Kolumne: Houston, wir haben ein Problem...

Veröffentlicht: 02.10.2015 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 02.10.2015

Rocket Internet schwärmt immer von riesigen Wachstumspotenzialen, von den Möglichkeiten des digitalen Marktes und gibt sich fast schon unbezwingbar. Die Expansionsstrategie des Unternehmens gilt als äußerst aggressiv und vor allem in den letzten Monaten wirkte es auch überzeugend: Viele StartUps wiesen und weisen noch immer Wachstumsraten im dreistelligen Bereich auf, wenige Wochen nach dem Start erschließen die Jungunternehmen oft neue Städte oder gar neue Länder.

Doch wer in dieser Woche die Meldungen verfolgt hat, der hat vor allem eines gesehen: Rückzüge und Niederlagen. Bonativo, der Bio-Marktplatz im Internet, musste sich aus London zurückziehen und konzentriert sich stattdessen auf Hamburg. Take Eat Easy, ebenfalls im – wie Oliver Samwer immer wieder betont – so wachstumsstarken Food-Sektor unterwegs, zieht sich nach zwei Monaten aus Deutschland zurück. Helpling gibt direkt vier Länder auf und muss jeden fünften Mitarbeiter entlassen.

"Hinter diesem Satz müssten nun mindestens drei Ausrufezeichen stehen"

Es scheint, als würde sich Rocket Internet bei der Expansionsstrategie verschätzen. Das ist zugegebenermaßen auch in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen – so musste auch Glossybox seine Expansion zurückfahren und sich neu positionieren. Es ist auch überhaupt nicht verwerflich, einen Markt zu testen und bei geringen Erfolgsaussichten wieder den Rückzug anzutreten. Stichwort "Kultur des Scheiterns". Bemerkenswert ist aber die aktuelle Häufung der Meldungen.

Bonativo erklärte seinen London-Rückzug beispielsweise damit, dass es „sich als größere Herausforderung als erwartet“ herausgestellt habe, den Service „in allen Märkten aufzubauen“. Vor allem, da Bonativo in kurzer Zeit in drei Märkte expandiert ist, sei die Expansion weiter erschwert worden. Ein Rocket Internet-StartUp scheitert an der gleichzeitige Expansion in drei Länder bzw. Städte? „Hinter diesem Satz müssten nun mindestens drei Ausrufezeichen stehen“, findet auch Alexander Hüsing von Deutsche-StartUps.

Kommt die Expansionsstrategie der Rocket Internet-StartUps also an seine Grenzen? Offensichtlich lässt sich nicht jedes Geschäftsmodell auf jeden beliebigen Markt einfach so etablieren, auch wenn die Gründer das gerne behaupten. Vielleicht sollte Rocket Internet die Expansionsgeschwindigkeit also ein wenig zurückfahren, um vorher die Situation besser abzuwägen. Aber das würde nicht der Natur von Rocket Internet entsprechen.

Rocket Internet kann nicht an den Investoren vorbeiarbeiten

Damit verspielt das Unternehmen aber auch Vertrauen, welches die Investoren, wie sie zur Hauptversammlung im Juni erklärten, Rocket Internet zwar ausgesprochen hatten – aber eben nur als Vorschuss, den es zu belohnen gilt. Bei dem Capital Markets Day kam offenbar das Gefühl auf, dass dieses Vertrauen der Anleger inzwischen bröckelt. Noch ein Grund, weshalb Rocket Internet seine riskante Vorgehensweise vielleicht überdenken sollte. An den Investoren vorbei wird das Unternehmen auf jeden Fall nicht arbeiten können.

 

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.

Meistgelesene Artikel