IHK: Proteste gegen Zwangsmitgliedschaft werden lauter

Veröffentlicht: 17.06.2014 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 18.06.2014

Deutsche Unternehmen (egal ob Händler, Dienstleister oder Handwerker) kommen um eine Mitgliedschaft in den Handwerks- bzw. Industrie- und Handelskammern nicht herum. Sie ist gesetzlich vorgeschrieben und soll den Unternehmen viele Vorteile bringen. Doch in der Praxis gestaltet sich die Situation ganz anders: Hier wird der Unmut und die Kritik immer lauter, weil die Beiträge zu hoch und die Verschwendung innerhalb der Institution verheerend sein sollen.

Kritik an IHK-Zwangsmitgliedschaft wächst weiter

(Bildquelle Geld in Ketten: cunaplus via Shutterstock)

Die Industrie- und Handelskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Einerseits steht die Unternehmensförderung, die Aus- und Weiterbildung oder auch die Beratung in verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen auf ihrer Agenda. Auf der anderen Seite sieht sie sich selbst als Sprachrohr der Wirtschaft gegenüber der Politik. Und um all diesen Aufgaben gerecht zu werden, bedarf es des finanziellen Rückhaltes durch die zahlreichen Mitglieder.

Doch der Ruf der IHK hat schon bessere Zeiten erlebt. Immer wieder werden gravierende Mängel oder die massive Verwendung der horrenden Beiträge in den Mittelpunkt der Kritik gestellt. Obwohl es ein Thema ist, das zwar deutschlandweit fast alle Unternehmen betreffen dürfte, wissen viele Verbraucher nicht um die prekäre Lage. Im Zuge einer kürzlich ausgestrahlten Reportage des WDR dürfte nun (zumindest ein bisschen) Licht in dieses Dunkel gebracht worden sein. „Goldenes Handwerk – Reiche Kammern, arme Betriebe“ hieß die Sendung und rückt das Leiden und die Kritik kleinerer Unternehmen und bekannter Gegner des IHK-Systems in den Blick.

IHK-Zahlungen „für nichts und wieder nichts!“

In der WDR-Reportage über die Zwangsmitgliedschaft in der IHK (bzw. der Handwerkskammer) kamen verschiedene Unternehmer zu Wort, die mit der gängigen Praxis äußerst unzufrieden sind. Grundlegende Kritikpunkte sind die Monopolstellung und die Bevormundung durch die Institution. Einem Missbrauch der Gelder und des gesamten Systems, könne durch die mangelnde Kontrolle nicht vorgebeugt werden.

Johann Leblang, Mechaniker für Zweiräder, sagte im Interview mit dem WDR, er zahle „für nichts und wieder nichts“. Zwar habe er in den vergangenen Jahren schon viele Male die Rolle als Ausbilder übernommen, wodurch die Auszubildenden immer wieder Erfolge feiern konnten, doch diese Zeit sei nun vorbei. Aufgrund der hohen Beiträge und den Prüfungsgebühren, die zu den „normalen Zwangsabgaben“ hinzu kämen, könne er sich künftig die Ausbildung seiner Schützlinge nicht mehr leisten.

„Wer macht die Arbeit? Das machen die Auszubildenden und wir, die Betriebe. Aber nicht die Handwerkskammer“, kommentiert Leblang frustriert. „Die Qualität der Ausbildung, die bestimmen wir. Vielleicht die Schule noch. Aber in erster Linie machen wir das mit unseren Auszubildenden. Und auf der anderen Seite wird nur abkassiert.“

„Die IHK arbeitet massiv gegen meine eigenen Interessen“

Die Probleme betreffen jedoch nicht nur den Bereich der Ausbildung. Die finanziellen Lasten seien zum Teil so schwer, dass Unternehmen auch Insolvenzen nicht ausschließen. Auch an den Leistungen, die den Mitgliedern im Zuge der Zwangsabgaben zustehen, gibt es Kritik, denn viele Unternehmen fühlen sich durch die Kammern nur unzureichend vertreten oder gar missachtet. Einer von ihnen ist der Unternehmer Thomas Paar, der sagt: „Die IHK arbeitet massiv gegen meine eigenen Interessen und gegen die Interessen meiner Mitarbeiter und ich muss das bezahlen.“

Auch die Ausgaben stehen immer wieder in der unternehmerischen Debatte: Zu teuer seien die repräsentativen IHK-Prachtbauden, zu verschwenderisch die Sanierungen, welche die Mitglieder durch ihre Beiträge finanzieren. Betitelt wurden solche, scheinbar völlig überzogenen Investitionen von Kritikern als „Muli-Millionen-Grab für Zwangsbeiträge“. Davon will die IHK selbst aber nichts wissen und verteidigt beispielsweise die Prunkarchitektur in München gegenüber dem WDR als notwendig.

Der Protest gegen die IHK formiert sich

Kai Boeddinghaus ist Geschäftsführer des bffk, des Bundesverbandes für freie Kammern e.V., der die „Abwesenheit von Demokratie“, die scheinbare Verschwendungsmentalität der IHK, sowie die mangelnde Kontrolle kritisiert. Es liege ein grundlegendes Strukturproblem im System vor, das daher anfällig für Missbrauch sei.

„Das ist ja auch ein tolles Geschäftsmodell für die IHK: Das Geld kommt von alleine, die Mitglieder kommen von alleine – sie werden ja gezwungen, Mitglieder zu werden – kaum Kontrolle, kaum Transparenz. Das ist doch fantastisch!“, kommentiert Unternehmer Wolf Peter Korth ironisch. „Ich wehre mich einfach dagegen, weil ich für mich entscheiden möchte. Ich muss für jeden Euro hart arbeiten. Wem gebe ich meine Stimme und wem gebe ich meinen Euro. Ich möchte das Gefühl haben, dass mit dem, was ich hergebe und mit meiner Stimme ordentlich umgegangen wird. Und dieses Gefühl habe ich nicht.“

Einen ersten Erfolg konnte Wolf Peter Korth bereits erringen: Er zog an allen seinen Standorten vor das Verwaltungsgericht und verlangte die Rückerstattung seiner Beiträge, wenn diese nicht zur Deckung der laufenden Kosten benötigt wurden. Und er bekam Recht. Ein Lichtblick vielleicht – für die vielen Unternehmen, die mit der Last der IHK-Beiträge zu kämpfen haben. Auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich derzeit mit der Rechtmäßigkeit der Pflicht-Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer (bzw. der Handwerkskammer) – wir berichteten.

Ob die rebellierenden Unternehmer erfolgreich aus der Schlacht ziehen, zeigt sich wahrscheinlich erst in einigen Monaten.

 

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