Gründe, Voraussetzungen & Fristen

Fristlose Kündigung: Was müssen Arbeitgeber:innen beachten?

Veröffentlicht: 07.07.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 07.07.2023
Geschäftsmann wählt an Hand von Symbolen eine Person aus

Arbeitsverträge sind das Fundament der Arbeitsbeziehung zwischen arbeitgebenden Unternehmen und Angestellten. Sie schaffen Verbindlichkeiten, legen Rechte und Pflichten fest und dienen der Sicherung beider Parteien. Doch manchmal kommt es vor, dass das Anstellungsverhältnis nicht wie geplant verläuft und sich unvorhergesehene Schwierigkeiten ergeben. In solchen Fällen kann die fristlose Kündigung als letztes Mittel in Betracht gezogen werden, um das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden.

In diesem Artikel werden wir uns genauer mit dem Thema der fristlosen Kündigung von Arbeitsverträgen befassen. Wir werden die Bedingungen darstellen, auf deren Basis Führungskräfte, aber auch Mitarbeitende, zu diesem drastischen Schritt greifen könnten.

Vorab: Ordentlich, außerordentlich und fristlos – Wo sind die Unterschiede?

Im Normalfall werden Arbeitsverhältnisse durch eine ordentliche Kündigung beendet. Dabei handelt es sich um eine ganz gewöhnliche Kündigung. In einem separaten Beitrag haben wir uns bereits eingehend mit dem Thema beschäftigt. Hier sollen lediglich noch einmal kurz die wichtigsten Fakten zusammengefasst werden:

Die ordentliche Kündigung in aller Kürze:

  • Greift der Kündigungsschutz (Unternehmen ab zehn Mitarbeitenden), gilt keine Kündigungsfreiheit. Kündigungen dürfen also nur aus gesetzlichen Gründen ausgesprochen werden.
  • Ordentliche Kündigungen im Kleinbetrieb (weniger als zehn Mitarbeitende) müssen nicht begründet werden.
  • Kündigungen sind entweder betriebsbedingt, verhaltensbedingt oder personenbedingt.
  • Vor einer verhaltensbedingten Kündigung muss in der Regel eine Abmahnung ausgesprochen werden.
  • Bei jeder Kündigung muss eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen abgewogen werden: Das Interesse des arbeitgebenden Unternehmens an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss dabei überwiegen.
  • Kündigungen müssen schriftlich mit eigenhändiger Unterschrift erfolgen. Sie können nicht zurückgenommen werden.
  • Die Frist richtet sich nach dem Gesetz oder dem Arbeitsvertrag.

Der ganze Hintergrundartikel zu dem Thema kann hier nachgelesen werden.

Etwas kniffliger ist hingegen die Abgrenzung zur außerordentlichen Kündigung: Bei einer außerordentlichen Kündigung wird die vorgeschriebene Kündigungsfrist nicht oder nicht vollständig eingehalten oder es wird ein eigentlich unkündbares Arbeitsverhältnis beendet. Damit ist eine außerordentliche Kündigung oftmals auch eine fristlose – aber eben nicht immer.

Eine außerordentliche Kündigung liegt beispielsweise dann vor, wenn das arbeitgebende Unternehmen einen Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen kündigt, obwohl dieser aufgrund seiner tariflichen Vorschriften unkündbar ist. Anders als bei einer fristlosen Kündigung muss bei der außerordentlichen Kündigung außerdem kein Pflichtverstoß von einer der beiden Vertragsparteien als Grund vorliegen. 

Das rechtliche Minenfeld

Die fristlose Kündigung ist ein rechtliches Minenfeld für beide Seiten. Es gibt einige rechtliche Voraussetzungen, die beachtet werden müssen. Insbesondere aus der Perspektive der Arbeitnehmer:innen ergibt das auch Sinn: Eine fristlose Kündigung bedeutet, dass man von heute auf morgen ohne reguläres Einkommen dasteht. Je nachdem muss sogar mit einer Sperre beim Arbeitslosengeld gerechnet werden. Auch im Lebenslauf bringt das abrupte Ende eines Arbeitsverhältnisses nicht unbedingt Pluspunkte bei künftigen Bewerbungen. 

