„Die Veränderungen dürften vor allem Markeninhaber und Hersteller großer Marken vor Probleme stellen.“

Experte über Produktbeschreibungen: So schwerwiegend sind die Amazon-Änderungen

Veröffentlicht: 22.01.2019 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 22.01.2019
Mann mit Amazon auf Smartphone und Laptop

Die Nachricht, dass Amazon die Schreibrechte beim Neuanlegen von Produkten neu ordnen und Produktbeschreibungen künftig selbst zusammenstellen könnte, sorgt für viele Diskussionen. Wir haben mit Stephan Bruns von Revoic über die Änderungen gesprochen. Er ist seit 2012 Seller auf Amazon und hat gemeinsam mit Trutz Fries die Agentur Revoic gegründet und das Buch „Amazon Marketplace“ geschrieben.

OnlinehändlerNews: Wie schwerwiegend ist die Neuerung, die Amazon nun offenbar umsetzt?

Stephan Bruns: Amazon nimmt in letzter Zeit viele optische Änderungen am System vor. Damit wird häufig auch die Funktionsweise ein wenig verändert. In diesem Falle bleibt ein Großteil der Funktionen erhalten. Unterschieden werden muss bei den Neuerungen zwischen „Artikelneuanlage“ und dem „Bearbeiten“ von Artikeln. Die 8-Schritte beziehen sich auf die Neuanlage von Produkten. Beim Bearbeiten der Produkte wird auf ein etwas anderes Layout zurückgegriffen, das in großen Teilen dem bisherigen entspricht.

Neu ist tatsächlich neben dem reinen Layout die Darstellung mit dem Schwerpunkt „Empfehlungen“ und „Vorschlägen“. Es ist bereits bekannt, dass Amazon die Schreibrechte an Produktlistings sehr restriktiv vergibt. So gibt es keine generellen Regelungen, dass beispielsweise Vendoren mehr Schreibrechte hätten als Seller oder etwa ein Markeninhaber automatisch die Inhalte seiner Produkte verändern könnte, da er die Amazon Brand Registry durchlaufen hat. Hier unterscheidet Amazon nach anderen Faktoren. Die Äußerungen des Amazon Supports sind dazu jedoch sehr vage. Wir haben davon einige bereits in einem anderen Artikel zusammengetragen.

Auffällig war hier schon, dass Amazon verschiedene Ansätze nennt, wie Produktlistings bereits oder zukünftig erstellt werden. Stichwort: Projekt ICast und "The system has taken over". Erstgenanntes ist ein System von Amazon, das Produkttitel eigenständig zusammenbaut. Die Aussage "The system has taken over" stammt dabei aus einem Support-Ticket wo darauf verwiesen wird, dass Produktinformationen, in diesem Falle die Attribute, systemseitig automatisch erstellt werden und durch den Support nicht mehr verändert werden können. In weiteren Ausführungen des Supportes wird klar, dass Produktinformationen verschiedensten Quellen z.B. Herstellerseiten oder mehreren Produktlistings entnommen werden können oder anhand der Account-Performance darüber entschieden wird, welche Änderungen greifen..

Insofern passen die jetzigen Änderungen sehr gut ins Bild, setzt Amazon den Gedanken der Automatisieren bereits beim Marketing immer mehr in den Vordergrund. Die jetzigen Änderungen auf der Contentseite bestärken die Aussagen von Amazon, dass niemand die Hoheit über die Produktinhalte hält außer Amazon selbst. Die Automatisierung hält also nun auch Einzug. 

Wird das neue Layout beim Anlegen von Produkten ausgerollt oder ist es bereits für alle Händler verfügbar?

Amazon selbst schreibt dazu im Seller Central:

Jan. 2019 – „Probieren Sie die neue Funktion zum Hinzufügen und Bearbeiten eines Produkts aus

Wir haben uns Ihr Feedback zu Herzen genommen und freuen uns, dass wir Ihnen die überarbeitete Funktion Produkt Hinzufügen und Bearbeiten jetzt zum Test vorlegen können.
In den kommenden Wochen werden ausgewählte Verkäufer die neue Version der Funktion ausprobieren können, wenn Sie am Ende der Seite auf „Probieren Sie es aus!“ klicken. Wir haben neue Funktionen eingeführt, die den interaktiven Angebotsprozess vereinfachen sollen. Beispielsweise können Sie die Informationen einer Detailseite direkt neben Ihren Produktdaten sehen, wenn Sie ein Angebot bearbeiten.
Da die Arbeit an der neuen Version noch nicht abgeschlossen ist, kann es gelegentlich zu Problemen bei der Anwendung kommen. Sie haben aber jederzeit die Möglichkeit, zur alten Version zurückzukehren, falls die neue Version Ihren Ansprüchen nicht gerecht wird. Klicken Sie dann einfach auf „Zurück zur vorherigen Version“ am Ende der Seite Produkt hinzufügen oder beim Bearbeiten von Produktdetails.“

Wir können aber in verschiedenen Kundenaccounts bereits zwischen dem neuen und dem alten Layout wechseln. Daher denke ich, dass die Änderungen einem Großteil der Händler, wenn nicht bereits allen, zur Verfügung stehen.

Wie verändert sich die Gestaltung der Produktbeschreibung für die Marketplace-Händler?

Die Veränderungen, die aktuell schrittweise von Amazon umgesetzt werden, dürften vor allem Markeninhaber und Hersteller großer Marken vor Probleme stellen, da sie zukünftig wohl keine Möglichkeit mehr haben werden, Produktinhalte so zu strukturieren und zu formulieren, wie es bspw. der Marketingabteilung vorschwebt. Schon jetzt erleben wir bei vielen Vendoren und Sellern die Problematik, dass, obwohl Markenrechte gesichert sind, keine Schreibrechte für bestimmte Produkte zu erlangen sind. Gerade für Anbieter von Produkten, wo sich viele Händler in der Buybox tummeln, wird es schwerer, Inhalte beizusteuern. Gleichzeitig wird es aber auch für den Markeninhaber selbst unmöglich, die Inhalte so zu verändern wie gewünscht.

Welche Auswirkungen werden die Neuerungen auf das Kaufverhalten der Amazon-Kunden haben?

Aus Sicht von Amazon und damit auch aus Sicht der Kunden, sind die Änderungen nachvollziehbar. Konnten bisher Händler, die um ein Produkt gekämpft haben, gegenseitig Einfluss auf die Listings nehmen, wählt Amazon nun die besten Inhalte unter allen Beteiligten aus, z.B. die, die beim Kunden zum Kauf geführt haben. Ob dies aber die Informationen sind, die sich der Hersteller des Produktes gerne an dieser Stelle wünscht, um sein Produkt optimal und verständlich zu präsentieren, bleibt fraglich. Auf der einen Seite kann dies zu seriöseren Informationen führen, die Produkteigenschaften besser und sachlicher vergleichbar machen. Auf der anderen Seite besteht hier die Gefahr, mögliche Falschinformationen zu präsentieren, da diese vielleicht mehr Kaufanreize und Abverkäufe schaffen.

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