Amazon Kontensperrung

Mysterium Maßnahmenplan: Was Händler beachten sollten

Veröffentlicht: 21.08.2019 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 16.12.2022
Amazon-Paket

Die Kontensperrung ist der Super-GAU für jeden Amazon-Händler. Von jetzt auf gleich bricht eine wichtige, in vielen Fällen gar die wichtigste, Einnahmequelle weg. Bislang war vielen Händlern oft nicht klar, warum das Konto gesperrt wurde, denn Begründungen seitens Amazon waren selten und laut der Geschäftsbedingungen des Marktplatzes auch nicht erforderlich. Das hat sich mit dem 16. August, zumindest an der Oberfläche, geändert. Im Business Solution Vertrag (BSA) heißt es nun zum Thema Kündigung oder Aussetzung: „Wir informieren Sie umgehend über eine solche Kündigung oder Aussetzungen per E-Mail oder auf vergleichbare Weise, einschließlich Seller Central, unter Angabe des Grundes und etwaiger Möglichkeiten Ihrerseits, hiergegen Widerspruch einzulegen“. Die Wirksamkeit der Neuerungen und die Umsetzung in der Praxis muss sich in den kommenden Monaten erst einmal zeigen.

Was daraus folgt, ändert sich allerdings nicht. Wer von der Kontensperrung betroffen ist (und weiter auf Amazon handeln will), der muss sich schnellstmöglich um die Freischaltung bemühen und sich an die dafür zuständige Anlaufstelle, die Verkäufer-Performance, wenden. Bei der Bitte bleibt es dabei freilich nicht, Amazon will Lösungen zur Behebung des bestehenden Problems sehen – und verlangt einen Maßnahmenplan. Diesen zur Zufriedenheit des Marktplatzes aufzusetzen, ist allerdings gar nicht so einfach.

Maßnahmenplan: „Amazon hat 6 oder 7 verschiedene Varianten bekommen“

Gerhard Bandowski* kann davon ein Lied singen. Bandowski war bis vor vier Jahren Amazon-Händler, dann wurde sein Konto gesperrt, „da angeblich defekte Artikel beim Kunden angekommen sind“, sagt er. Die Sperrung konnte er damals nicht nachvollziehen, da dies in mehreren Jahren „genau dreimal“ passiert sei und es sich dabei um Transportschäden gehandelt habe. Er habe dann versucht, mit Amazon Kontakt aufzunehmen, bekam auf seine Mails aber keine Antwort, einen telefonischen Rückruf-Service habe es nicht gegeben. Das Thema Amazon erklärte er daraufhin erst einmal für beendet.

2018 dann probierte Bandowski es doch noch einmal. „Weil ich wissen wollte, ob sich bei Amazon irgendetwas geändert hat und um endlich eine Antwort darauf zu bekommen, warum wir überhaupt gesperrt wurden“, erklärt er. Seit 2000 verkaufe er im Internet, unzufriedene Kunden habe es nie gegeben. Diesmal bekommt er eine Rückmeldung, für die Freischaltung seines Kontos soll er einen Maßnahmenplan vorlegen. Das tat er und dann gingen die Probleme erst los. Bandowski schildert „Monate mit unzähligen E-Mails und Telefonaten“, in denen es um seinen Plan ging: „Diesen Maßnahmenplan hat Amazon von mir in mindestens sechs oder sieben verschiedenen Varianten bekommen. Fünf davon wurden mir von Amazon-Deutschland-Mitarbeiten sogar versandfertig zugesendet, mit dem Hinweis, ich solle diese doch so von meinen Account aus an Amazon Indien versenden. Aber Amazon Indien haben selbst diese Maßnahmenpläne nicht gereicht, ich bekam aus Indien selbst auch nur einmal Antwort mit einer Ablehnung, dass dieser Maßnahmenplan nicht ausreichen würde. Mir haben die Amazon-Deutschland-Mitarbeiter selbst am Telefon gesagt, dass sie das nicht nachvollziehen können und mit ihrem Latein am Ende wären und selber keinerlei Möglichkeiten hätten, einzugreifen.“

