Ernüchternde Bilanz

Gerrit Heinemann erklärt lokale Marktplätze für „gescheitert“

Veröffentlicht: 05.11.2019 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 05.11.2019
Fußgängerzone

Lokale Marktplätze gibt es viele. Viele große Städte in Deutschland haben eine solche eigene Plattform, daneben sind auch einige regionsübergreifende Anbieter entstanden. Das Ziel dieser Marktplätze: Den Online-Pure-Playern sollte etwas entgegengesetzt werden, die stationären Einzelhändler aus der Innenstadt sollten nicht abgehängt werden. Über lokale Marktplätze, so die Hoffnung, können die Kunden auch über den neuen Vertriebskanal erreicht werden.

„Es fehlt an allem, was das Einkaufen im Internet wirklich attraktiv macht“

Falsch ist diese Idee nicht, aber ihre Umsetzung ist bislang kläglich gescheitert. So fällt nun auch das Urteil von Gerrit Heinemann, Handelsexperte und Professor an der Hochschule Niederrhein, laut Heise Online aus: „Der Versuch, durch lokale Online-Marktplätze die Innenstädte zu beleben, ist gescheitert.“ Das liege Heinemann zufolge daran, dass die Plattformen im Internet einfach nicht funktionieren würden. „Es fehlt ihnen an allem, was das Einkaufen im Internet wirklich attraktiv macht, von der großen Auswahl bis zu den günstigen Preisen“, so der Experte.

Stattdessen setzten die Plattformen eher auf das Prinzip Hoffnung oder sogar noch das Mitleid der Verbraucher. „Aber das war im Handel noch nie ein Rezept, das funktioniert“, resümiert Heinemann. 

Lokale Plattformen sehen positive Effekte

Roman Heimbold, Gründer von Atalanda, hält dagegen: Sein Unternehmen hat allein in Deutschland 19 lokale Online-Marktplätze zwischen Alfeld (Leine) in Niedersachsen und Freilassing in Bayern im Betrieb. Seiner Meinung nach lasse sich der Erfolg der Plattformen nicht allein am Umsatz messen. Auf den von Atalanda betreuten Marktplätzen fänden sich mittlerweile insgesamt rund 1.000 Teilnehmer – doch nur jeder zehnte davon biete auch tatsächlich Produkte zum Verkauf im Internet an. Also doch ein Punkt für Gerrit Heinemann? 

Heimbold betont, dass das Thema Sichtbarkeit für viele kleine und mittlere Unternehmen von großer Bedeutung sei. „Wir arbeiten vor allem mit kleineren und mittleren Unternehmen zusammen und viele davon sind beim Thema Digitalisierung noch sehr entwicklungsbedürftig“, führt der Atalanda-Gründer aus. Wer auf einem lokalen Marktplatz auftritt, könne später auch auf anderen Plattformen aktiv werden, um Waren zu verkaufen, meint er. 

Ähnliche Erfahrungen hat offenbar auch die Stadt Wuppertal gemacht, die mit dem Portal Online-City 2014 einer der Vorreiter in Sachen lokale Marktplätze war. Zwar seien die online erzielten Umsätze noch nicht sehr beeindruckend, wie Rolf Volmerig, Vorstand der Wirtschaftsförderung Wuppertal, einräumt. Aber: Viele Händler berichten ihm zufolge davon, durch den Online-Auftritt neue Kunden in ihre Geschäfte gelockt zu haben. Die erhöhte Sichtbarkeit im Netz wirke sich also positiv aus und die Händler arbeiten stärker zusammen. 

Niedrige Händlerzahl, geringe Auswahl

Trotzdem behalten die lokalen Marktplätze offenbar ihren schweren Stand: Auch das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI attestiert den Plattformen, „bislang keine nennenswerte Rolle“ zu spielen, wie es bei Heise Online heißt. „Kein einziger von ihnen hat es in unser Ranking der 1.000 größten Online-Händler geschafft. Sie tun sich sehr schwer“, so EHI-Experte Lars Hofacker. Größte Schwachstelle der lokalen Marktplätze sei dabei die geringe Händlerzahl, wie Horst Hesse von der Hochschule Koblenz anmerkt: Zwischen 30 bis 60 Anbieter seien pro Ort – also auch pro Plattform – vertreten. Damit sei das Shopping-Erlebnis der Innenstadt längst nicht abgebildet. 

Auch die Online-City Wuppertal zählt gerade einmal 65 Händler, von denen die meisten nicht mehr als ein paar Hundert, oder sogar nur ein paar Dutzend Artikel im Netz anbieten. Trotzdem bedeutet das nicht, dass die lokalen Marktplätze nicht tragbar sind: Atalanda plant für dieses und nächstes Jahr weitere lokale Plattformen. EHI-Experte Hofacker sieht für Händler, die noch keine Erfahrungen mit dem Thema Online-Handel haben, einen idealen Einstieg durch Online-Marktplätze. Um aber wirklich große Umsätze im Netz zu erzielen, kommen Händler seiner Meinung nach aber nicht um Marktplätze wie Amazon oder Ebay herum. 

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