Wir wurden gefragt

Darf ein Shop „zu günstige“ Bestellungen stornieren?

Veröffentlicht: 18.04.2024 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 18.04.2024
Wütende Frau starrt auf Laptop

Seien es die Sneaker für 9,99 Euro statt 89,90 Euro oder der Fernseher für 299 Euro statt 399 Euro: Aktionstage und Rabatte wie Prime Days oder Black Friday machen es möglich, dass Shops wie Amazon Preisknaller anbieten können. Immer mehr Leser:innen werden jedoch stutzig, wenn ihre besonders preisgünstigen Käufe vor dem Versand storniert werden, weil der Artikel angeblich nicht mehr auf Lager ist. Und auf wundersame Weise sind die besagten Artikel auch nicht mehr zum reduzierten Preis erhältlich. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Drohung „Dann klage ich es ein!“ geht schnell über die Lippen. Soll ich zum Anwalt gehen, fragte uns auch ein Leser. Das haben wir ihm geantwortet.

Hat der Shop eine Lieferpflicht?

Für alle Ansprüche braucht es eins: eine Rechtsgrundlage. Wer eine Lieferung einfordern will, muss also einen gültigen Kaufvertrag vorweisen können. Zunächst ist im Falle eines Falles die Frage zu beantworten, ob tatsächlich ein solcher Kaufvertrag geschlossen wurde, der zur Lieferung verpflichtet. Aufschluss geben die AGB des Shops. 

Mit der Bestellung bzw. Bestellbestätigung kommt meist noch kein Kaufvertrag zustande, da die Angebote unverbindlich sind. Der Vertragsabschluss erfolgt mehrheitlich erst durch eine E-Mail, in welcher der Versand der Ware mitgeteilt wird. „Ein Kaufvertrag kommt erst dann zustande, wenn wir das bestellte Produkt an Sie versenden und den Versand an Sie mit einer zweiten E-Mail oder einer Nachricht in Ihr Message Center in Ihrem Kundenkonto (Versandbestätigung) bestätigen”, heißt es beispielsweise auch bei Amazon. Erst jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ein einseitiges Recht auf Stornierung gibt es prinzipiell nicht mehr. 

Kommt der Shop auf andere Weise wieder aus dem Vertrag heraus?

Ein Vertrag kann auf anderem Wege seine Grundlage verlieren und somit eine Lieferpflicht wieder entfallen. Es ist beispielsweise missbräuchlich, wenn man die fehlerhafte Preisangabe erkennt und sie absichtlich ausnutzt. Kauft man einen Markenpullover für 6,90 Euro statt 69,90 Euro, ist das Missverhältnis so auffällig, dass es für das Unternehmen unzumutbar wäre, diesen Vertrag zu erfüllen. Das bewusste Ausnutzen einer offensichtlich irrtümlichen Preisangabe in einem Online-Shop kann daher rechtsmissbräuchlich sein und eine Lieferung kann nicht verlangt werden. Wo man die Grenze zieht, ist jedoch stets im Einzelfall zu entscheiden.

Aber auch nach Vertragsschluss gibt es eine Lösung für Online-Shops wie Amazon, Otto, Zalando und andere, um sich aus der Misere zu befreien. Wurde das Produkt wirklich nur versehentlich (z. B. aufgrund eines Softwarefehlers) zu einem viel zu günstigen Preis angeboten, kann das Unternehmen von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch machen. Auch ein tatsächlich fehlerhaft übermittelter Lagerbestand kann zur Anfechtung berechtigen, wenn die Produkte nicht umgehend nachbestellt und ausgeliefert werden können.

Nicht zur Anfechtung berechtigt hingegen der Fall, in dem der Preis nachträglich anzupassen war, weil beispielsweise das Produkt im Preis gestiegen ist oder das Unternehmen feststellt: „Hey, die Aktion lief gut. Wollen wir doch mal testen, ob die Kundschaft den Betrag XY drauflegen würde und nochmal neu bestellt.“ Eine Stornierung ohne eine Angabe von Gründen ist übrigens ebenfalls nicht gültig.

Wer noch einmal dreieinhalb Jahre zurückblickt, wird sich vielleicht an den damaligen Playstation-Hype erinnern, wo der Ansturm ganze Systeme zum Erliegen brachte. Doch beim besten Willen: Shops wie Otto konnten die Playstation nicht herbeizaubern, sondern waren zu Stornierungen gezwungen (wir berichteten). Damals wurde eine sogenannte Unmöglichkeit diskutiert, bei der die Erbringung der Leistung mit einem äußerst unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist. Das hat zur Folge, dass beide Seiten von ihrer Leistungspflicht befreit werden.

Muss ich einen höheren Preis akzeptieren?

Verlangt der Online-Shop nach einem bereits erfolgten Vertragsschluss plötzlich ein höheres Entgelt, ist dies ein Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrages mit höherer Vergütung oder auf Aufhebung des alten Vertrages. Darauf muss die andere Seite nicht eingehen. Der alte Vertrag hat Bestand.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

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