Corona-Zuschüsse

Soforthilfen: Bundesländer fordern mehr Unterstützung für Solo-Selbstständige

Veröffentlicht: 22.04.2020 | Geschrieben von: Patrick Schwalger | Letzte Aktualisierung: 22.04.2020
Frau mit Einkaufskorb im Supermarkt

Die Corona-Soforthilfe-Zuschüsse der Bundesregierung sorgen derzeit vor allem bei Solo-Selbstständigen für Verunsicherung. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass die Soforthilfe in ihrer jetzigen Form für die Solo-Selbstständigen am Ende keine wirkliche Hilfe darstellt. OnlinehändlerNews hat erstmals vor zwei Wochen über dieses Problem berichtet. Im Anschluss erreichten uns zahlreiche Zuschriften von Leserinnen und Lesern.

Sehr viele Solo-Selbstständige haben uns ihre Erfahrungen geschildert und zeichneten ein eindeutiges Bild: Die Soforthilfe stellt nicht die Hilfe dar, die Solos erhoffen und brauchen, weil sie nicht immer für die Lebenshaltungskosten verwendet werden dürfen. Denn die Situation ist in den Bundesländern nicht einheitlich: In manchen gibt es Hilfen, die andere Länder nicht bieten. Die Informationslage für die Solo-Selbstständigen ist schlecht. Kurz: Es besteht erheblicher Verbesserungsbedarf. 

Darum haben wir weiter recherchiert und in allen 16 Wirtschaftsministerien der Bundesländer nachgefragt: Welche Vorgaben gelten in Ihrem Land für Solo-Selbstständige? Und wollen Sie die Situation für diese Gruppe verbessern und ihnen ermöglichen, die Zuschüsse auch für den Lebensunterhalt zu verwenden? Aus zehn Ministerien kamen Antworten zurück, darunter befand sich auch das Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen – dem Bundesland, zu dem uns die meisten Leserfragen erreichten. 

Wie funktioniert das mit den Soforthilfe-Zuschüssen eigentlich?  

Der Bund hatte Ende März angekündigt, dass bis zu 50 Milliarden Euro für Soforthilfe-Zuschüsse bereitgestellt werden. Das Geld dafür kommt vom Bund, wird aber durch die Bundesländer bewilligt und ausgezahlt. 

Solo-Selbstständige und Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten können bis zu 9.000 Euro erhalten, Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten bis zu 15.000 Euro. Für größere Unternehmen sieht der Bund Kredite als Liquiditätsspritze vor. In einigen Bundesländern gibt es für größere Unternehmen auch Zuschüsse, die aus Landesmitteln bezahlt werden. Die jeweiligen Ansprechpartner und die Bedingungen haben wir in einem eigenen Artikel zusammengetragen. 

Der Bund stellt klar: Keine Soforthilfe für den Lebensunterhalt

Die Hauptfrage für Solo-Selbstständige ist: Darf ich mir von den Soforthilfen ein Unternehmereinkommen auszahlen? Die Situation ist derzeit von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Vorgaben des Bundes sind allerdings eindeutig: Der Bund gibt nämlich vor, dass die Soforthilfen für Solo-Selbstständige und Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten ausschließlich für laufende betriebliche Kosten verwendet werden können. Einkommens- oder Umsatzausfälle bei Selbstständigen oder Personalkosten sollen sie nicht ersetzen. 

Das Problem: Die meisten Solo-Selbstständigen haben meist keine nennenswerten Betriebskosten, manchmal haben sie sogar gar keine. Damit fallen sie durch das Raster der Soforthilfen. Und oft wissen sie das gar nicht. Denn die Kommunikation dieses Sachverhalts ist bislang noch nicht in allen Bundesländern optimal. Doch der Bund sieht für diese Solo-Selbstständigen vor, dass sie ihren Lebensunterhalt mit der Grundsicherung nach SGB II (Hartz 4) bestreiten sollen, wenn sie finanziell in Bedrängnis kommen. 

Die Bundesländer agieren nicht einheitlich

Einige Bundesländer hatten vor dem Start des Bundesprogramms am 1. April bereits eine Antragstellung ermöglicht oder aber Landesmittel zur Überbrückung und noch schnellerer Hilfe bereitgestellt. Nicht überall wurden diese Landesprogramme gleich an das Bundesprogramm angepasst. Dadurch ergeben sich mehrere Probleme. 

