Zalando will sich für mehr Nachhaltigkeit und die Kreislaufwirtschaft in der Mode stark machen. Bereits Ende März, zur Vorstellung der letzten Jahresbilanz und dem Ausblick für das laufende Geschäftsjahr, betonte der Online-Modehändler, wie sehr Nachhaltigkeit einen der wichtigsten Bereiche für die künftige Konzern- und Wachstumsstrategie darstelle. Man habe sowohl die Größe als auch die Verantwortung, die Branche positiv zu verändern, hieß es damals. Diese Strategie bekräftige David Schneider nun erneut: „Bis 2023 wollen wir 25 Prozent unseres Bruttowarenvolumens mit nachhaltigeren Produkten erwirtschaften. Während der Coronavirus-Krise ist unseren Kund*innen nachhaltigeres Shopping noch wichtiger geworden.“
So veröffentlichte Zalando aktuell eine Untersuchung, die sich der Ambivalenz zwischen der Einstellung von Konsumentinnen und Konsumenten zu nachhaltiger Mode und ihrem tatsächlichen Shopping-Verhalten widmet. Dafür wurden zwölf Zalando-Kunden in ihrem Alltag begleitet – um deren Einkaufsgewohnheiten kennenzulernen – und es wurde eine quantitative Umfrage mit 2.500 Personen durchgeführt. Im Anschluss erarbeite Zalando mit Marken, Organisationen und Branchenexperten wie H&M, Adidas, Filippa K, der Global Fashion Agenda, Sustainable Apparel Coalition, McKinsey und London College of Fashion verschiedene Empfehlungen für die Branche – und gab bekannt, neue Filterfunktionen auf seiner Online-Modeplattform einzuführen. Mit diesen solle es künftig noch einfacher sein, gezielt Mode nach nachhaltigen Kriterien zu shoppen.
Der Report trägt den Titel „It Takes Two: Wie Industrie und Konsument*innen gemeinsam die Attitude-Behavior-Gap für nachhaltige Mode schließen können“ – und lässt damit bereits im Titel keinen Zweifel, dass es bei dem Vorhaben, Mode nachhaltiger zu gestalten, nicht ausschließlich auf die Anbieter ankomme – Industrie und Handel müssen mit dem Kunden zusammenkommen.
Viele Kunden würden der Untersuchung zufolge nämlich aktuell tatsächlich nicht so nachhaltig shoppen, wie sie offenbar gerne möchten: Gut der Hälfte (53 Prozent) sei es beispielsweise zwar wichtig, von Marken mit ethischen Arbeitsrichtlinien zu kaufen, doch nur knapp ein Viertel (23 Prozent) hätte sich über entsprechende Richtlinien informiert. Auch wolle die Mehrheit das Produkt als auch die verwendeten Materialien verstehen, aber nur gut ein Drittel schaue sich Etiketten der Artikel an. Weiter zeige sich, dass 45 Prozent auf das Preis-Leistungs-Verhältnis achten, aber ebenfalls nur gut ein Drittel regelmäßig eher den günstigeren als den nachhaltigeren Artikel auswähle. Reparatur, Secondhand und nachhaltige Entsorgung von Kleidung finden sechs von zehn Konsumenten wichtig – im Alltag würde aber je etwa nur ein Viertel Kleidung reparieren, regelmäßig Secondhand kaufen oder getragene Mode weitergeben.
„Auf die Frage, was sie vor allem mit nachhaltiger Mode verbinden, war die häufigste Antwort ‘Schuldgefühle’ und die seltenste ‘Spaß’“, ergänzt der Zalando-Chef Schneider weiter zur Vorstellung der Analyse und weiß: „Wenn wir als Modebranche Nachhaltigkeit wirklich ernst nehmen, müssen wir diese Lücke jetzt gemeinsam schließen, um eine bessere Zukunft für die Mode zu schaffen.“
Der Umfrage zufolge würden sich Verbraucher wünschen, dass Industrie und Händler gezielt Maßnahmen ergreifen, um ihnen den Druck, selbst nachhaltig zu sein, abzunehmen, gleichsam wollen sie selbst ihren Beitrag leisten.