Im letzten Schreiben von Amazon, das der Redaktion vorliegt, spricht man Bandowski „Respekt und Anerkennung für die ergriffenen Maßnahmen“ aus. Ihm wird empfohlen, einen „erweiterten Maßnahmeplan nachzureichen“. Bandowskis Liste sei „eher eine Aufzählung“, er solle Belege nachliefern, darunter etwa Verträge, Screenshots und Rechnungskopien. Ein neu formulierter Text, der „noch klarer die Wirkungen der ergriffenen Maßnahmen“ herausstellt, werde die Entscheidung der Performance-Abteilung positiv beeinflussen. Derart transparent will sich Bandowski nicht machen. Er findet, dass Amazon unverhältnismäßig viele Daten von ihm abfragt. Das Thema Amazon wird zu den Akten gelegt – wie genau der Maßnahmenplan aussehen muss, weiß er immer noch nicht.

Vage Hinweise im Seller Central

Und damit steht er nicht allein da. Der Maßnahmenplan zur Freischaltung eines gesperrten Amazon-Kontos ist ein regelrechtes Mysterium, denn wirkliche Vorgaben gibt es von Amazon nicht. Im Seller Central widmet der Marktplatz dem „Maßnahmenplan zur Wiederherstellung der Verkaufsberechtigung“ eine eigene Seite und gibt an, dass im Plan die folgenden Punkte erläutert werden sollen:

  • Die Ursachen, die zu dem Problem geführt haben
  • Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um das Problem zu beheben
  • Die Schritte, die ergriffen wurden, um zukünftige Problem zu vermeiden

Eine Anleitung, wie der Plan auszusehen hat, gibt es nicht. Das hat aber wiederum Gründe. Die Ursachen, die zu einer Kontensperrung führen, sind stets individuell, entsprechend individuell werden auch sowohl Sperrung als auch Maßnahmenplan behandelt. Amazon gibt den Händlern stattdessen einen ausführlichen Beispiel-Katalog an die Hand. Hat man seine Verkaufsberechtigung etwa aufgrund einer hohen Rate verspäteter Lieferungen verloren, rät Amazon: „Überprüfen Sie Ihre Bewertungen und Ihre Vorgehensweise beim Versand von Bestellungen. Wenn Sie feststellen, dass die Vorlaufzeiten für den Versand zu kurz sind, ändern Sie sie entsprechend Ihrem Versandprozess.“ Das ist allerdings ein recht allgemeiner Hinweis, wie der Händler diesen überzeugend im Plan präsentiert, bleibt ihm überlassen.

Die Hinweise können durchaus auch detaillierter ausfallen, allerdings wird vom gesperrten Händler teilweise ein recht hohes Maß an Transparenz verlangt. So wird etwa bei Beschwerden über gefälschte Produkte geraten, Rechnungen als Nachweis vorzulegen, dass der Lagerbestand vom Hersteller oder einem autorisierten Händler erworben wurde. Amazon verlangt also ein hohes Maß an Informationen und Belegen, um ein Konto wieder freizuschalten. Die Forderungen an Gerhard Bandowski sind durchaus als übliche Praxis zu werten.

Der Maßnahmenplan: Klar, strukturiert, lösungsorientiert

Wie der Maßnahmenplan auszusehen hat, bleibt am Ende dem Händler überlassen. Und der Erfolg ist zumindest zum Teil auch abhängig vom jeweiligen Amazon-Mitarbeiter, wie der Fall Bandowski zeigt. Einige Standards sollten trotzdem beherzigt werden, um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Zuallererst: Bei allem Ärger, den eine Kontosperrung verursacht, sollte der Unmut des Händlers nicht in den Maßnahmenplan einfließen. Sachlichkeit ist Trumpf, schon allein, weil auf der anderen Seite ein Mensch entscheidet, der darüber hinaus täglich mehrere Fälle zu entscheiden hat.