Zum einen gibt es Länder, die immer noch Lebensunterhalt-Zuschüsse für Solo-Selbstständige anbieten (z. B. Hamburg, Baden-Württemberg, Thüringen), während andere Länder dies nicht machen. Zum anderen wurde in bestimmten Bundesländern zu Beginn kommuniziert, dass ein Unternehmereinkommen ausgezahlt werden kann. Dies wurde im Nachhinein still und leise widerrufen, ohne dass die Betroffenen es mitbekommen haben (vor allem in NRW). Das führt zu großer Verunsicherung. 

Sonderfall NRW: Auch für Anträge von vor dem 1. April gelten (vorerst) die Bundesvorgaben

Eine Sonderrolle in der Soforthilfe-Landschaft stellt Nordrhein-Westfalen dar. Hier kann man seit dem 27. März Anträge für das Bundesprogramm stellen. Bis zum 1. April stand im FAQ des NRW-Wirtschaftsministerium noch folgende Passage: „Sofern der Finanzierungsengpass beim Soloselbstständigen im Haupterwerb dazu führt, dass er sein regelmäßiges Gehalt nicht mehr erwirtschaften kann, dient die Soforthilfe auch dazu, das eigene Gehalt und somit den Lebensunterhalt zu finanzieren.”

Dieser Satz wurde dann aber entfernt. Nun ist die Verwirrung bei Solo-Selbstständigen in NRW groß. Kann man die Soforthilfe also für den Lebensunterhalt verwenden, wenn man den Antrag vor dem 1. April gestellt hat? Auf Nachfrage verneint ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium dies: „Wir reichen im Falle der Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten die Mittel des Bundes weiter. Dabei sind wir an die Vorgaben des Bundes gebunden.“ Und das gelte explizit auch bei Anträgen, die vor dem 1. April gestellt wurden. 

Wo können Solo-Selbstständige trotzdem Zuschüsse für den Lebensunterhalt erhalten?

Es gibt Länder, in denen Solo-Selbstständige auch Zuschüsse erhalten, die sie für ihre private Miete, Lebensmittel oder Alters- und Krankenvorsorge verwenden können. In Hamburg können Solo-Selbstständige bis zu 2.500 Euro Zuschuss aus Landesmitteln erhalten, wenn sie einen ausführlichen Liquiditätsplan vorlegen. Das geschieht unabhängig vom Bundesprogramm. 

Abweichend von den Bundesvorgaben werden die Bundeszuschüsse in Baden-Württemberg und Thüringen ausgezahlt. Baden-Württemberg gewährt, dass ein Unternehmerlohn von bis zu 1.180 Euro pro Monat ausgezahlt wird. Thüringen erlaubt, dass Solo-Selbstständige Ausgaben für Kranken- und Alterssicherung im Rahmen der Sachkosten abrechnen können. Beide Länder bestätigen auf Anfrage, dass sie hoffen, dass der Bund für diese Kosten aufkommen wird. Falls nicht, wolle man die Kosten mit Landesmitteln bezahlen. Klar sei, dass die Zusagen für Solo-Selbstständige Bestand haben.

Berlin, Bremen und das Saarland hatten vor dem Bundesprogramm eigene Landesprogramme, die es Solo-Selbstständigen erlaubten, sich Unternehmereinkommen auszuzahlen. Mit der Umstellung auf das Bundesprogramm ist das aber nicht mehr beantragbar. Wer diese Soforthilfen aus Landesmitteln aber bekommen hat, kann diese auch für den Lebensunterhalt nutzen. 

Nicht alle Bundesländer können sich die Landeshilfen leisten

Derzeit bieten Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein keine weiteren Zuschuss-Hilfen für private Kosten der Solo-Selbstständigen an. Das muss aber nicht zwingend etwas damit zu tun haben, dass sie nicht helfen wollen. 

