Interview mit Marketing-Experte Holger Wittig

Inbound Marketing: „Ihr Kunde ist nicht gleich Kunde, sondern wird zum Freund.“

Veröffentlicht: 17.08.2020 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 17.08.2020
Inbound Marketing

Klassische Werbung halten viele Unternehmen immer noch für nötig, wie z.B. die zigtausendfach vor Haustüren abgelegten, in Plastik umhüllten wöchentlichen Prospekte der Discounter zeigen. Doch immer mehr und gerade jüngere Werbekunden sind genervt von traditionellen Methoden wie Postwurfsendungen, TV-Spots und Co. Seit rund zehn Jahren erobert Inbound Marketing die Werbewelt. Was dahinter steckt, wie es funktioniert und worauf Online-Händler beim Inbound Marketing achten sollten, erklärt Holger Wittig, Berater für strategisches Marketing beim Händlerbund u.a. im Interview.

OnlinehaendlerNews: Das Buzzword ist seit rund zehn Jahren in der Fachwelt präsent, aber was genau ist Inbound Marketing?

Holger Wittig: Um Inbound Marketing richtig zu erklären, würde ich diese Methode mit dem traditionellen Marketing vergleichen: Fernsehwerbung, Postwurfsendungen, Printanzeigen, Telefonmarketing, Radiowerbung, Plakatwände usw. Aber Outbound Marketing ist nicht nur in der Offline-Welt zuhause, sondern selbstverständlich auch online: Massenmails, Bannerwerbung, Spam, Social-Media-Werbung und noch viel viel mehr. Outbound Marketing ist also Push Marketing – das heißt, es basiert auf sogenannten Störungen.

Dabei ist die Hoffnung beim herkömmlichen Outbound Marketing, dass mit guter Planung, Marktforschung und einer perfekten Platzierung, ein bestimmter Prozentsatz der Zielgruppe auf die Werbung einsteigt und zum Kunden wird. Wenn man ein entsprechend großes Publikum hat oder eine gute Conversion Rate erzielt, dann geht das Investment für das Marketing auf. Es ist sicher nach wie vor möglich, auf traditionellem Weg Aufmerksamkeit zu erzielen, aber moderne Technologien machen es immer weniger effektiv und dadurch immer kostspieliger.

Was ist der Unterschied zwischen Outbound und Inbound Marketing?

Inbound Marketing ist im Gegensatz zum traditionellen Marketing Pull Marketing: Es zieht die Kunden an.

Im Wesentlichen geht es darum, für den Kunden zur richtigen Zeit (nämlich dann, wenn er einen Bedarf hat) mit den richtigen Informationen und schlussendlich den Produkten oder Dienstleistungen zur Verfügung zu stehen. Inbound Marketing beantwortet die Fragen, die sich der potenzielle Kunde im Kaufprozess stellt. Inbound Marketing zielt also darauf ab, dass der Kunden Sie als Unternehmen oder Marke findet und zu Ihnen kommt, anstatt dass Sie mit verschiedenen Marketingaktivitäten um seine Aufmerksamkeit buhlen. Somit ist Inbound Marketing auch eine wirtschaftlich effizientere Art und Weise, Kunden zu gewinnen.

Ziel ist es, vertrauensvolle persönliche Beziehungen zu Kunden aufzubauen und ihnen echte Mehrwerte zu bieten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einem freundlichen, hilfsbereiten Umgang mit Interessenten und Kunden – und zwar unter Verwendung der Technologien und Plattformen, die von dieser Klientel bevorzugt werden. Das gilt für Marketing, Vertrieb und Kundenservice gleichermaßen. Das heißt, im Inbound Marketing arbeiten alle drei Unternehmensbereiche gemeinsam an einem Ziel: dem werthaltigen Kunden.

Das sind die Vorteile von Inbound Marketing

Was ist zusammengefasst der konkrete Vorteil für Unternehmen im Gegensatz zu anderen Marketingmaßnahmen?

