Befragung zum Konkurrenzdruck

Großteil der Amazon-Händler von vermeintlich willkürlichen Löschungen betroffen

Veröffentlicht: 22.01.2021 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 22.06.2022
Symbol eines Einkaufswagens auf dem Boden

Wie stark stehen Online-Händler unter dem Konkurrenzdruck durch Amazon? Wie genau verändern sich die Geschäfte von Händlern, wenn Amazon auf einmal konkurrierende Eigenmarken anbietet? Und wie viele Händler sind beispielsweise von Produktlöschungen betroffen? – Diesen und ähnlichen Fragen ist Matthias Priehs im Rahmen seiner Masterarbeit an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster nachgegangen. Dabei hat er im vergangenen Sommer 267 Online-Händler befragt, deren Antworten die Basis der vorliegenden Analyse bilden. Diese liegt OnlinehändlerNews exklusiv vor.

Für zwei von drei Händlern ist Amazon ein direkter Konkurrent

Grundsätzlich gab ein Großteil der befragten Online-Händler an, als direkte Konkurrenten von Amazon tätig zu sein: Rund 65 Prozent der Anbieter sieht Amazon als direkte Konkurrenz und verkauft über den Marktplatz mindestens einen oder gar mehrere gleiche bzw. ähnlich Produkte wie der Konzern. Nur 19 Prozent verneinten eine direkte Konkurrenz. Der Rest (rund 16 Prozent) ist sich mit Blick auf den direkten Wettbewerb nicht sicher.

Dass Amazon im Laufe der vergangenen Jahre sein Sortiment an Eigenmarken immer weiter ausgebaut und damit den Markt verändert hat, bestätigt auch die Analyse. 44 Prozent der Händler, die an der Umfrage teilgenommen haben, gaben an, dass Amazon zunächst noch nicht als Konkurrent tätig war und der Konzern erst nach ihrem eigenen Start auf dem Portal entsprechende Produkte auf den Markt gebracht hat. 

Bei nur neun Prozent war Amazon bereits vorher mit konkurrierenden Waren aktiv. Dem Rest ist der Einstiegszeitpunkt von Amazon in das eigene Segment entweder nicht bekannt oder sie konkurrieren nicht direkt mit dem Konzern.

„Der Konkurrenzdruck durch Amazon wird als sehr hoch eingestuft“

Auch die Auswirkungen neuer Amazon-Produkte wurden laut Matthias Priehs im Rahmen der Studie sehr deutlich: Bei fast vier von zehn Händlern habe sich die Marge durch einen Produkteinstieg von Amazon entweder sehr stark (19,8 Prozent), stark (12,3 Prozent) oder zumindest mäßig (6,1 Prozent) reduziert. 

„Der Konkurrenzdruck durch Amazon wird von den Händlern zudem insgesamt als sehr hoch eingestuft. Der Effekt ist noch intensiver bei Händlern, welche um die Buy-Box konkurrieren, d. h. vorrangig Fremdmarken anbieten“, sagt der Volkswirtschaftsstudent. Ein gewisser Verdrängungseffekt könne demzufolge also durchaus beobachtet bzw. angenommen werden.

Viele Händler fühlen sich von Amazon gegängelt

Die Doppelrolle, die Amazon im Online-Handel einnimmt, ist ein Faktor, den Kritiker und Wettbewerbshüter immer wieder aufgreifen: Da Amazon seinen Online-Marktplatz einerseits zig-Tausenden Händlern als einen der wichtigsten Vertriebskanäle zur Verfügung stellt, andererseits aber selbst auf diesem Marktplatz handelt, besteht für den Konzern in der Theorie grundsätzlich die Möglichkeit, die eigene Marktmacht zu missbrauchen – beispielsweise, indem sensible Händlerdaten für eigene Zwecke genutzt werden.

Auch dieser Faktor wurde im Rahmen der Abschlussarbeit in den Blick gerückt: „In Bezug auf einen möglichen Marktmachtmissbrauch durch Amazon sind die Händler mit großer Mehrheit der Meinung, dass Amazon die Daten ebenjener für eigene Zwecke missbraucht“, kommentiert Priehs mit Blick auf seine erhobenen Daten.

Diese Annahme der Händler begründe sich beispielsweise in der Erfahrung, die sie auf dem Amazon Marketplace gemacht haben: Laut der Auswertung waren bereits mehr als 70 Prozent der befragten Händler in der Vergangenheit schon mindestens einmal von einer (nach eigenen Aussagen) unbegründeten Löschung oder einer Deaktivierung von Angeboten betroffen. „Höchst beunruhigend ist dabei die Tatsache, dass Händler, die mit mindestens einem Produkt in direkter Konkurrenz zu Amazon stehen, deutlich häufiger betroffen sind als Händler, die nicht in Konkurrenz zu Amazon agieren – ein Indiz dafür, dass Amazon direkte Konkurrenten häufiger benachteiligt als Nicht-Konkurrenten.“

Amazon bleibt einer der Top-Kanäle für Händler

Der Druck auf die Händler, der direkt durch Amazon verursacht wird, scheint für Online-Händler teils massiv. Und dennoch wird auch im Zuge der vorliegenden Studie mal wieder eines recht deutlich: An Amazon kommt man als Unternehmen kaum vorbei. Laut den Umfrageergebnissen generieren die Händler im Schnitt mehr als 50 Prozent der Gesamtumsätze über den Marketplace von Amazon. Nicht unerwartet kommt daher auch die Aussage vieler Anbieter, dass Amazon auch künftig als essenzieller Vertriebskanal gesehen wird.

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