Denn nicht überall kann man mit Landesmitteln für Solo-Selbstständige in Vorleistung gehen, ohne sich einer finanziellen Unterstützung des Bundes sicher zu sein. So äußerte ein Sprecher des Wirtschaftsministerium aus Sachsen-Anhalt gegenüber OnlinehändlerNews: „Ein eigenes Landesprogramm ohne Beteiligung des Bundes wird für Sachsen-Anhalt wie andere Länder auch nur schwer zu finanzieren sein.“

Die Bundesländer schließen sich zusammen und fordern eine Erweiterung der Soforthilfen

Diese Uneinheitlichkeit wollen die Bundesländer jetzt beenden. Sie wollen eine besser Absicherung der Solo-Selbstständigen, bei denen Berufs- und Privatleben oft eng vermischt sind, was die Geltendmachung von betrieblichen Kosten erschwere. Und eine massenhafte Beantragung der Grundsicherung durch die Solo-Selbstständigen führt nur zu mehr Bürokratie, längerer Abhängigkeit und womöglich einer Schwächung des Mittelstandes. 

„Die Bundesländer setzen sich derzeit im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder beim Bund für eine Anpassung der Förderbedingungen ein“, erklärt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Nordrhein-Westfalen. Die Soforthilfen sollen erweitert werden, damit Solo-Selbstständigen überall in Deutschland ein Zuschuss zum Lebensunterhalt gewährt werden kann. 

Auch der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Armin Willingmann, unterstützt das Vorhaben: „Gerade nach der Verlängerung der Eindämmungsmaßnahmen, die insbesondere auch Soloselbstständige treffen, halte ich es für geboten, noch einmal genau zu prüfen, ob etwas wie ein ,Unternehmerlohn‘ an Selbstständige und Kleinstunternehmer im Rahmen der Soforthilfe ausgezahlt werden könnte.“ 

Zu diesem Zweck haben die Wirtschaftsminister der Länder einen Brief an das Bundeswirtschaftsministerium geschickt, in dem sie ihre Forderungen kundtun. Auf Anfrage bestätigten die Wirtschaftsministerien aus Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ihre Unterstützung der Initiative. Eine Sprecherin aus Rheinland-Pfalz sagte: „Das Land Rheinland-Pfalz hat sich bislang an die Vorgaben des Bundes gehalten und wird das auch weiterhin tun, sollte der Bund seine Kriterien ändern.“ Aus Bayern kamen vorsichtige Töne. Es lägen derzeit keine Informationen vor, dass der Bund seine Regelungen für die Soforthilfe ändern würde. Die Wirtschaftsministerien der übrigen Bundesländer reagierten nicht auf unsere Anfrage, der Brief und die darin enthaltenen Forderungen wurden nach unseren Informationen aber einstimmig beschlossen. 

Auch der Händlerbund fordert eine Anpassung der Förderbedingungen

Ob die Initiative der Länder Erfolg haben wird, ist aktuell noch unklar. Doch Unterstützung kommt von zahlreichen Seiten, damit die Bedingungen für Solo-Selbstständige geändert werden. So fordert die Gewerkschaft Ver.di ebenfalls die Möglichkeit der Auszahlung eines Unternehmergehalts. 

Der Händlerbund setzt sich ebenfalls für eine Anpassungen der Förderbedingungen ein und hat deswegen in einem Schreiben an Wirtschaftsminister Altmaier appelliert, die Bedingungen für Solo-Selbstständige zu verbessern. Die ersten Maßnahmen der Bundesregierung seien schnell verfügbar gewesen und ein Großteil der Händlerbund-Mitglieder habe die Soforthilfe-Zuschüsse schnell und einfach erhalten, was für viele eine große Hilfe darstelle. Allerdings höre der Verband von seinen Mitgliedern, dass auch die Solo-Selbstständigen im Online-Handel durch die Förderbedingungen massiv beeinträchtigt werden. Daher fordert der Händlerbund eine einheitliche Regelung, die den Solo-Selbstständigen die Verwendung der Soforthilfen für Lebensunterhalt ermöglicht. 

„Wenn nicht alle Bundesländer eigene Zuschüsse für Solo-Selbstständige finanzieren können, dann ist der Bund in der Pflicht, die Vorgaben anzupassen und für Einheitlichkeit zu sorgen“, stellt der Bundesvorsitzende des Händlerbundes Andreas Arlt klar. „Schließlich soll die Existenz einer Unternehmerin oder eines Unternehmers am Ende nicht dadurch entschieden werden, in welchem Bundesland sie oder er lebt.“

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