Interview mit Maria Simon und Tilmann Kuhla

Ebay zum Umsatzsteuergesetz: „Dieser ganze Papierprozess ist eine Zumutung“

Veröffentlicht: 08.04.2019 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 08.04.2019
Ebay Screenshot

Das neue Umsatzsteuergesetz, das Marktplätze in die Haftung nimmt und Händler verpflichtet, Umsatzsteuerbescheinigungen an die Marktplätze zu schicken, gilt seit dem 1. Januar. Es gibt aber eine Übergangsfrist bis zum Herbst. Der Stichtag für deutsche Händler ist der 1. Oktober. Für viele Händler scheint das Grund genug zu sein, mit der Beantragung noch etwas zu warten. Ebay stellt das vor Probleme – und das wiederum könnte im Oktober für Kopfzerbrechen bei vielen Händlern sorgen.

Wir haben mit Maria Simon, Senior Manager Seller Experience bei Ebay, und Dr. Tilmann Kuhla, Senior Legal Counsel bei Ebay, über das Gesetz gesprochen. Sie erklären, warum der Papierprozess für alle Beteiligten frustrierend ist, warum wir nun mit dem Gesetz, so wie es ist, erst einmal leben müssen und warnen Händler davor, bis kurz vor Toresschluss zu warten. Außerdem stellen sie noch einmal klar, worauf beim Upload zu achten ist.

„Grundsätzlich sinnvoll“

OnlinehändlerNews: Ganz grundsätzlich: Was sagt Ebay zum neuen Umsatzsteuergesetz und wie läuft die Umsetzung?

Maria Simon: Grundsätzlich finden wir es sinnvoll, dass der Gesetzgeber sicherstellen will, dass alle Verkäufer ihren steuerlichen Verpflichtungen nachkommen. Wir beobachten, dass das Bewusstsein bei Händlern relativ unterschiedlich ist. Es gibt einige Verkäufer, die sehr früh dran waren und uns schon am 2. Januar die ersten Umsatzsteuer-Bescheinigungen geschickt haben. Aber wir haben noch lange nicht von allen Händlern Bescheinigungen erhalten. Vielen Verkäufern ist gar nicht bewusst, dass die neue Regelung nicht nur ausländische, sondern auch deutsche Händler betrifft. Dabei muss den Händlern nicht nur bewusst sein, dass sie die Bescheinigungen benötigen, sondern dass sie diese auch möglichst schnell einreichen und prüfen lassen müssen. Denn wir bei Ebay müssen jede Bescheinigung einzeln prüfen. Das heißt konkret, dass wir prüfen müssen, ob die Daten auf der Bescheinigung mit den Daten im Verkäuferkonto übereinstimmen. Ansonsten müssen wir diese ablehnen. Unsere Befürchtung ist, dass wir erst im Herbst den Großteil der Bescheinigungen erhalten, so dass wir mit der Bearbeitung nur schwer hinterherkommen. Im schlimmsten Fall müssen wir Händler sperren, weil sie die Bescheinigung nicht mit ausreichend Vorlaufzeit eingereicht haben.

OHN: Eine Sperre ist aber ja eine sehr strikte Strafe. Es ist ja durchaus möglich, dass ein Händler den Zeitverzug möglicherweise gar nicht selbst verschuldet hat, sondern das jeweilige Finanzamt zum Beispiel, weil es mit der Bearbeitung nicht hinterhergekommen ist.

Maria Simon: In der Regel, das berichten uns auch die Händler, arbeiten die Finanzämter derzeit recht schnell. Im Januar gab es zwar bei einzelnen Finanzämtern noch Verzögerungen, mittlerweile bekommen die Händler die Bescheinigungen aber meist sofort.

Tilmann Kuhla: Natürlich ist eine Sperre eine harte Strafe, aber man muss eben auch dazu sagen: Es ist das, was der Gesetzgeber uns vorschreibt und daran muss Ebay sich halten.

OHN: Sprechen wir doch mal über die ausländischen Händler. Die Idee hinter dem Gesetz ist ja, dass auch Händler ohne deutsche Niederlassung die Umsatzsteuern in Deutschland abführen. Aktuell hat man eher das Gefühl, dass der Arbeitsaufwand bei Marktplätzen und deutschen Händlern liegt. Waren denn die ausländischen Händler alle so vorbildlich und haben die Bescheinigungen bis zum Fristende im März eingereicht?

