Interview mit Frank Schulze von lkg24.de

„Viele Online-Händler scheitern vor allem an den Logistikprozessen“

Veröffentlicht: 07.07.2020 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 07.07.2020
Pakete mit Fragezeichen

Frank Schulze hat mit lkg24.de mitten in der Coronakrise einen Online-Marktplatz für Bücher aufgebaut. Der geschäftsführende Gesellschafter der Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft mbH erklärt im Interview, was die größten Hürden beim Start waren, welche Rolle Amazon im Buchhandel spielt, wie das Unternehmen auch dem stationären Buchhandel helfen will und ob wir in Zukunft überhaupt noch auf bedrucktem Papier lesen werden. 

OnlinehändlerNews: Mit der Coronakrise brach ihr Umsatz im März, unter anderem wegen der Liefersperren im stationären Handel, auf ein Fünftel ein, daraufhin haben Sie LKG auch als Bücher-Marktplatz für Endkunden aufgestellt – eine Verzweiflungstat?

Frank Schulze: Nein, keine Verzweiflungstat. Wir haben schon einige Zeit über einen eigenen Online-Shop nachgedacht, Corona hat die Umsetzung nur beschleunigt. Schon vorher konnten nicht alle Bücher unserer Verlage gekauft werden, weil letztendlich der Händler die Auswahl bestimmt und häufig nur noch Bücher in den Laden kommen, die sich schnell drehen. Der zeitweise Verkaufsstop von Büchern bei Amazon hat das Dilemma vor Augen geführt. Unser Ansatz ist, alle Produkte unserer Kunden zu zeigen und damit eine virtuelle Vergrößerung der Buchhandlung zu sein und dieses Konzept haben wir jetzt umgesetzt.

„Wir wollen auf keinen Fall in Konkurrenz zu Amazon treten“

Amazon, das ja als reiner Buch-Händler angefangen hat, ist auch hier marktbeherrschend. Wie kann man langfristig im Online-Buchhandel gegen den Riesen überhaupt bestehen – außer als auf die Solidarität der Buchliebhaber in der Coronakrise zu hoffen?

Wir wollen auf keinen Fall in Konkurrenz zu Amazon treten, weil wir auch kein klassischer Online-Händler sind. Der Kunde kann bei uns seine bevorzugte Buchhandlung auswählen, die dann 20 Prozent des Verkaufserlöses überwiesen bekommt. So schaffen wir also ein Einkaufserlebnis gekoppelt mit Solidarität und Stärkung der lokalen Infrastruktur. Möglich wird das finanziell, weil mit dem Onlineumsatz unser eigentliches Verlagsauslieferungsgeschäft gestärkt wird.

LKG wurde selbst schon von Amazon geehrt und 2006 beim Vendor Day in Bad Hersfeld die Goldene Palette in der Kategorie Buch verliehen. Wie würden Sie ihre Beziehung zu Amazon beschreiben?

Unsere Kunden sind die Verlage, für die wir alles Machbare tun, um deren Produkte schnellstmöglich zum Abnehmer zu bringen. Für uns gehört es deshalb zum Geschäft, mit allen potentiellen Bucheinkäufern im Kontakt zu sein, IT-Schnittstellen zu unterhalten und logistische Prozesse abzustimmen. Deshalb haben wir auch gute, hochprofessionelle Beziehungen zu Amazon, genauso wie zum kompletten Lebensmitteleinzelhandel, zu Drogeriemärkten, Buchfilialisten, Buchgroßhändlern und tausenden Buchhandlungen.

„Ich denke, dass viele Online-Händler vor allem an den Logistikprozessen scheitern“

Was war die größte Herausforderung beim Start des Marktplatzes und wie haben Sie diese gelöst?

Wir haben uns natürlich externe Unterstützung eingekauft, ohne die wir innerhalb von vier Wochen keinen funktionierenden Online-Shop an den Start gebracht hätten. Die größte Herausforderung dabei war die Koordination aller Beteiligten und auch die Einbindung des Shops in unsere bestehenden Logistikprozesse. Ich denke, dass viele Online-Händler vor allem an den Logistikprozessen scheitern und deren Kosten unterschätzen. Zumindest den Fehler konnten wir uns ersparen, weil wir das Geschäft seit Jahrzehnten betreiben. Lernen müssen wir eindeutig noch in der Vermarktung.