Morten Lehmann, Chief Sustainability Officer der Global Fashion Agenda, einem führenden Forum für Nachhaltigkeit in der Mode, der sich an der Panel-Diskussion nach der Veröffentlichung beteiligte, erklärte, dass er selbst dem neuen Report gegenüber skeptisch gewesen sei, da er viele ähnliche Analysen zu Ambivalenzen im Käuferverhalten kenne. Überzeugt habe ihn jedoch im Dialog mit Zalando und weiteren Partnern, dass nun gezielt nach Lösungen gesucht wurde, um die Lücken zwischen dem eigenen Anspruch an nachhaltigem Konsum und dem tatsächlichen Kauf nachhaltiger Produkte zu schließen.
Folgende Empfehlungen für Modeanbieter wurden deshalb erarbeitet:
Zalando selbst legt aktuell einen Fokus auf die klare Kommunikation nachhaltiger Kriterien und hat sich dafür eine Umsetzung im Shop überlegt. So werden auf der Plattform bereits Produkte, die mit nachhaltigeren Materialien oder Prozessen hergestellt wurden oder nach vertrauenswürdigen Standards Dritter zertifiziert sind, als nachhaltig gelabelt. Insgesamt hat Zalando rund 700.000 Artikel im Sortiment. Nun könne das nachhaltigere Modesortiment, das aktuell aus über 80.000 Artikeln von mehr als 500 Marken bestehe, nach folgenden Werten gefiltert werden:
Ganz neu ist eine Filterfunktion nach Nachhaltigkeitskriterien im Online-Handel natürlich nicht, angeboten wird sie zum Beispiel vom Marktplatz Avocadostore oder dem Portal Bergzeit. Zalando wolle aber insbesondere die trockene, eher wissenschaftliche Sprache, die Nachhaltigkeitszertifizierungen oft mit sich brächten, vereinfachen. „Deswegen haben wir für das neue Browsing-Erlebnis ganz bewusst einen Designansatz gewählt, der die Freude an Mode betont – und gleichzeitig die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Best Practices aus der Industrie berücksichtigt“, erläutert Julien Slijan, Director of Product und Digital Experience Sustainability bei Zalando.
Direkt auf der Produktdetailseite sind dann bestimmte Informationen zu finden – in Form von kleinen Abbildungen und dem Hinweis, welcher nachhaltige Wert erfüllt ist. Diese Art Info-Kasten führt dann auf Landing-Pages mit weiteren Hinweisen zum entsprechenden ökologischen, umweltfreundlichen oder ethischen Impact, den das Produkt hat. „Die Informationen, die wir unseren Kundinnen und Kunden zeigen, sind eigentlich nicht neu, aber wir präsentieren sie auf eine völlig neue Art und Weise“, so Beth Greenaway, Teamleiterin für den Bereich Circular and Sustainable Products im Unternehmen. „Ich denke, das hat das Potenzial, unsere mehr als 38 Millionen Kundinnen und Kunden zu nachhaltigeren Kaufentscheidungen zu animieren.“
Zalando nehme sich und auch die angebundenen Partner dabei auch in die Verantwortung, um die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien sicherzustellen. „Unser Ziel ist es, unsere ethischen Standards bis 2023 schrittweise zu erhöhen und nur noch mit Partner*innen zusammen zu arbeiten, die diese erfüllen“, erklärte eine Zalando-Sprecherin auf Nachfrage von OnlinehändlerNews. Auch Prozesse zur Erhebung und Überprüfung von Daten würden kontinuierlich optimiert, sodass Marken produktspezifische Nachhaltigkeitsinformationen einfacher und digital bereitstellen und gegebenenfalls korrigieren könnten. Per Due-Diligence-Prozess würden zudem im gesamten Sortiment wöchentlich Nachhaltigkeitsangaben verifiziert.