„Katastrophale Bedingungen“

Arbeitsbedingungen wie im ‚Tatort‘-Drehbuch: Zoll enthüllt katastrophale Zustände in Kurier- und Paketbranche

Veröffentlicht: 23.04.2024 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 23.04.2024
Lieferfahrzeug mit Paketen

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Generalzolldirektion hat in einem Schreiben an das Bundesfinanzministerium schwere Vorwürfe gegen die Kurier-, Express- und Paketbranche erhoben. Aufgrund des weit verbreiteten Subunternehmer-Systems sei die Branche für Schwarzarbeit und andere illegale Beschäftigungsformen anfällig. Die Ermittlungen erstreckten sich „in erheblichem Umfang auf Sachverhalte, die der schweren strukturellen Kriminalität zuzuordnen sind beziehungsweise die seitens der Staatsanwaltschaft als organisierte Kriminalität bewertet wurden“.

Weiter ist in dem Schreiben, das der Rheinischen Post vorliegt, die Rede davon, dass planmäßig ein System von „tatsächlich aktiven Unternehmen und gewerblich registrierten, aber tatsächlich inaktiven Unternehmen, die durch Strohleute geführt werden“, erschaffen worden sei. So sollen Behörden getäuscht und Verantwortlichkeiten verschleiert werden.

Konkrete Beispiele der Zolldirektion

In dem Bericht an das Finanzministerium nennt der Zoll zahlreiche konkrete Beispiele aus jüngsten Prüfungen und Ermittlungen. In einem Subunternehmen, das vom Berliner Hauptzollamt untersucht wurde, hatte der Geschäftsführer etwa „keinerlei Kenntnisse über die Geschäftsabläufe, kannte seine Arbeitnehmer nicht“. In Erfurt seien bei einem Unternehmen die vorgelegten Arbeitszeitnachweise „auffällig gleichbleibend“, unabhängig von Wetterlage oder Verkehrsbedingungen. In einem Unternehmen im Münsterland kannten die Arbeitnehmer:innen ihren tatsächlichen Arbeitgeber gar nicht und in Köln wurde gar ein Schwarzgeld-System enttarnt, bei dem die tatsächliche Arbeitszeit verschleiert wurde.

„Der Bericht des Zolls zeigt noch einmal sehr deutlich, was man immer wieder hört: Die Arbeitsbedingungen in der Kurier- und Paketbranche sind zum Teil katastrophal. Die Schilderungen des Zolls lesen sich mitunter wie ein Drehbuch für den ‚Tatort‘ in der ARD“, sagte NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gegenüber der Rheinischen Post. Es müssten die richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um faire Arbeitsbedingungen zu schaffen. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete sieht aufgrund des Berichts „großen Handlungsbedarf wegen der kriminellen Zustände“, wie er dem Spiegel sagt.

 

Verbot von Subunternehmen?

Mit der Reform des Postgesetzes, die die Bundesregierung Ende 2023 beschlossen hatte, sollen die Arbeitsbedingungen in der Branche eigentlich verbessert werden. Die Bundesnetzagentur soll künftig etwa alle Anbieter von Postdienstleistungen in ein Verzeichnis eintragen und überprüfen und Paketdienste sollen die Zuverlässigkeit ihrer Subunternehmen kontrollieren. Bundestag und Bundesrat müssen allerdings noch über die Reform abstimmen.

Fraglich ist noch, ob der Bund Subunternehmerstrukturen in der Branche verbieten können sollte. Nordrhein-Westfalen hatte eine entsprechende Initiative im Februar in den Bundesrat eingebracht. Auch die Gewerkschaft Ver.di ist für ein solches Verbot. Der Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX, ehemals BIEK) verweist dagegen auf „Tausende anständige Transportunternehmer“. Ein Verbot von Subunternehmen wäre ungerechtfertigt und unverhältnismäßig und würde zudem den Wettbewerb einschränken.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

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