Sie haben quasi ihren B2B- auf den B2C-Bereich ausgeweitet – auf was muss man bei diesen unterschiedlichen Zielgruppen achten?

Beide Geschäfte sind uns durch unsere Kunden bekannt, auch unser Kundenservice kann mit beidem umgehen. Viele kleine Pakete an Privatkunden machen natürlich mehr Arbeit, als Pakete mit 100 Büchern an einen Händler. Wir haben in deshalb in Logistikanlagen investiert, um schneller und produktiver zu werden und werden dies auch weiter tun.

 Schulze / LKG

Darum geht es bei der Aktion #buchwasgutes

Unter der Aktion #buchwasgutes unterstützen Sie die Buchhandlungen. Besteller können die Bücher dort abholen, die Geschäfte erhalten 20 Prozent des Verkaufspreises. Derzeit geht das zunächst in Leipzig und Umgebung, soll das Angebot ausgebaut werden?

Unser Angebot ist nicht auf Leipzig und Umgebung begrenzt. Wir liefern bundesweit aus und es können auch Buchhandlungen im gesamten Bundesgebiet ausgesucht werden. Die Waren werden direkt zum Kunden nach Hause geschickt und können derzeit nicht in der Buchhandlung abgeholt werden. Der Hashtag #buchwasgutes soll Buchhändler animieren, unsere Aktion einem breiterem Publikum bekannt zu machen. Gleichzeitig profitiert der Händler, ohne weiter etwas dafür tun zu müssen.

Ein Shop lebt von einem breiten Angebot. Derzeit finden Sie nur Produkte unserer Verlage. Wir arbeiten aber an der Verbreiterung des Angebots durch Anbindung von Verlagen, für die wir nicht ausliefern. Konkret sind es aktuell fünf „Fremdverlage“ an deren Anbindung wir arbeiten. Wir sind für alle offen, die Ihre Produkte über uns verkaufen möchten.

Wie wollen Sie generell lkg24.de weiter entwickeln?

Durch Verbreiterung des Angebotes an Büchern oder auch Produkten, die damit in einem Zusammenhang stehen. Wenn Sie heute in große Buchhandlung schauen, können Sie sehen, was wir uns alles an Produkten in unserem Shop vorstellen können. Wahrscheinlich wird es auch irgendwann für B2B Kunden möglich sein, bei uns über den Shop zu bestellen, was uns bei der Digitalisierung unseres eigentlichen Geschäftes helfen wird.

Die Zukunft des gedruckten Buches

Jüngere Leser finden – wenn überhaupt – mittlerweile eher über E-Books den Weg zur Literatur, warum glauben Sie an die Zukunft des gedruckten Buches?

Die Statistik sagt da etwas anderes. Der Verkauf von E-Books stagniert seit Jahren und es gibt auch wieder mehr Leser von Büchern. Wenn ich unsere Lagerhallen anschaue, sehe ich eher den Bedarf nach mehr Lagerfläche als das Ende des gedruckten Buches. Gerade jetzt möchte vielleicht jeder etwas Reelles in der Hand haben und greift deshalb zum Buch. Ob der Trend zum Buch anhält, kann keiner voraussagen, es wird aber immer mehr Online-Handel geben und das was verschickt wird, muss auch vorher irgendwo gelagert werden und da ist dann die LKG wieder im Spiel.

Zum Schluss: Ihre Empfehlung für ein Buch,

1) das, auf welche Art auch immer, in Krisenzeiten hilft
2) das sich immer zu lesen lohnt

Ich lese gerade zum zweiten Mal den Roman „Leere Herzen“ von Juli Zeh. Es wird Deutschland in der nahen Zukunft beschrieben. Der europäische Föderalismus steht kurz vor dem Aus, die UNO wurde aufgelöst und die Kompetenzen von Polizei, Geheimdienst und nationaler Regierung stetig ausgeweitet. Nicht die Wähler populistischer Parteien sind schuld an der zunehmenden Radikalisierung. Schuld sind die Demokraten. Schuld sind die, die ihrer Wut entfliehen, indem sie sich in Gleichgültigkeit flüchten. Hoffen wir, dass es nicht so kommt. Der Roman ist packend zu lesen und rüttelt auf, nie gleichgültig zu werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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