Eine fristlose Kündigung stellt damit in der Regel einen schweren Einschnitt in der Erwerbsbiographie dar. Deswegen sind die Anforderungen, die an fristlose Kündigungen gestellt werden, besonders hoch. Selbst Kleinbetriebe müssen fristlose Kündigungen begründen.

Im Folgenden werden die Voraussetzungen, die bei einer fristlosen Kündigung vorliegen müssen, dargestellt. Achtung: Trifft auch nur eine Voraussetzung nicht zu, so ist die Kündigung rechtswidrig.

Voraussetzung 1: Der wichtige Grund

Will sich eine der beiden Parteien unmittelbar vom Arbeitsvertrag lösen, so muss ein wichtiger Grund vorliegen. Anders als bei der ordentlichen Kündigung müssen fristlose Kündigungen immer, also auch im Kleinbetrieb ohne Kündigungsschutz, begründet werden.

Dieser Grund muss so schwerwiegend sein, dass es für die betroffene Vertragspartei unzumutbar ist, das Ablaufen der Kündigungsfrist abzuwarten.

Mögliche Kündigungsgründe vonseiten des arbeitgebenden Unternehmens sind beispielsweise Diebstahl und Unterschlagung, Beleidigung, sexuelle Belästigung, Selbstbeurlaubung und die Androhung von Krankheit. Auch Arbeitszeitbetrug und eine beharrliche Arbeitsverweigerung sind geeignete Gründe für eine fristlose Kündigung. Nicht geeignet sind dagegen einfache Verletzungen von Anzeigepflichten oder aber eine politische Tätigkeit. Im Grundsatz gilt: Was schon für eine ordentliche Kündigung nicht reicht, reicht erst recht nicht für eine außerordentliche. 

Zum Thema sexuelle Belästigung wurde erst kürzlich ein interessantes Urteil gefällt: Die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters war wirksam, nach dem dieser seiner Kollegin auf der Weihnachtsfeier einen Kommentar, der unter die Gürtellinie ging, entgegnete. Der Kommentar wurde vom Arbeitsgericht sowohl als sexuelle Belästigung, als auch als schwere Beleidigung eingestuft. Hier geht es zum Artikel.

Nicht nur arbeitgebende Unternehmen, sondern auch Beschäftigte können sich fristlos aus ihrem Arbeitsverhältnis lösen. Hier kommen wiederholte, unpünktliche Lohnzahlungen in Betracht, aber auch Beleidigungen, Tätlichkeiten und sexuelle Belästigungen. 

Das Verhalten, auf dem die Kündigung basiert, muss außerdem rechtswidrig und schuldhaft sein. Rechtswidrig bedeutet, dass es keine Rechtfertigung geben darf. So kann die Arbeitsverweigerung eines Mitarbeitenden gerechtfertigt sein, wenn die Arbeitsanweisung gegen die guten Sitten verstößt. Schuldhaft meint, dass der Verstoß vorsätzlich oder zumindest fahrlässig begangen sein muss. Kam es beispielsweise bei der Bank zu einem Systemausfall und konnte der Lohn deswegen nicht pünktlich gezahlt werden, trifft das arbeitgebende Unternehmen keine Schuld. 

Voraussetzung 2: Kein milderes Mittel

Da die fristlose Kündigung ein harter Einschnitt ist, darf es kein milderes Mittel geben. Klassischerweise kommt bei dem milderen Mittel die Abmahnung in Frage. Diese kann das Arbeitsverhältnis wieder kitten, ohne es gleich zu beenden. 

Hier müssen arbeitgebende Unternehmen eine Prognose treffen: Wird die Abmahnung ausreichen, damit das Teammitglied das unerwünschte Verhalten in Zukunft abstellt? Auch arbeitsrechtlich nicht relevante Maßnahmen, wie etwa Schulungen zur Sensibilisierung, können in Erwägung gezogen werden.

Soll das Arbeitsverhältnis aber wirklich beendet werden, sollte vor der fristlosen Kündigung in jedem Fall abgewogen werden, ob nicht auch eine ordentliche Kündigung oder eine Änderungskündigung Wege sein können.