Daher ist es auch entscheidend, eine klare Struktur zu wahren. Das beginnt schon bei der Sprache. Auch wenn der Drang groß sein mag, sich zu rechtfertigen, Schuldige zu benennen oder ausführlich sein Leid zu klagen: Amazon möchte keine Ausflüchte, sondern harte Fakten. Das heißt auch, dass man Versprechungen vermeiden muss. Die Garantie, dass sich ein Vorfall nicht mehr wiederholt oder das Versprechen, dass man in Zukunft sorgfältiger arbeitet, ist keine Maßnahme, die Amazon überzeugt. Überzeugt wird der Marktplatz von konkreten Angaben, wie Geschäftsprozesse geändert und welche Maßnahmen ergriffen werden.

Für den von Amazon geforderten Maßnahmenplan ist es ratsam, sich an einer Methode aus dem Qualitätsmanagement zu orientieren: dem 4-Dimensions-Report, oder kurz 4D-Report. Dieser wird zur Bearbeitung von Reklamationen, zur Aufzeichnung und Nachverfolgung von Fehlern genutzt. Und dieser lässt sich relativ gut auf einen Maßnahmenplan für Amazon übertragen, wie etwa PriceParser analysiert.

Der 4D-Report für Amazon

Der 4D-Report besteht aus den Dimensionen Problembeschreibung (D1), Ursachen-Analyse und Sofortmaßnahmen (D2), Abstellmaßnahmen (D3) und Wirksamkeitsnachweis (D4). Auf den Amazon-Maßnahmenplan übertragen sähe das wie folgt aus:

D1: Beschreibung des Problems

Beschreiben Sie kurz und knapp (!), was vorgefallen ist und warum Sie suspendiert wurden.

D2: Ursachen-Analyse und Sofortmaßnahmen

Legen Sie die Gründe für die Kontensperrung dar und analysieren Sie die eigenen Fehler, die gemacht wurden. Die Schuld auf Amazon oder Kunden zu schieben, ist nicht zielführend. Erläutern Sie genau, welche Maßnahmen Sie ergriffen haben, um das Problem künftig zu vermeiden. Sagen Sie also nicht, dass sie etwa verbotene Artikel aus dem Sortiment nehmen wollen, sondern löschen Sie diese direkt. Überdenken Sie bei Lieferproblemen nicht ihre Logistik, sondern ändern Sie die Vorgänge.

D3: Abstellmaßnahmen

Hier geht es darum, die Lösung genau vorzustellen. Welche Prozesse sind neu oder wurden überarbeitet und warum beheben sie die bestehenden Probleme? Wie werden Prozesse strukturell und organisatorisch umgestellt? Wurden Mitarbeiter geschult? Auch hier gilt: Keine Versprechungen machen, sondern genau klarstellen, wie die Änderungen fruchten sollen.

D4: Nachweis der Wirksamkeit

Erklären Sie nicht, dass die neuen Maßnahmen Wirkung zeigen oder noch zeigen werden, sondern wie das gelingen soll. Wie kontrollieren Sie die Wirksamkeit? Wie werden Mitarbeiter in die Prozesse eingebunden? Belegen Sie die Darlegung mit Zahlen und Fakten.

Wichtig ist immer: Bleiben Sie knapp und sachlich und konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche. Behalten Sie immer im Hinterkopf, dass der Amazon-Mitarbeiter auf der anderen Seite mehrere Maßnahmenpläne täglich bearbeiten muss und keine Zeit für langwierige, ziellose Textblöcke hat. Wird ein Plan zunächst abgelehnt, dann prüfen Sie, woran es gelegen hat und setzen die (im besten Fall) erhaltenen Hinweise um. Eine gewisse Objektivität schadet zudem nie. Würden Sie Ihren Plan, wenn es nicht um den eigenen Shop gehen würde, für überzeugend halten?

*Name von der Redaktion geändert

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