Einfache und leichte Sprache: Wenn Barrieren Kunden aus dem Online-Shop ausschließen

Veröffentlicht: 16.05.2018 | Geschrieben von: Julia Ptock | Letzte Aktualisierung: 16.05.2018

Das Internet ist in seiner Grundidee jedem zugänglich. Doch leider werden nach wie vor Menschen vom Angebot ausgeschlossen. Oft sind Webangebote voller Barrieren und für Menschen mit Behinderungen oder altersbedingten Einschränkungen kaum nutzbar. Dies könnte sich aber bald ändern: Die EU könnte auch die Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit verpflichten.

Wort Barrierefrei auf einer Computer Tastatur
© Robert Kneschke – shutterstock.com

Was ist Barrierefreiheit im Internet?

Schon im deutschen Grundgesetz heißt es, dass niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Als barrierefrei gelten dabei Systeme, Anlagen, Verkehrsmittel oder Gebrauchsgegenstände, wenn sie „für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“

Doch Barrierefreiheit bezieht sich nicht nur auf Menschen mit Behinderung. Immer mehr alte Menschen entdecken das Internet für sich, sind aber auch häufig überfordert. Ähnliches gilt für Nicht-Muttersprachler oder einfach unerfahrene Nutzer. Barrierefreie Internet-Angebote sind dabei so gestaltet und technisch umgesetzt, dass sie von allen Menschen genutzt werden können.

Barrierefreiheit im Internet hat dabei viele Ausprägungen. Da wäre zum einen natürlich das Design, zum anderen aber auch die Sprache. Das Internet ist extrem textbasiert – da wären im E-Commerce beispielsweise die Produktbeschreibungen, die AGB, die Datenschutzgrundverordnung und sonstige Informationen. Viele Menschen finden dies verwirrend und verstehen den Inhalt nicht, weil die Sätze zu kompliziert sind und ein Fachbegriff dem nächsten folgt. Ein Mittel, um diesem Problem entgegenzusteuern, ist die „leichte Sprache“ bzw. die „einfache Sprache“.

„Leichte Sprache“ und „einfache Sprache“ – der Unterschied

Die Begriffe „einfache Sprache“ und „leichte Sprache“ werden oft synonym verwendet. Doch es gibt Unterschiede.

Bei „einfacher Sprache“ handelt es sich laut Wikipedia um eine sprachlich vereinfachte Version von Standardsprache oder Fachsprache. Demnach ist der Sprachstil betont einfacher, verständlicher und klarer. Texte in einfacher Sprache haben kürzere Sätze, einfache Satzstrukturen und wenig Kommata. Zur Zielgruppe der einfachen Sprache gehören neben Personen mit kognitiven Einschränkungen auch ausdrücklich Personen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist.

„Leichte Sprache“ ist Wikipedia zufolge hingegen eine speziell geregelte sprachliche Ausdrucksweise des Deutschen, „die auf besonders leichte Verständlichkeit abzielt“ und auf einem seit 2006 bestehenden Regelwerk beruht. Es umfasst neben Sprachregeln auch Rechtschreibregeln sowie Empfehlungen zu Typografie und Mediengebrauch.

Die beiden Sprachstile lassen sich anhand der Beispiele ganz gut nachvollziehen: 

Original
Von einer gemeinsamen Haushaltsführung ist die Rede, wenn zwei Personen ihren Hauptwohnsitz in derselben Wohnung haben und sie erkennen lassen, dass sie durch das Mittel der Erbringung gegenseitiger Leistungen für einander Sorge tragen, zum Beispiel bei den Kosten des Haushalts und auf anderen Gebieten.

Einfache Sprache
Sie haben einen gemeinsamen Haushalt, wenn die folgenden 2 Situationen für Sie gelten:
1. Sie leben mit einem anderen Menschen in der gleichen Wohnung.
2. Sie teilen sich die Kosten für Ihren Alltag.

Leichte Sprache
Leben Sie in einer Wohnung oder in einem Haus?
Lebt noch ein anderer Mensch bei Ihnen?
Und entscheiden Sie zusammen über Ihr Geld?
Dann leben Sie in einem „gemeinsamen Haushalt“.

Welcher der beiden Stile bietet sich für den eigenen Shop nun aber am besten an? Dadurch, dass leichte Sprache ein spezielles Regelwerk besitzt, in das man sich selbst einlesen muss, ist es sinnvoll, sich auf einfache Sprache zu verlegen. Dafür spricht auch, dass sich Texte in einfacher Sprache auf den ersten Blick nicht sonderlich von normalen Texten unterscheiden. Allerdings sind sie strukturierter und bieten Informationen in überschaubaren Absätzen. Jeder Satz hat eine oder maximal zwei zueinander gehörende Aussagen. Die Sätze sind nicht länger als ungefähr 15 Wörter. 

Warum braucht es „einfache Sprache“ oder „leichte Sprache“?