Inbound Marketing ist mittelfristig viel günstiger als klassisches Marketing. Denn Unternehmen sparen sich vor allem teure Werbeaufwendungen. Vielmehr nimmt der Kunde, der sich für ein Produkt oder eine Dienstleistung entschieden hat, das Unternehmen als kompetenten Partner denn als Verkäufer wahr. Das heißt, Inbound Marketing stärkt nachhaltig die Kundenbeziehung. Ihr Kunde ist nicht gleich Kunde, sondern wird zum Freund.

In der Hubspot-Studie „State of Inbound 2018“ wurde als größte Marketing-Herausforderung das Generieren von Leads genannt – wie kann Inbound Marketing da konkret helfen?

Inbound Marketing gliedert sich in vier Phasen. Ich zeige den Prozess einmal ganz plakativ: Zuerst müssen Sie potenzielle Kunden anziehen. Das erreichen Sie, indem Sie hochwertige Inhalte (Content) erstellen, die ein Problem lösen bzw. die Frage eines potentiellen Kunden beantworten. Diese Inhalte stellen Sie kostenlos, z.B. auf Ihrer Webseite oder Blog oder auf Landingpages Ihres Online-Shops zur Verfügung. Inhalte können z.B. Informationen, Bilder oder Whitepaper sein. Damit diese Inhalte bekannt gemacht werden, verbreiten Sie Ihren Cotent via Social Media. Damit erreichen Sie schnell Ihr Wunschpublikum. SEO und SEA können hier auch ein wichtiger Bestandteil sein, damit Sie und Ihr Content besser gefunden werden. Versetzen Sie sich immer in den Kunden und beantworten Sie die Fragen, die ein Kunde hat, wenn er vor einem Problem oder einer Kaufentscheidung steht. Gerade das hilft sehr beim Thema SEO.

Conversion: Wie mache ich Webseiten-Besucher zu Kunden?

Holger Wittig

Zur Frage: Nachdem Sie Besucher angezogen haben, müssen Sie diese zu Leads konvertieren bzw. weiterqualifizieren. Das Problem an Besuchern ist, dass sie schnell wieder weg sein können. Deshalb brauchen Sie „die Erlaubnis“, Ihre Besucher kontaktieren zu dürfen. Hierfür gibt es die sogenannten Calls-to-Action, die dem Besucher die Möglichkeit geben, seine Kontaktdaten (mindestens eine E-Mail) zu hinterlassen. Als Gegenleistung für diese wertvollen Daten sollten Sie deshalb etwas von Wert liefern. Parallel dazu sollten Sie immer einfache Formulare auf der Webseite oder Landingpage bereit halten, um z.B. schnell vorab Erstgespräche führen zu können oder mit dem Kunden in Kontakt zu treten. Das kann auch ein Chatmöglichkeit sein.

Um den Besucher in einen Lead zu konvertieren, arbeiten Sie mit Landingpages. Landingpages sind Seiten, die nur ein Ziel haben: eine Conversion. Die Conversion ist dann z.B. ein E-Mail-Abonnement oder ein konkretes Angebot für eine Lösung bzw. gleich der Link zum Produkt im Shop. Sie sehen, dass Sie durch die beiden Phasen der Lead-Generierung und Konvertierung schon sehr viel Informationen über Ihren Kunden gesammelt haben. Diese Informationen sammeln Sie in einem Customer-Relation-Management-System (CRM). Denn die Auswertung der Informationen über Ihre Kunden hilft Ihnen, zukünftig Ihre Kunden besser zu verstehen und sie dadurch gezielter ansprechen zu können. Das würden Sie durch klassisches Marketing nicht erreichen.

Content Marketing: Antworten und Lösungen für konkrete Kundenfragen

Dieses Content Marketing, also das Anbieten relevanter Informationen für mögliche Kunden, ist nicht ganz einfach. Wie kann man in Zeiten omnipräsenten Wissens im Web noch hervorstechen?

