Anti-Abmahngesetz

Abmahnverein verliert Befugnisse auch für Altfälle

Veröffentlicht: 06.06.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 12.06.2023
Radiergummi auf Papier radiert Strichmännchen weg

Ende 2020 trat das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in Kraft, mit dem die damalige Regierung gegen den Abmahnmissbrauch im Online-Handel vorgehen wollte. Daher hat es auch seinen umgangssprachlichen Namen Anti-Abmahngesetz. Seit Dezember 2020 gilt auch eine wichtige Regelung, die es Verbänden schwieriger machen soll, missbräuchliche Abmahnungen auszusprechen. 

Wer darf (noch) abmahnen?

Abmahninstitutionen wie der bekannte Ido Verband müssen seit der Änderung in die sogenannte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände beziehungsweise in die Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen sein, um weiterhin eine Abmahnbefugnis zu haben. Nun ist es jedoch so, dass viele Unternehmen solch einem Verein gegenüber eine Unterlassungserklärung abgegeben haben oder gerichtlich zur Unterlassung verdonnert wurden, dieser zwischenzeitlich aber seine Berechtigung für weiteren Abmahnungen verlorenen hat. Lösen sich damit auch automatisch die Altlasten in Luft auf? Das OLG Hamm widmet sich nun genau dieser Frage. 

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Weil der Abgemahnte wegen einer unvollständigen Garantie-Werbung uneinsichtig war, wurde auf Antrag des Verbandes das Landgericht Essen eingeschaltet und beschloss 2018 eine einstweilige Verfügung. Das abgemahnte Unternehmen wurde damals verpflichtet, derartige Verstöße künftig zu unterlassen. 2011 wurde der mittlerweile nicht mehr abmahnberechtigte Verband auf einen erneuten Verstoß aufmerksam. Wieder wurde eine Garantie ohne die näheren Informationspflichten beworben und somit lag faktisch ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung von 2018 vor, weswegen der Verband nun erneut über das Gericht Ordnungsmittel beantragen wollte.

„Rest- und Schattendasein“ nicht abmahnberechtigter Verbände

Dürfen Abmahnvereine und Verbände solche alten Fälle (wo deren Abmahnbefugnis noch vorlag, also vor Dezember 2020) auch nach 2020 weiterhin verfolgen, beispielsweise einen erneuten Verstoß ahnden? Nein, denn mit dem Anti-Abmahngesetz verlor der Verband auch für weitere Schritte seine Befugnisse. Der besagte Verband war und ist bis zum heutigen Tage weder in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände noch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen.

Die Befugnis muss nicht nur im Zeitpunkt des Ausgangsverfahrens vorliegen, sondern auch noch bei der anschließenden Durchsetzung des Anspruches, beispielsweise wie bei der Beantragung des Ordnungsmittels. Verbände und Vereine und deren Abmahnmodell einzuschränken, sei Sinn und Zweck des neuen Gesetzes gewesen. Andernfalls würde man nicht mehr abmahn-, anspruchs- und klageberechtigte Verbände und Einrichtungen noch ein kaum sinnvolles „Rest- und Schattendasein“ als „Verwalter“ alter Vollstreckungstitel zugestehen (OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2023, Az.: 4 W 32/22).

In dem Fall ging es nur um die oben beschriebene Konstellation, also die Beantragung von Ordnungsgeldern bei Gericht. Abmahnungen, die ohne Gerichtsverfahren über eine Unterlassungserklärung beendet werden, sind nicht Gegenstand gewesen. Ob Vertragsstrafen aus diesen Unterlassungserklärungen eingefordert werden dürfen, obwohl der Verband oder Verein die Befugnis zur Abmahnung nicht mehr innehat, ist ungeklärt. Ein entsprechendes klarstellendes Urteil zugunsten der Händlerschaft wird aber sicherlich auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.

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