Kommentar: Amazon ist Opfer seiner eigenen Lieferstrategie

Veröffentlicht: 07.11.2018 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 07.11.2018

Schnell, schneller, am schnellsten – wir leben mittlerweile in einer Welt, in der wir nicht gern warten. Nicht auf die Bahn. Nicht auf Rückmeldungen. Und schon gar nicht auf Pakete. Aus diesem Grund ist Amazon auch so erfolgreich, weil der Konzern seinen Kunden den Wunsch erfüllt hat, die bestellten Produkte schnellstmöglich in den Händen zu halten. Amazon hat uns mit seinen kurzen Lieferfristen verwöhnt und auch ein Stück weit verzogen. Wir sind quasi verdorben, weil die Standards (die Amazon gesetzt hat) nun so hoch sind, dass es kleineren, konkurrierenden Unternehmen mit weniger Ressourcen eben nicht schaffen, die Pakete noch am selben Abend oder am nächsten Tag zu liefern.

Doch wie es scheint, hat sich Amazon mit der Errichtung seiner hohen Lieferstandards auch selbst eine Grube gegraben… und diese Grube wird teurer und teurer. Durch die vielen Einzelbestellungen, die die Kunden tätigen, muss Amazon Unmengen an Lieferkosten zahlen. Und auch an Kartonagen und Verpackungsmaterial dürften horrende Summen zusammenkommen, die wiederum auf die Gewinne drücken.

Amazon will nur noch 1x pro Woche liefern

Amazon wäre jedoch nicht Amazon, wenn der Konzern seinen Kunden nicht einen neuen Service schmackhaft machen könnte, der ihm selbst am meisten hilft: In den USA ist nun nämlich ein Testlauf online gegangen, bei dem Kunden eine neue Lieferoption ausprobieren können. Dabei legen sie einen gewünschten Wochentag fest – den sogenannten „Amazon Day“, an dem alle getätigten Einkäufe geliefert werden sollen.

Heißt also: Amazon muss sich nicht mit vielen kleinen Einzelbestellungen herumschlagen, spart Kartonagen, Verpackungsmaterial, Paketkosten und auch Arbeitsressourcen. Vermarktet wird die Lieferoption sicherlich durch den Umweltaspekt und indem man den Käufern aufzeigt, dass man durch die Einsparungen viel Gutes für die Natur tun könne.

Schlecht ist das grundsätzlich nicht! Schließlich ist der Online-Handel für gigantische Papp-Müllberge verantwortlich, die sich immer weiter türmen. Doch werden die Kunden die neue Lieferoption auch mitmachen? Ich denke, ja.

Man muss die Kunden nur emotional abholen und an das Gewissen appellieren

Zum einen gibt es in der Branche bereits Fälle, in denen ähnliche Lieferstandards herrschen: Beim Shopping-Sender QVC ist es beispielsweise üblich, dass alle Bestellungen, die innerhalb eines Kalendertages aufgegeben werden, zu einer einzigen Bestellung zusammengefasst werden. Auf diesem Weg spart das Unternehmen Geld und Material und die Kunden bezahlen nur einmalig Versandkosten. Und auch hier brauchen die Pakete meist mehrere Tage, um bei den Empfängern anzukommen. Zum anderen scheint es immer mehr Kunden zu geben, denen Umweltaspekte am Herzen liegen. Und wenn man sich den Liefertag im Rahmen des „Amazon Day“ selbst wählen kann, steigen zudem die Chancen, dass es beim Empfang keine Probleme gibt. 

Alles in allem ist es also denkbar, dass die neue Strategie funktionieren könnte – selbst, wenn sie auf den ersten Blick veraltet und untauglich anmutet. Der flächendeckende Start einer solchen Option wäre gut für Amazon. Und für die Kunden. Und für die Umwelt. Und vielleicht würden sich durch eine Etablierung solcher Liefertage im Online-Handel auch die teils absurd hohen Ansprüche der Kunden etwas normalisieren.

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