Content ist King. Beim Inbound Marketing geht es nicht darum, zu erklären, welche wahnsinnigen Features eine Bohrmaschine hat, sondern Sie beantworten die konkrete Frage, die sich ein Kunde stellt: Wie kann ich am besten ein Loch in eine Betonwand bohren? – „Mit einer Bohrmaschine, die Sie bei mir für X Euro kaufen können.“

Hat sich mit der DSGVO die Nutzung von Inbound Marketing verändert, weil die Unternehmen vorsichtiger werden müssen im Umgang mit Kundendaten?

Meiner Meinung nach nicht. Wichtig ist, dass Sie einen sauberen Opt-In von Ihrem Kunden haben. Selbst ich bin immer gern bereit, einem Unternehmen oder einer Marke z.B. meine Mailadresse oder Telefonnummer zu geben, wenn diese mir bei meiner Problemstellung behilflich sind. Wenn ich im Nachgang weiter mit hilfreichen und interessanten Informationen versorgt werde, ist doch alles gut. So werde ich mich dann bei meinem nächsten Kauf sicher auch wieder für das Unternehmen oder die Marke entscheiden. Da ändert die DSGVO nichts dran, denn ich hab mich ja als Erster dafür entschieden und bin mit dem Unternehmen in Kontakt getreten und nicht umgekehrt.

So erstelle ich eine Inbound-Marketing-Strategie

Worauf muss man bei einer Inbound-Marketing-Strategie achten, um erfolgreich zu sein?

Sie müssen Ihre Zielgruppe mit den ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeugen (Webseite/Shop, Content, CRM) unter den Grundprinzipien Einheitlichkeit der Kommunikation, Personalisierung der Interaktion, Optimierung der Kommunikation und Empathie im Umgang mit dem Kunden vereinen. Dazu muss man nicht studiert haben ;) .

Wie können Online-Händler Inbound Marketing am besten für sich nutzen und wie sollte man starten?

Das Wesentliche – nämlich eine Internetpräsenz – hat ja der Online-Händler schon einmal. Dort sollten dann die erwähnten Formulare und Call-to-Actions ausreichend vorhanden sein. Zusätzlich sollte jeder Händler, auch wenn er noch so klein ist, aus meiner Sicht ein CRM nutzen, um sämtliche Informationen über seine Kunden zu sammeln: Kommunikation zwischeneinander, Käufe, Reklamationen usw. Ein effizientes Tool für Newsletter ist sicher auch nicht verkehrt, um Kunden regelmäßig und automatisiert über Angebote oder Produktneuerungen zu informieren oder bei Problemsituationen (wie aktuell Corona) beratend zur Seite zu stehen.

Das sind die hilfreichsten Tools für Marketing Automation

Das klingt sicherlich nach einem dicken Portemonnaie, was man dafür haben muss – aber weit gefehlt. Das sage ich auch immer meinen Kunden. Denn es gibt gute Tools für Inbound Marketing, die all das vereinen und perfekt miteinander verknüpfen, bereits für überschaubares Geld. Und die kosten zwischen 50 und 100 Euro im Monat. Ein Investment, das sich schnell wieder rechnet, weil Sie durch Inbound in Ihrem Marketing nun viel effizienter werden.

Immer mehr Marketing-Leute setzen auf Inbound-Strategien – aber bezahlte Werbung mit Bannern und Co. wird es noch eine Weile geben, oder?

Sicherlich. Aber die Formate werden sich bestimmt ändern bzw. an das neue Marketing anpassen. Und um am Ende noch ein Stück schneller und zielgerichteter die Informationen bei Ihrer Zielgruppe zu platzieren, wird bezahlte Werbung sicher auch zukünftig den jeweiligen Unternehmen einen Boost verleihen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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