JVA-Shop: "Aktengurte sind der absolute Verkaufsschlager"

Veröffentlicht: 17.02.2014 | Geschrieben von: Giuseppe Paletta | Letzte Aktualisierung: 21.10.2014

Der Online-Shop des niedersächsischen Strafvollzugs gehört zu den Pionieren im deutschen Online-Handel. Nach mehr als zehn Jahren im Online-Handel, kann der Online-Shop inzwischen gute Umsätze einfahren und verfügt über eine sehr geringe Retourenquote.

Der JVA-Shop verkauft von Gefangenen produzierte Produkte.

OnlinehändlerNews: Bereits 2001 startete die niedersächsische Vollzugsanstalt mit dem Online-Shop jva-online-shop.de. Damit setzte sie schon sehr früh auf den Online-Handel. Wie kam es zu diesem Pioniergeist?

Hartmut Clasen: Der Justizvollzug, „die Gefängniswelt“, ist für die breite Öffentlichkeit „das unbekannte Wesen“. Durch den Internetshop erhält der Interessent viele Informationen über den niedersächsischen Strafvollzug und die dortigen Arbeitsbetriebe. Zudem wird ein Teil der qualitativ hochwertigen Produkte angeboten, die durch die arbeitenden Gefangenen hergestellt werden.

Insassen produzieren die Produkte für den Online-Shop.Was unterscheidet Ihren Online-Shop von einem Online-Shop außerhalb der JVAs?

Wir bieten eine interessante Produktpalette. Wichtig ist uns bei der Gestaltung des Shops, dass wir absolut seriös bleiben. Eine reißerische Darstellung – im Sinne der vielen „Knastserien“ der privaten Fernsehsender – wird der Kunde bei uns nicht erleben. Grundsätzlich unterscheidet uns sicher auch, dass wir nur „Handmade in Germany-Produkte“ anbieten, oft auch von Arbeitskräften hergestellt, die erst im Verlauf der Haft die Handwerksqualifikation erworben haben.

Woher kommen die Produkte, die Sie im Online-Shop anbieten?

In Niedersachsen gibt es insgesamt 13 Vollzugseinrichtungen mit kleineren angeschlossenen Abteilungen. Da die Gefangenen gesetzlich zur Arbeit verpflichtet sind, wurden in allen Einrichtungen verschiedene Arbeits- und Ausbildungsbetriebe eingerichtet. Ziel ist die Vermittlung, Erhaltung und Förderung der Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit der Gefangenen nach ihrer Entlassung. Ein Teil der in den Arbeitsbetrieben hergestellten Produkte wird dann über den JVA-Shop angeboten. Bislang findet man dort Produkte aus sechs Vollzugseinrichtungen.

Wie versenden Sie Ihre Waren und mit welchem Versanddienstleister arbeiten Sie zusammen?

Seit dem Jahr 2008 werden (fast) alle Produkte vom Logistikzentrum Burgdorf – eine Abteilung der JVA Sehnde – verschickt. Dort ist ein großes Zentrallager eingerichtet worden. Um die hochwertigen Produkte beim Transport zu schützen, werden aufwändige Verpackungslösungen und Polsterung (2-Komponenten-Schaumpolster) eingesetzt. In Burgdorf ist auch ein kleiner Verkaufsshop eingerichtet. Als Versanddienstleister wird in der Regel DHL genutzt, da das Land Niedersachsen einen Rahmenvertrag mit diesem Unternehmen abgeschlossen hat. Der Hauptanteil der versendeten Kartons (62%) bewegt sich dabei in einem Gewichtsbereich von 20,1-31,5 kg!

Warum liefern Sie keine Produkte ins Ausland?

