Dreist oder berechtigt?

Kunde soll Mangel am Produkt selbst beseitigen

Veröffentlicht: 03.08.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 03.08.2023
Werkzeugkoffer
In unserer Reihe „Dreist oder berechtigt?“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbrauchern, Kunden und Arbeitnehmern unter die Lupe.

 

Offenbar wird sich besonders gern um das Gewährleistungsrecht gestritten. Daher geht es auch in dieser Woche wieder um einen Sachmangel: Ein Kunde bestellt einen Werkzeugkoffer. Direkt nach dem Auspacken stellt er fest, dass eines der Scharniere verzogen ist und der Koffer daher nicht vernünftig schließt. Er meldete den Mangel an den Verkäufer. Dieser bittet nun, dass der Kunde den Mangel selbst beseitigt: Es handle sich um ein handelsübliches Scharnier, welches es in jedem Baumarkt gäbe. Die Kosten würde der Händler natürlich übernehmen. Der Kunde besteht nun aber darauf, dass der Verkäufer den Mangel selbst beseitigt. Zu Recht?

Grundsatz: Die Kundschaft wählt die Art der Gewährleistung

Hat ein Produkt einen Sachmangel, stehen der Kundschaft unterschiedliche Ansprüche zur Verfügung. Dazu gehört neben dem Anspruch auf Nacherfüllung auch das Rücktrittsrecht sowie ein Anspruch auf Schadensersatz oder Kaufpreisminderung. Diese Ansprüche sind teilweise voneinander abhängig. So kann der Rücktritt regelmäßig erst dann erklärt werden, wenn die Nacherfüllung fehlgeht oder ernsthaft vom Verkäufer oder der Verkäuferin verweigert wird. Eine Kaufpreisminderung ist hingegen nur möglich, wenn man das mangelhafte Produkt behält, also keinen Rücktritt erklärt. Der Anspruch auf Schadensersatz kann hingegen daneben geltend gemacht werden und soll beispielsweise Folgeschäden abdecken, die durch den Mangel entstanden sind.

Grundsätzlich steht aber an erster Stelle die Nacherfüllung: Zwar können Unternehmen grundsätzlich ihr Glück versuchen, um eben nicht nacherfüllen zu müssen; besteht die Kundschaft aber auf diesem Recht, so sind sie in der Pflicht. Handelt es sich bei der Kundschaft außerdem noch um Verbraucher und Verbraucherinnen, muss außerdem noch darauf geachtet werden, dass diese nicht in verbraucherfeindlicher Weise an der Ausübung ihres Rechts gehindert werden.

Fazit: Man kann es ja versuchen …

Was bedeutet das für unseren Fall? Grundsätzlich kann der Verkäufer den Kunden darum bitten, den Mangel selbst zu beseitigen. Mehr als eine Bitte ist aber nicht drin. Der Kunde besteht daher berechtigterweise auf seinen Nachbesserungsanspruch.

Möglicherweise wäre der Verkäufer mit seinem Angebot erfolgreicher gewesen, wenn er zum einen angeboten hätte, das passende Scharnier an den Kunden zu schicken. Gleichzeitig hätte er dem Käufer auch eine konkrete Preisminderung anbieten können. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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