Tilmann Kuhla: Im Januar und Februar gab es noch erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten, aber eine sehr große Zahl von Händlern aus dem nichteuropäischen Raum haben die Bescheinigung fristgerecht geliefert. Die, die die Frist nicht eingehalten haben, sind jetzt auch gesperrt. Es gibt bei Ebay keinen Handel ohne die erforderliche Bescheinigung! Aktuell läuft noch die Fristverlängerung bis zum 15. April, die es Händlern erlaubt, zu verkaufen, die bereits eine Bescheinigung beantragt haben, aber noch auf diese warten. Einige Händler handeln also auch bei Ebay noch aufgrund dieser Ausnahmeregelung, aber das eben auch nur noch explizit bis zum 15. April.

Maria Simon: Der Anteil der Händler, die sich aktuell in dieser „Warteposition“ befinden, ist aber sehr klein.

„Schon über 10.000 Arbeitsstunden geleistet“

OHN: Wenn alle Anträge einzeln abgeglichen werden müssen, ist das doch ein enormer bürokratischer Aufwand. Kann man beziffern, wie viel Mehraufwand das aktuell für die deutsche Ebay-Niederlassung bedeutet?

Tilmann Kuhla: Rechnet man alle Teams zusammen, sind allein für diese Vorgänge schon über 10.000 Arbeitsstunden geleistet worden. Wir haben tatsächlich Mitarbeiter, die machen im Moment nichts Anderes und es gibt Mitarbeiter, die werden wahrscheinlich bis Oktober auch nichts anderes machen, als die Bescheinigungen der Händler zu überprüfen. Daher ist uns auch daran gelegen, dass nicht alle Händler, die bislang keine Bescheinigung eingereicht haben, erst kurz vor Toresschluss im September aktiv werden. Wir sprechen hier von einem sehr hohen Volumen.

OHN: Ist der alleinige Ansprechpartner für die Händler, die vom Handel ausgeschlossen wurden – möglicherweise ja auch zu Unrecht, weil es beim Finanzamt zu einem Fehler kam – das Finanzamt oder bietet Ebay eine Möglichkeit, hier auch zum Ansprechpartner zu werden?

Tilmann Kuhla: Wir reden mit den Behörden, wenn es uns möglich ist und sind auch dankbar über Rückmeldungen von Händlern, wenn es in dieser Hinsicht Probleme gibt. Wenn wir eine Bescheinigung von einem Händler haben, dann können wir auch Rücksprache mit den Finanzämtern halten. Wir können aber nicht proaktiv auf die Behörden zugehen und Auskünfte einholen, wenn wir „nichts in der Hand“ haben. Aber natürlich mischen wir uns ein, wo wir können, weil uns ja sehr daran gelegen ist, dass die Händler bei uns auch handeln können.

Letztlich ist es aber doch so: Wenn ein Händler umsatzsteuerlich schon alles richtig macht, dann ist es ganz einfach, die Bescheinigung vom Finanzamt zu erhalten. Diese erhält man innerhalb weniger Tage, lädt sie bei Ebay hoch und wir bestätigen innerhalb weniger Tage, sofern alles in Ordnung war. Der Aufwand für den einzelnen Händler ist letztlich überschaubar.

Maria Simon: Daher sollten das die Händler auch möglichst zeitnah hinter sich bringen. Wenn wir noch im September zehntausende Zertifikate pro Woche erhalten, dann kommen wir natürlich mit der Bearbeitung irgendwann nicht mehr hinterher. Und die Finanzämter bei der Ausstellung vermutlich auch nicht. Wir wissen, dass dieser ganze Papierprozess eine Zumutung ist, müssen aber nun, genau wie die Händler und die Behörden, mit der Situation umgehen. Es wäre wünschenswert gewesen, wie in Großbritannien einen elektronischen Abgleichprozess zur Verfügung zu stellen.

OHN: Man hört durchaus eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Gesetz – in der Form, wie es letztlich umgesetzt wurde – heraus.

Tilmann Kuhla: Das ist ja kein Geheimnis. Wir hätten uns – und darauf hatten wir den Gesetzgeber auch hingewiesen – ein elektronisches Abfragesystem gewünscht, was dazu geführt hätte, dass wir die notwendigen Informationen direkt von den Finanzbehörden hätten abfragen können und damit für die Händler kein Aufwand entsteht.

OHN: Warum wurde der Vorschlag denn abgelehnt?

Tilmann Kuhla: Weil es technisch zu schwierig sei und es zu lange dauern würde, ein entsprechendes System zu entwickeln. Und ja, natürlich wäre das, auch auf unserer Seite, ein großer Aufwand gewesen, aber der hätte auf jeden Fall deutlich unter 10.000 Stunden gelegen.

