Änderungen ab 1. Juli

FAQ: Was steckt hinter der Umsatzsteuerreform und dem OSS? (Update)

Veröffentlicht: 09.06.2021 | Geschrieben von: Patrick Schwalger | Letzte Aktualisierung: 29.06.2021
Viele Fragezeichen

Die Europäische Union hat ihr Umsatzsteuersystem speziell für den E-Commerce reformiert. Damit soll künftig Steuervermeidung von Online-Händlern innerhalb wie außerhalb der EU unterbunden und auf Entwicklungen in der Branche reagiert werden. Das soll Händlern nicht nur Aufwand, sondern auch Vereinfachung bringen, etwa durch die Einführung des One-Stop-Shops (OSS). Die reformierten Regelungen treten am 1. Juli in Kraft. Daher ist es sinnvoll, sich schon jetzt damit auseinanderzusetzen, was bald im grenzüberschreitenden B2C-Handel gelten wird.

Stand: 29.06.2021

Der OSS und die Vereinheitlichung der Lieferschwellen

1. Was kommt auf den Online-Handel ab dem 1. Juli 2021 zu?

Bisher gibt es innerhalb der EU für jeden Mitgliedstaat unterschiedliche B2C-Lieferschwellen beim grenzüberschreitenden Handel mit Verbrauchern, die 35.000 Euro bis hin zu 100.000 Euro betragen. Diese entfallen ab dem 1. Juli und werden durch eine einheitliche Lieferschwelle in Höhe von 10.000 Euro ersetzt, die dann in allen EU-Staaten in Summe gilt, also nicht nur für individuelle Staaten.

Sobald die Lieferschwelle überschritten wird, werden die Händler in dem EU-Land steuerpflichtig, in das ein Paket versendet wird. Bisher waren sie dann beim zuständigen Amt im jeweiligen Land steuerlich registrierungs- und meldepflichtig.

Künftig kann die Meldung und Bezahlung der Steuerschuld aber über den sogenannten One-Stop-Shop (OSS) in dem EU-Land erfolgen, in dem der Händler seinen Sitz hat. Das freiwillige Verfahren wird in Deutschland vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) abgewickelt. Wird ein B2C-Verkauf über den OSS gemeldet, muss keine Rechnung mehr ausgestellt werden.

2. Was ist der One-Stop-Shop (OSS)?

Der OSS ist ein zentrales Element der EU-Umsatzsteuerreform und im Falle Deutschlands eine Plattform, die beim BZSt angesiedelt ist. Künftig kann hierüber die Registrierung, Meldung und Bezahlung der Umsatzsteuer bei Steuerpflicht im Ausland zentral in dem Land getätigt werden, in dem der Unternehmenssitz ist.

Seit dem 1. April 2021 können sich Online-Händler für das Verfahren beim Bundeszentralamt für Steuern anmelden. Dafür ist eine Umsatzsteuer-ID notwendig.

3. Wann tritt die Steuerpflicht ein?

Mit dem ersten Verkauf, der zum Übertreten der Lieferschwelle führt. Dabei reicht es schon, wenn die Grenze bereits 2020 oder in einem der ersten Quartale im Jahr 2021 überschritten wurde. In diesen Fällen ist jeder grenzüberschreitende Verkauf ab dem 1. Juli 2021 steuerpflichtig zu melden. Liegt der Übertritt der Lieferschwelle etwa erst im Oktober 2021, wird ab dann versteuert.

4. Wann werden die erste Meldung und Zahlung beim OSS fällig?

Die Meldung für das 3. Quartal 2021 muss spätestens am 31. Oktober eingehen. Die Zahlungsfrist endet 30 Tage nach Ablauf des Meldezeitraums. Die Anmeldung, um das OSS-Verfahren ab dem 1. Juli nutzen zu können, soll bis zum 30. Juni erfolgt sein. Allerdings gibt es die Möglichkeit sich noch bis zum 10. August 2021 rückwirkend anzumelden, indem man im Registrierungsformular auf Seite 5 bei den Angaben zum Registrierungsbeginn die Option "erstmalige Leistungserbringung" wählt und als Datum der erstmaligen Leistungserbringung den 01.07.2021 einträgt.

5. Kann man direkt ab dem ersten Euro im Zielland versteuern?

Ja, es ist möglich darauf zu verzichten, die Lieferschwelle in Anspruch zu nehmen.

6. Fällt die Meldepflicht beim OSS an, wenn die Lieferschwelle schon 2020 überschritten wurde?

Ja, denn die Lieferschwelle von 10.000 Euro gilt rückwirkend. Wurde sie 2020 überschritten, gilt die Meldepflicht im OSS-Verfahren ab 1. Juli 2021.

7. Werden die Versandkosten für die Berechnung eines Lieferschwellenübertritts herbeigezogen?

Ja.

8. Werden die Netto- oder Bruttoumsätze herangezogen?

Die Nettoumsätze sind entscheidend.

Bei FBA wird es komplizierter – und man muss alle Steuersätze kennen

9. Welche Auswirkungen hat das OSS-Verfahren auf die Nutzung von FBA?

Nutzen Händler Fulfillment-Strukturen wie Fulfillment by Amazon (FBA), dann fällt künftig mehr Arbeit an. Bei einem Lager im EU-Ausland fallen weiterhin die Registrierungen und Meldungen beim lokalen Finanzamt im Lagerland an – das OSS-Verfahren findet keine Anwendung dabei. Parallel müssen grenzüberschreitende Lieferungen über den OSS im Sitzland gemeldet werden.

