Kommentar: Berlin will wohl doch kein zweites Silicon Valley werden

Veröffentlicht: 30.10.2018 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 30.10.2018

„Fuck off Google“ – „Verpiss dich Google“ – steht auf Aufklebern, die in Berlin-Kreuzberg an Wände und Straßenlaternen geklebt wurden. Google hatte geplant, einen StartUp-Campus im ehemaligen Umspannwerk in dem Stadtteil zu eröffnen. Doch Berlin wehrte sich erfolgreich. Für den Wirtschaftsstandort ist das ein herber Schlag.

Bundestag in Berlin
© Kavun Halyna – Shutterstock.com

Es muss ein interessantes Meeting gewesen sein, als man sich bei Google entschied, den geplanten StartUp-Campus am ehemaligen Umspannwerk in Berlin-Kreuzberg aufzugeben und stattdessen daraus ein „Haus für soziales Engagement“ werden zu lassen. Seit November 2016 hatte Google den Umbau des Objekts vorangetrieben, um endlich seinen StartUp-Campus in die deutsche Hauptstadt zu bringen. Doch nach fast exakt drei Jahren rudert der Tech-Konzern zurück.

Das ehemalige Umspannwerk soll nun stattdessen zu einem „Haus für soziales Engagement“ werden. Die Schlüssel wurden an Betterplace.org und Karuna Berlin übergeben, twitterte Rowan Barnett von Google StartUps. Das Unternehmen mag diese Entscheidung als pure Uneigennützigkeit kommunizieren, doch der Protest der Anwohner in Berlin-Kreuzberg dürfte seinen guten Teil beigetragen haben.

Klar, ein Unternehmen will sich nicht direkt mit der Nachbarschaft überwerfen. Und auch klar, die Sorge der Berliner vor steigenden Mieten und Lebenserhaltungskosten ist angesichts der Entwicklung in US-Metropolen wie San Francisco durchaus nachvollziehbar. In der US-Metropole haben die Mitarbeiter der Tech-Konzerne dafür gesorgt, dass die Mieten durch die Decke gegangen sind.

Eine „schöngeredete Resignation“

Schwierig wird es allerdings, wenn man die Politik betrachtet: Die Senatswirtschaftsverwaltung unter Leitung von Ramona Pop (Die Grünen), zeigt sich gar erfreut über die Entwicklung. Dabei hat Berlin mit dem Rückzug von Google als Wirtschaftsstandort eingebüßt. Eine „schöngeredete Resignation“ nennt FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja die Aufgabe des ehemaligen Umspannwerks und fand damit deutlichere Worte. Menschen, die ihren Kiez und ihr Milieu vor jeglichen Veränderungen – positiven wie negativen – schützen wollen, seien nun weiter ermutigt.

Berlin gefährdet mit einer derartigen Einstellung aber seine Attraktivität für StartUps und ausländische Firmen, die viel Wirtschaftskraft in die Hauptstadt bringen könnten. Die Politik soll jetzt zwar nicht auf Gedeih und Verderb allen internationalen Konzernen den Weg ebnen, aber etwas mehr Mühe aufbringen, als sie es offenbar im aktuellen Fall um den Google-Campus getan hat. Ein zweites Silicon Valley wird die Stadt so in jedem Fall nicht.

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