Um das noch einmal deutlich zu sagen: Ebay ist nicht gegen das Gesetz. Wir sind absolut dafür, dass alle ihre Steuern zahlen und gleiche Voraussetzungen haben. Wir wären aber dafür gewesen, das Gesetz so umzusetzen, dass es für Händler, die sich compliant (also regelkonform, Anm. d. Red.) verhalten – und das ist der sehr überwältigende Anteil der Händler – einfacher wäre, das Gesetz einzuhalten. Dafür gab es letztlich keine Lobby und wohl auch nicht die Zeit. Das Gesetz wurde mit hohem Druck durchgesetzt. Die Bedenken haben wir auch im Gesetzgebungsverfahren vorgetragen. Mehrfach! Im Übrigen auch zusammen mit unseren Wettbewerbern.

Beim Upload alle Konten angeben

OHN: Dann werden wir doch konkret: Wo liegen denn die Unklarheiten auf Händlerseite?

Maria Simon: Das Hauptproblem ist zunächst, dass sich viele Händler tatsächlich nicht im Klaren sind, dass sie die Umsatzsteuerbescheinigung einreichen müssen. Und viele, die es wissen, lesen in Foren und Gruppen, dass der Bearbeitungsprozess bei Ebay so schnell vonstatten ging, dass sie davon ausgehen, sie könnten sich noch bis zum 29. oder 30. September Zeit lassen. Da muss man noch einmal ganz deutlich sagen: Selbst, wenn wir alle verfügbaren Mitarbeiter für die Bearbeitung der Bescheinigungen abstellen, können wir zehntausende Anträge, die kurz vor Ende der Frist eingehen, nicht rechtzeitig bearbeiten, weil der notwendige manuelle Prozess dafür zu aufwändig ist.

OHN: Wie müssen die Händler vorgehen, um die Bescheinigung bei Ebay hochzuladen?

Maria Simon: Der Händler scannt die Bescheinigung ein und kann sie unter dem Link https://ebay.de/vat hochladen. Dort findet man alle notwendigen Informationen in acht verschiedenen Sprachen, u.a. auch in Chinesisch. Daraufhin bekommt der Händler eine Eingangsbestätigung und nach der Bearbeitung – die aktuell wie gesagt noch sehr schnell funktioniert – die Bestätigung, dass alles in Ordnung ist.

Tilmann Kuhla: Noch ein wichtiger Hinweis: Beim Upload müssen die Händler alle Konten angeben, für die die Bescheinigung gelten soll, denn diese wird pro Händler und nicht pro Konto ausgestellt. Die Konten gibt man im Kommentarfeld an. Ebay hat nicht die Deutungshoheit darüber, welches Konto zu welchem Händler gehört. Das funktioniert natürlich nur, wenn der Kontoinhaber in allen Fällen identisch ist.

OHN: In zwei Jahren wird es auf EU-Ebene wieder eine neue Regelung geben. Wie steht Ebay dazu?

Tilmann Kuhla: Ebay ist am Gesetzgebungsverfahren in der EU beteiligt. Grundsätzlich ist es sinnvoll, eine EU-weite Regelung voranzutreiben und keine nationalen Alleingänge. Auch weil die meisten Händler mittlerweile grenzüberschreitend verkaufen und es für diese Händler eine Zumutung ist, sich in allen Zielländern einzeln anzumelden. Es wäre natürlich schöner gewesen, nicht erst eine deutsche Einzelregelung einzuführen, um kurz danach auf EU-Ebene wieder neue Richtlinien festzulegen. Ebay wird aber alles dafür tun, dass das Gesetz, welches dann 2021 kommen wird, einfacher umzusetzen sein wird als das deutsche.

OHN: Nun müssen auch die Verkäufer unter die Lupe genommen werden, die sich als Privat angemeldet haben, bei denen es aber Hinweise gibt, dass sie eher als Unternehmer handeln. Wie geht ihr mit diesem Teil der Händler um?

Tilmann Kuhla: Das ist eine spannende Frage, ja. Das Gesetz sagt: Wenn Art, Höhe und Menge der Umsätze darauf schließen lassen, dass es sich um einen Unternehmer handelt, dann müssen wir diesen auch als Unternehmer behandeln. Wir schauen uns das genau an, weil wir natürlich einerseits Nutzern, die privat handeln wollen, dies nicht verbieten möchten. Andererseits gibt es auch Fälle, in denen jemand vorgibt, privat zu agieren, aber de facto gewerblich handelt. Das ist jedoch immer im Einzelfall zu prüfen, weil klare Abgrenzungen vom Gesetzgeber fehlen.

OHN: Vielen Dank für das Gespräch.

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