Kommentar: Prime Day 2017 – Warum der Aktionstag so umstritten ist

Veröffentlicht: 11.07.2017 | Geschrieben von: Christian Laude Test | Letzte Aktualisierung: 11.07.2017

Der Prime Day von Amazon geht in die dritte Runde – dieses Mal sogar 30 statt 24 Stunden lang. Doch hält der Schnäppchentag wirklich das, was er verspricht? Wenn es nach der Meinung von kleineren Online-Händlern und Verbraucherschützern geht: wohl kaum.

Amazon-Prime-Paket

© Roman Borodaev - Shutterstock.com

Der Prime Day von Amazon findet in diesem Jahr zum dritten Mal statt. In dreizehn Ländern weltweit erhalten Prime-Mitglieder spezielle Angebote, die den Nicht-Mitgliedern des „Premiumclubs“ verschlossen bleiben. Das Hauptziel von Amazon ist relativ leicht zu definieren: Möglichst viele Neumitglieder vom Prime-Programm überzeugen, sodass früher oder später auch wirklich jeder Online-Shopper Prime-Mitglied ist. In den USA konnte Amazon mittlerweile sogar die 85-Millionen-Mitglieder-Marke knacken und allein in den letzten zwei Jahren die Zahl verdoppeln. Netter Nebeneffekt des Prime Days ist natürlich der Massenverkauf von ausgewählten Produkten.

Amazon hat den Aktionstag in diesem Jahr sogar verlängert: Er geht dieses Mal nicht nur 24, sondern ganze 30 Stunden, und ist dementsprechend bereits sechs Stunden vor dem eigentlichen Prime Day gestartet – also am 10. Juli um 18.00 Uhr. Die entsprechenden Angebote werden hier aufgelistet und wechseln alle fünf Minuten. Zusätzlich hat Amazon einen Leitfaden erstellt, der den Kunden während der Aktionszeit unter die Arme greifen soll und aus einem simplen Schnäppchentag ein vermeintlich kompliziertes Mammutprojekt macht, für das man sicherlich keine Anleitung benötigt.

Hardware-Flotte von Amazon extrem verbilligt

Die Interessensgebiete unterteilt Amazon in insgesamt 15 Kategorien. Ganz oben befinden sich hier, wie sollte es anders sein, die hauseigenen „Amazon-Geräte“ wie der Echo-Lautsprecher und die Kindle-Reader. Auch diese werden im Laufe des Schnäppchentags für weniger Geld verkauft: So sind beispielsweise der Amazon Echo für 99,99 Euro anstatt 179,99 Euro und das Fire-HD-8-Tablet für 59,99 Euro anstatt 109,99 Euro zu haben. Dabei wird der Verkaufsriese auch nicht müde, seine technischen Geräte anzupreisen und überall in den Vordergrund zu hieven. Eine Welt voller Prime-Mitglieder, die zudem auch noch Amazon-Geräte in ihren Haushalten zu stehen haben? Eine fast schon unbezahlbare Goldgrube.

Aber auch in den anderen Kategorien wirft man mit den großen Namen nur so um sich: Curved-Fernseher von Samsung, Schuhe von Bugatti, Werkzeuge von Bosch, Reisekoffer von Samsonite und Spielesammlungen von Hasbro – die Liste an Marken kennt schier kein Ende. Zudem wird auch versucht, in Berlin und München die Express-Lieferung Prime Now verstärkt Kunden nahezubringen. So gibt es 30 Prozent Rabatt auf Obst und Gemüse, Coca-Cola, verschiedene Backwaren usw.

Prime Day soll auch kleineren Online-Händlern helfen

In der entsprechenden Pressemitteilung weist Amazon auch darauf hin, dass weltweit „Tausende Händler und Unternehmen“ am Prime Day teilnehmen und „ihre Produkte zu besonders günstigen Preis“ anbieten. „Mehr als 40 Prozent aller Blitzangebote“ stammen laut Amazon in diesem Jahr von externen Unternehmen. Ein ähnlicher Fokus war bereits in der letzten Ausgabe auszumachen, denn im Jahr 2016 wurde die Zahl der teilnehmenden Händler in den USA mehr als verdoppelt. Jedes dritte Blitzangebot stammte angeblich von externen Verkäufern. Amazon legt(e) sein Augenmerk an jedem Prime Day auch auf seine Marktplatz-Händler.

Amazon Prime Day 2017

© Amazon

Doch zumindest im letzten Jahr war der vermeintliche Erfolg für kleinere Unternehmen einer der größten Kritikpunkte überhaupt, denn für die meisten Online-Händler lief der Tag insgesamt eher durchwachsen. Der Anbieter CommerceHub beispielsweise, der Amazon-Marktplatz-Händler beim Verkauf unterstützt, meldete einen Verkaufsanstieg von lediglich einem Prozent im Vergleich zum Prime-Day-Jahr 2015.

Die Kritik ging sogar noch weiter, denn einige Händler meldeten sogar schlechtere Verkaufszahlen als im Normalgeschäft. Ihre Angebote wurden von den Deals von Amazon aber auch von anderen größeren Drittanbietern schlichtweg „erdrückt“. Auch die Verkäufe im Zeitraum unmittelbar vor dem eigentlichen Prime Day sollen bei einigen eingebrochen sein, weswegen das Fazit der Marktplatz-Händler insgesamt eher durchwachsen ausfiel – eine Entwicklung, die auch im Nachhinein der dritten Prime-Day-Ausgabe spannend zu beobachten sein wird.

Verbraucherzentrale NRW warnt vor „aufgeblasenen Rabatten“

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bezeichnete den Prime Day wiederum im letzten Jahr als „aufgeblasen“. Die Verbraucherschützer bemängelten unter anderem, dass Amazon Prime-Day-Preise nicht selten mit den unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) der Hersteller vergleiche, was zum Teil für die große Preisdifferenz sorgt. „Zieht man statt der UVP die üblichen Preise als Vergleich heran, schrumpfen die ausgerufenen Amazon-Rabatte von rund 50 Prozent schnell auf unter 20 Prozent. Noch ominöser wird es, wenn Amazon sich auf fiktive ‚Statt‘-Preise bezieht, die der Branchenriese selbst nicht nimmt“, so die Verbraucherzentrale NRW.

In diesem Jahr haben sich die Verbraucherschützer bislang noch nicht schriftlich zum Prime Day geäußert. Am Telefon bestätigte die Zentrale im Vorhinein die Kritik am Prime Day und warnte vor „aufgeblasenen Rabatten“, die auch in diesem Jahr auf die Kunden warten könnten, wenn der Tag ähnlich wie letztes Mal aufgebaut wird. Es wird explizit empfohlen, den „Kaufen“-Button nicht zu voreilig zu drücken, sondern die gewünschten Prime-Day-Angebote vor dem Kauf beispielsweise mit kostenlosen Preissuchmaschinen zu überprüfen.

Prime Day 2017 = Prime Day 2016 2.0?

Die Vermutung liegt nahe, dass der Prime Day in diesem Jahr ähnlich ablaufen wird, wie dies im letzten Jahr der Fall war – nur eben nur noch größer, umfangreicher und vor allem länger. Amazon nutzt den Schnäppchentag, um Prime-Mitgliedschaften am laufenden Band zu verteilen und insbesondere auch, um die hauseigene Hardware verbilligt zu verkaufen. Das Nachsehen könnten abermals kleinere Online-Händler haben, die über den Marktplatz von Amazon verkaufen – auch wenn der Verkaufsriese wiederholt großspurig auf die Teilnahme etlicher externer Unternehmen hinweist.

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