Voraussetzung 3: Umfassende Interessenabwägung

Wie bereits bei der ordentlichen Kündigung muss auch bei der fristlosen Kündigung eine Interessenabwägung getroffen werden. Was aber heißt das? Interessenabwägung bedeutet, dass man in die eine Waagschale die Interessen des arbeitgebenden Unternehmens an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirft und in die andere das Interesse des Mitarbeiters an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses, zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Bei dieser Abwägung müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Auf der Seite des arbeitgebenden Unternehmens können Umstände, wie etwa wirtschaftliche Auswirkungen, eingetretene Schäden, der Imageverlust, die Wiederholungsgefahr oder ein hohes Verschulden durch den Mitarbeitenden ausschlaggebend sein.

Aber auch auf der Seite des betroffenen Teammitglieds müssen Umstände berücksichtigt werden, die sich mildernd auswirken. Solche Umstände können etwa ein eher geringes Verschulden, ein Mitverschulden der Führungskraft, aber auch das Alter, bestehende Unterhaltspflichten und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sein. 

Voraussetzung 4: Die Zwei-Wochen-Frist

Sinn und Zweck der fristlosen Kündigung ist es, ein bestimmtes Verhalten direkt abzustrafen. Es ist daher alles andere als nachvollziehbar, wenn fristlose Kündigungen auf Grundlage von in der Vergangenheit liegenden Vorkommnissen ausgesprochen werden. Daher gibt es eine zweiwöchige Frist. Doch: Ab wann beginnt diese zu laufen?

Aus Sicht des arbeitgebenden Unternehmens wird dabei auch der Zeitpunkt betrachtet, ab dem es über alle Umstände informiert ist, die für die Kündigungsentscheidung notwendig sind. Dazu gehört nicht nur das konkrete Ereignis, sondern auch Umstände, die für die Interessenabwägung notwendig sind. Ist diese „Ermittlung“ abgeschlossen, beginnt die Frist zu laufen.

In der Theorie ist es also möglich, ein Verhalten mit einer fristlosen Kündigung abzustrafen, das schon einige Zeit zurückliegt. Doch Achtung: Kam es in der Zwischenzeit, also in dem Zeitraum zwischen dem Ereignis und dem Bekanntwerden, zu keinen weiteren Vorkommnissen, muss dieser Umstand natürlich mildernd bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden.

In diesen Fällen ist eine fristlose Kündigung immer unwirksam

Es gibt Situationen, in denen eine fristlose Kündigung von vornherein unwirksam ist. Gibt es beispielsweise einen Betriebsrat, so muss dieser vor der Kündigung angehört werden. Schwangeren und schwerbehinderten Menschen darf zwar auch gekündigt werden; allerdings gilt es hier, vorgelagerte Schritte zu beachten. So muss bei der Kündigung einer Person mit einer schweren Behinderung nicht nur der Betriebsrat, sondern auch die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt um Zustimmung gebeten werden. Bei der Kündigung einer Schwangeren muss hingegen die vorherige Zu­stim­mung der obers­ten Lan­des­behörde für den Ar­beits­schutz eingeholt werden. 

Fazit: Alles muss abgewogen werden

Die fristlose Kündigung stellt einen schwerwiegenden Einschnitt in der Erwerbsbiographie dar. Sie sollte entsprechend gut durchdacht werden. Das sieht auch der Gesetzgeber so und macht arbeitgebenden Unternehmen eine Reihe von Vorschriften zu dem Thema. 

Dieser arbeitsrechtliche Schritt sollte in jedem Fall gut durchdacht werden, da die Wahrscheinlichkeit einer Kündigungsschutzklage eben wegen des harten Einschnittes wahrscheinlich noch einmal höher sein wird, als bei einer ordentlichen Kündigung. 

Neben den umfangreichen Leistungen in puncto Rechtssicherheit im Online-Shop bietet der Händlerbund auch den Rundum-Service für Arbeitgeber. Mit den neuen Arbeitsrecht-Paketen stehen Arbeitgebern nicht nur umfangreiche Vorlagen und Checklisten zur Verfügung, sondern auch die Rechtsberatung. Weitere Informationen zu den Arbeitsrecht-Paketen finden Sie hier.

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Sandra May

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.

Meistgelesene Artikel