Dreist oder berechtigt?

Kundin will Kilometergeld für Weg zu Paketshop

Veröffentlicht: 03.04.2024 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 03.04.2024
Auto transportiert Paket auf Dach
In unserer Reihe „Dreist oder berechtigt?“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbraucher:innen, der Kundschaft und Beschäftigten unter die Lupe.

 

In dieser Woche haben wir es mit einem Sparfuchs zu tun: Eine Kundin erwarb von einer Händlerin einen Akkuschrauber, der jedoch bald darauf nicht mehr funktionierte. Die Kundin trat daraufhin mit der Händlerin in Kontakt, beschrieb den Defekt und sandte Bilder des mangelhaften Geräts. Nach Prüfung der Situation erkannte die Händlerin den Sachmangel an und stellte der Kundin ein Retourenlabel aus, sodass der Akkuschrauber zur Reparatur eingesendet werden konnte. 

Nachdem die Kundin das Gerät zurückgesendet hatte, forderte sie von der Händlerin eine Entschädigung für die Fahrtkosten zum Paketshop – sie verlangte eine Pauschale von 30 Cent pro Kilometer für die fünf Kilometer lange Fahrt. Bei der Suche nach dem nächsten Paketshop mittels Google Maps wies die Händlerin die Kundin darauf hin, dass ein Shop auch zu Fuß erreichbar gewesen wäre. Trotzdem bestand die Kundin auf ihrer Forderung und betonte, es sei ihre Entscheidung, welchen Shop sie aufsuche. Der näher gelegene Shop genüge ihren Ansprüchen nicht und sie verlangte nachdrücklich die Überweisung des Kilometergeldes. Ist ihre Forderung berechtigt?

Grundsatz: Kosten der Nacherfüllung im Gewährleistungsfall

Liegt bei einem Produkt ein Mangel vor, fällt dies in den Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts. Der Kerngedanke dieses Rechts besteht darin, den Verkäufer:innen die Möglichkeit zu geben, den aufgetretenen Fehler zu beheben und somit den Kaufvertrag letztlich zu erfüllen. Die Verantwortung der Verkäuferseite, für den Mangel einzustehen, besteht unabhängig davon, ob sie eine Schuld an dem Defekt trägt. Primär ist sie zur Nacherfüllung verpflichtet, indem sie den Mangel entweder repariert oder ein neues Produkt bereitstellt. Diese Maßnahmen ziehen selbstverständlich Kosten nach sich.

Die gesetzlichen Regelungen dazu, wer diese Kosten zu tragen hat, sind eindeutig. Gemäß § 439 BGB ist festgelegt: „Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen.“ Es ist zu beachten, dass unter den Transportkosten neben den eigentlichen Versandkosten auch Fahrtkosten fallen können. Diese müssen allerdings nur erstattet werden, insofern sie erforderlich waren.

 

Fazit: Weg zum Paketshop war nicht erforderlich

Was aber bedeutet das für unseren Fall? In unserem speziellen Fall bedeutet dies, dass die Kundin das Kilometergeld grundsätzlich fordern könnte, allerdings nur, wenn der Weg zum Paketshop als erforderlich betrachtet wird. Ein Weg gilt dann als erforderlich, wenn keine gleichwertige, näher gelegene Möglichkeit zur Paketabgabe existiert hätte. 

In diesem Szenario war jedoch eine solche Möglichkeit vorhanden. Die Präferenz der Kundin für einen weiter entfernten Shop, basierend auf persönlichen Vorlieben, stellt keinen stichhaltigen Grund dar, um den näher gelegenen Laden zu meiden. Daher besteht für die Kundin kein Anspruch auf Erstattung des Kilometergeldes. Die Forderung ist dreist.

Blick in die Praxis: Kundschaft muss Aufwendungen beweisen

In der Praxis treten derartige Fälle eher selten auf, da Kund:innen nachweisen müssen, welche Aufwendungen sie tatsächlich hatten und ob diese notwendig waren. In städtischen Gebieten befinden sich Paketshops häufig in fußläufiger Entfernung. Hier wird der Fußweg in der Regel zumutbar sein. Ausgenommen sind natürlich Personen, die nicht gut zu Fuß sind, oder sperrige und/oder schwere Waren.

In ländlicheren Gegenden ist es üblich, den Weg zum Paketshop mit dem Arbeitsweg oder anderen Besorgungen zu verbinden. Falls dies nicht möglich ist, bieten viele Logistikunternehmen gegen eine geringe Gebühr einen Abholservice an. Vor diesem Hintergrund wäre zu prüfen, ob die Fahrt zu einem Paketshop tatsächlich erforderlich war, besonders wenn solche Serviceleistungen zur Verfügung stehen und unterm Strich günstiger gewesen wären.

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