10. Muss man jetzt alle Steuersätze für alle Produkte in jedem EU-Land selbst herausfinden?

Ja, nach derzeitigem Stand ist das notwendig. Eine Übersicht über jeweiligen Steuersätze verschiedener Produkte in allen EU-Staaten gibt es in der EU-Datenbank zur Umsatzsteuer. Unterstützung findet man außerdem bei Steuerberatern und spezialisierten Steuerdienstleistern. Dann spart man sich etwa den Aufwand, wenn ein EU-Land eine Steuersatzänderung vornimmt.

Preisangabe, Rechnungen und Rechtstexte

11. Wie gibt man künftig Preise im Shop am besten an?

Wie bisher muss man sich bei der Preisgestaltung im Online-Shop an die Vorgaben der Preisangabenverordnung halten. Das bedeutet, dass ein Gesamtpreis einschließlich der Mehrwertsteuer ausgewiesen ist. Gibt man die Steuersätze an, dann muss natürlich sichergestellt sein, dass nur der richtige Mehrwertsteuersatz für das Zielland ausgewiesen ist und abgeführt wird. Will man es etwas einfacher machen, empfiehlt es sich, keinen konkreten Mehrwertsteuersatz anzugeben, sondern ausschließlich einen Gesamtpreis inklusive der Mehrwertsteuer auszuweisen. 

Außerdem ist darauf zu achten, dass Kunden aus unterschiedlichen EU-Staaten beim Nettopreis im Online-Shop nicht in diskriminierender Weise unterschiedlich behandelt werden. Das ergibt sich aus der europäischen Geoblocking-Verordnung. Regionale Unterschiede beim Preis, die nur auf regional variierenden Mehrwertsteuersätzen beruhen, sind aber zulässig. 

Nach wie vor können Händler aber auch mehrere Versionen ihres Shops in verschiedenen EU-Ländern mit unterschiedlichen Gesamtpreisen betreiben. Dann kann der jeweilige Umsatzsteuersatz etwa durch eine Erhöhung des Gesamtpreises in einem Land an Verbraucher weitergegeben werden.

12. Es müssen keine Rechnungen an Kunden ausgestellt werden, wenn man den OSS nutzt. Hat das Auswirkungen auf den Gewährleistungsanspruch der Verbraucher?

Nein. Richtig ist, dass der Gesetzgeber als Erleichterung und Anreiz vorsieht, dass bei grenzüberschreitenden Verkäufen, die über das OSS-Verfahren gemeldet werden, keine Pflicht zum Ausstellen einer Rechnung besteht. Die Gewährleistungrechte stehen aber unabhängig davon. Für das Geltendmachen von Gewährleistungsansprüchen kommt es auf den Vertragsschluss an, und dieser kann über Bestellung, Bestellbestätigung oder Lieferung nachgewiesen werden. 

Unabhängig davon könnten Marktplätze andere Anforderungen an Händler stellen. Hierzu empfiehlt es sich, sich regelmäßig bei den Marktplatzanbietern zu informieren. 

13. Sind B2B-Lieferungen über den OSS meldepflichtig?

Das OSS-Verfahren bezieht sich auf B2C-Verkäufe. Vorerst sind also keine Veränderungen im B2B-Geschäft zu erwarten. 

14. Wie funktionieren Dropshipping, Reihengeschäfte oder verbrauchssteuerpflichtige Waren über das OSS-Verfahren? 

Diese Themen sind allesamt Sonderfälle, bei denen die Betrachtung jedes Einzelfalls durch einen Steuerdienstleister oder Steuerberater sinnvoll ist, da hier viele verschiedene Konstellationen möglich sind.

15. Was ist bei Differenzbesteuerung? 

Bei Differenzbesteuerung bleibt man weiterhin im Inland steuerpflichtig, eine Steuerpflicht im EU-Ausland tritt nicht ein. Das OSS-Verfahren findet daher keine Anwendung, wenn ausschließlich Differenzbesteuerung vorliegt und für diese Händler bleibt alles beim Alten.

15. Müssen Rechtstexte im Online-Shop geändert werden? 

Nein, nach derzeitigem Stand sind keine Änderungen an den Rechtstexten aufgrund der Umsatzsteuerreform notwendig. 

16. Was ist der Import-One-Stop-Shop (IOSS)?

Der Import-One-Stop-Shop oder IOSS ist auch eine Sonderregelung zur Umsatzsteuer, die auch ab dem 1. Juli gilt. Über den IOSS kann der Import von Waren mit einem Sachwert von bis zu 150 Euro, die an Privatpersonen veräußert werden, aus Drittländern in die EU zentral steuerlich abgewickelt werden. Den IOSS nutzen können zum einen Unternehmer mit Sitz in der EU, die Ware aus einem Drittland (z.B. China) beziehen, die dann direkt an den Endkunden verschickt wird (Dropshipping/ Reihengeschäft). Außerdem kann der IOSS von Online-Händlern mit Sitz in einem Drittstaat genutzt werden, die B2C-Fernverkäufe von bis zu 150 Euro Warenwert an einen Verbraucher innerhalb der EU aus einem Nicht-EU-Land versenden.

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