Da wir in der Zentrale personell nur 1,5 Personen für die Shopbetreuung einsetzen können – von den Zeitanteilen sogar nur max. eine Person! – sehen wir hier Probleme in der Abwicklung von Auslandaufträgen. Die evtl. geforderte Mehrsprachigkeit, sowohl in der Kommunikation mit dem Kunden, als auch in der Umsetzung bei der Gestaltung der Website bzw. von Bedienungsanleitungen, können wir nicht leisten. Wir haben daher intern entschieden unser Geschäft auf Deutschland zu beschränken.

Welche Art der Bezahlung bieten Sie Ihren Kunden an?

Da wir quasi eine Behörde sind, sind wir beim Angebot von Bezahlmöglichkeiten eher konservativ. Unsere Kunden können nur zwischen Vorkasse und Nachnahme wählen – Behörden können auch auf Rechnung bestellen. In unserem Verkaufsshop in Burgdorf kann auch per EC-Karte gezahlt werden.

Jeder Online-Händler muss sich mit der Retourenquote herumschlagen. Wie ist das beim Online-Shop der JVAs? Wie viele Produkte werden zurückgesendet?

Durch die Manufaktur ist die Anzahl an Versandartikeln noch recht überschaubar. Bei ca. 2500 Kartons (mit mehreren Produkten) die pro Jahr verschickt werden, haben wirAuch Sanddorn wird von der JVA angeboten. durch die mittlerweile sehr professionelle Abwicklung in Produktion und Versand, eine Retourenquote von nur etwa 1,5%!

Einige Produkte lassen sich nur bei Ihnen in den JVAs abholen. Wie läuft das ab?

Es gibt nur wenige Justizvollzugseinrichtungen die den Verkauf vor Ort anbieten. Dort wo es möglich ist, nimmt der Kunde vorab telefonisch oder per Mail Kontakt zu dem im JVA-Shop ausgewiesenen Betrieb auf. Dann kann das weitere Vorgehen abgesprochen werden. Grundsätzlich wird ein Abholtermin vereinbart. Zu diesem Termin ist die Ware in der Regel in den Bereich der Hauptpforte (Eingang der JVA) gebracht worden, wo sich der Kunde dann die Ware abholen kann. Wichtig ist hierbei, dass der Personalausweis mitgeführt wird, ansonsten gelangt man nicht in eine JVA.

Wie viele Mitarbeiter sind dafür zuständig, dass der Online-Shop läuft?

In der Zentrale in Celle – Auftragsbearbeitung, Infotelefon und Websitebetreuung – sind zwei Personen (davon eine Halbtagskraft!) für den Shop tätig. Dazu kommen weitere zwei Bedienstete im Zentrallager mit ca. 3-5 Gefangenen für Verpackungstätigkeiten. Der Verkaufsschlager im JVA-Shop.Nicht zu vergessen sind rund zehn Betriebsleiter in den Produktionsstätten, die dort insgesamt ca. 40 Gefangene mit der Produktion der Shopartikel beschäftigen.

Wie viele Produkte werden jährlich verkauft, bzw. wie hoch ist der Jahresumsatz durch den Online-Shop?

Im Jahr 2013 erzielte der JVA-Shop einen Jahresumsatz von rund 600.000 €. Der Großteil davon wird durch das Grillsortiment generiert. Würde allein die Stückzahl betrachtet, sind die Aktengurte – ein typisches Behördenprodukt zum „Zusammenbinden“ mehrerer Einzelakten – der absolute Verkaufsschlager. Hiervon werden jährlich über 10.000 Stück verkauft.

Über Hartmut Clasen

Dipl.-Kfm. Hartmut Clasen ist der Shopverantwortliche des JVA-Online-Shops. Der JVA-Shop soll dazu beitragen, der Öffentlichkeit die Bedeutung der Arbeit von Gefangenen transparenter zu machen und den Produktverkauf zu fördern. Die Gefangenen arbeiten momentan 39,75 Stunden in der Woche und bekamen im Jahr 2013 durchschnittlich einen Lohn von 11,64 € je arbeitenden Gefangenen pro Tag.

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