Die Frage lässt sich ganz einfach beantworten – auch für Online-Händler. Denn wer keine „einfache Sprache“ oder „leichte Sprache“ verwendet, schließt im schlimmsten Fall eine sehr große Masse an Menschen aus – alles potenzielle Kunden. Denn neben rund 7,5 Millionen Menschen, die als funktionale Analphabeten gelten (Menschen mit einer schweren Lese- und Rechtschreibschwäche, einer geistigen Behinderung und Menschen, die Deutsch als Fremdsprache sprechen), gibt es noch rund 13 Millionen Deutsche mit schwacher Lesekompetenz in den unterschiedlichsten Abstufungen. Das macht also rund 20,5 Millionen Menschen aus oder eben fast 25 Prozent der deutschen Einwohner. Eine enorme Zahl. Online-Händler, die beispielsweise eine Version ihres Shops in einfacher Sprache anbieten, könnten so durchaus ihre Verkäufe steigern.

Dazu kommt, dass Barrierefreiheit im Allgemeinen Internet-Seiten und eben auch Online-Shops generell nutzerfreundlich macht.  Navigationsmechanismen wie ein hierarchischer Seitenpfad, Sitemaps oder Suchfunktionen verhelfen zu einer guten Orientierung. Eine leicht erfassbare Sprache und gute Textstrukturierungen machen Texte verständlich.

Neben der Erweiterung der Zielgruppe und der durch die Barrierefreiheit besseren Nutzerfreundlichkeit wirken sich barrierefreie Inhalte – und damit auch eine einfache Sprache – auf die Suchmaschinenoptimierung aus. Denn was viele nicht wissen: SEO und Barrierefreiheit sind eng miteinander verwandt. Das liegt daran, dass bei der Optimierung nichts anderes versucht wird, als Inhalte möglichst einfach und verständlich aufzubereiten. In diesem Fall wird der Inhalt an die Wahrnehmung des Suchalgorithmus angepasst.

Barrierefreies Einkaufen im Web – zukünftig Pflicht?!

Bereits seit Ende 2016 gibt es eine EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit von öffentlichen Webseiten. Damit sind öffentliche Stelle wie Kommunen, Gemeinden, Städte, aber auch beispielsweise Bibliotheken dazu verpflichtet, ihr Angebot barrierefrei zu gestalten. In Deutschland werden Behörden und Co. durch das Gesetz zur Gleichschaltung behinderter Menschen dazu verpflichtet, ihre Internetauftritte barrierefrei zu gestalten. Die Anforderungen an die Barrierefreiheit werden dabei von der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung BITV 2.0 definiert, die beispielsweise unter §3 anzuwendende Standards und Anforderungen an die Bereitstellung von Informationen in leichter Sprache definiert.

Mittlerweile gibt es aber auch einen Richtlinienentwurf, der auch private Webseiten bzw. Unternehmen ins Auge gefasst hat und zur Barrierefreiheit verpflichten will. Wie bei „BIK für Alle“, eine durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte Initiative, zu lesen, sollen durch den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission private Unternehmen zur Barrierefreiheit verpflichtet werden. Dabei betrifft der Vorschlag ausgewählte „Produkte und Dienstleistungen, explizit den elektronischen Handel, Personenbeförderungsdienste und Banken.“

Der erste Richtlinien-Vorschlag wurde bereits im Dezember 2012 veröffentlicht. Insgesamt gibt es drei Fortschrittsberichte des Europäischen Rats, wobei mittlerweile die Richtlinie vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde. Seit Anfang März 2018 laufen Trilogverhandlungen, an denen die Kommission, der Rat und das Parlament beteiligt sind. Es wird angenommen, dass der EU-Richtlinienvorschlag zu Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen noch im Laufe des Jahres 2018 in Kraft treten kann.

Das würde bedeuten, dass auch Online-Händler ihre Shops barrierefrei umsetzen müssten. Wie das aussehen kann, zeigen die südlichen Nachbarn. Denn seit dem 01. Januar 2016 müssen auch österreichische Online-Händler ihren Online-Shop barrierefrei gestalten. Die österreichische Wirtschaftskammer weißt in ihrem Informationsangebot darauf hin, dass es „keine verbindlichen Standards oder Regelungen“ gibt, die Websites erfüllen müssen. Eine konkrete und allgemein gültige Musterlösung, wie die Darstellung von Inhalten zu erfolgen hat, gibt es daher nicht. Dennoch hat die WKO eine umfassende Checkliste für barrierefreie Webseiten veröffentlicht.

Und was soll das kosten?

Auch, wenn es in Deutschland noch keine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt, den Online-Shop barrierefrei zu gestalten, ist diese in Zukunft nicht unwahrscheinlich. Online-Händler sollten sich deswegen langsam mit dem Thema auseinandersetzen. Wer sich umfassend in das Thema einlesen will, dem sei die Website einfach-barrierefrei.net ans Herz gelegt.

Mit Blick auf die Kosten gibt es schlechte Nachrichten. Eine genaue Zahl zu nennen, ist unmöglich, da je nach Komplexität der Website und eventuellen Anpassungen, die bereits vorher in Sachen Barrierefreiheit unternommen wurden, unterschiedlich viel geändert werden muss. Wer aber wissen will, wie es aktuell um die Barierefreiheit im eigenen Shop bestellt ist, kann den BITV-Test nutzen. Das Prüfverfahren umfasst 49 Prüfschritte mit ausführliche Erläuterungen dazu, was genau geprüft wird, warum das wichtig ist und wie in der Prüfung vorzugehen ist.

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