Lebensmittelhandel

Abmahnfalle gesundheitsbezogene Werbung: So streng ist die Health-Claims-Verordnung

Veröffentlicht: 26.02.2024 | Geschrieben von: Hanna Hillnhütter | Letzte Aktualisierung: 26.02.2024
Lebensmittel

Der Online-Handel bietet viele Regeln und Vorschriften. Je nach Produkt kommen dann noch einmal gesonderte Vorschriften hinzu, wie das Elektrogesetz oder die Batterieverordnung. So auch bei Lebensmitteln. Hier bietet vor allem die Health-Claims-Verordnung (HCVO) einige Abmahnfallen für Online-Händler:innen. Scheinbar harmlose Aussagen, wie das Wörtchen „bekömmlich“, können eine teure Abmahnung nach sich ziehen. 

Das regelt die Health-Claims-Verordnung

Wie der Name vermuten lässt, regelt die Health- (deutsch: Gesundheit) Claims- (deutsch: Angabe, Behauptung) Verordnung alle Werbeaussagen, die einen gesundheitlichen Bezug haben. Unterschieden wird dabei zwischen nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben. Nährwertbezogene Angaben beschreiben dabei lediglich, dass ein bestimmter Inhaltsstoff oder Nährstoff in dem Lebensmittel enthalten ist oder nicht bzw. weniger enthalten ist. Hierunter zählen Aussagen wie „proteinreich“, „zuckerfrei“ oder „Low Carb“.

Eine gesundheitsbezogene Aussage ist nach Artikel 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Die Gerichte haben dies in der Vergangenheit regelmäßig weit ausgelegt, auf konkrete Urteile wird später noch einmal eingegangen. 

Mit der Verordnung soll verhindert werden, dass Verbraucher:innen beim Kauf von Lebensmitteln mit falschen Versprechen getäuscht und in die Irre geführt werden. Gesundheitsbezogene Aussagen dürfen nur dann getätigt werden, wenn sie erfolgreich ein Zulassungsverfahren durchlaufen haben. Nährwertbezogene Angaben müssen die in der Verordnung festgelegten Bedingungen erfüllen. 

Regeln für gesundheitsbezogene Angaben

In der Health-Claims-Verordnung gilt das Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt. Das heißt, gesundheitsbezogene Werbung ist grundsätzlich verboten, es sei denn, die Verordnung erlaubt es explizit. 

Das bedeutet, eine gesundheitsbezogene Angabe ist nur dann zulässig, wenn sie zunächst den allgemeinen Anforderungen des zweiten Kapitels der Verordnung entspricht. Darin ist unter anderem geregelt, dass sie nicht mehrdeutig oder irreführend sein dürfen, nicht zum übermäßigen Verzehr des Lebensmittels anregen dürfen oder mit ihrer Darstellung bei Verbraucher:innen Ängste auslösen, aus denen Nutzen gezogen wird. Außerdem wird hier geregelt, dass Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent generell nicht mit gesundheitsbezogenen Angaben beworben werden dürfen. 

Bei Verwendung einer gesundheits- oder nährwertbezogenen Angabe muss außerdem immer eine Nährwerttabelle auf dem Lebensmittel mit abgedruckt werden. Befindet sich der Stoff, auf den sich die gesundheitsbezogene Angabe bezieht, nicht in der regulären Nährwerttabelle, muss dieser dort noch mit aufgenommen werden. 

Hinzu kommen die speziellen Bedingungen nach Kapitel IV der Verordnung, die bei gesundheitsbezogenen Angaben vorliegen müssen. Hier wird unter anderem festgelegt, dass ein Hinweis auf eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung und zur empfohlenen Verzehrmenge des Lebensmittels erfolgen muss. 

Wird eine nicht spezifische Angabe auf die Gesundheit im Allgemeinen gemacht, ist diese nur zulässig, wenn sie zusammen mit einer speziellen gesundheitsbezogenen Angabe verbunden ist, die nach der Health-Claims-Verordnung zulässig ist. Ist eine gesundheitsbezogene Angabe bisher noch nicht zugelassen, kann die Zulassung beantragt werden. In Deutschland ist ein Antrag beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit notwendig. 

Regeln für nährwertbezogene Angaben

Nährwertbezogene Angaben sind etwas klarer geregelt als gesundheitsbezogene Angaben. Auch hier müssen zunächst die allgemeinen Grundsätze eingehalten werden. So dürfen auch nährwertbezogene Angaben nicht irreführend oder doppeldeutig sein oder zum übermäßigen Verzehr des Lebensmittels ermutigen. Nährwertbezogene Angaben dürfen außerdem nur dann gemacht werden, wenn sie im Anhang der Tabelle aufgeführt werden.

Hier wird zum Beispiel festgelegt, dass ein Lebensmittel nur als „fettarm“ bezeichnet werden darf, wenn das Produkt im Fall von festen Lebensmitteln weniger als 3 Gramm Fett pro 100 Gramm oder weniger als 1,5 Gramm Fett pro 100 Milliliter im Fall von flüssigen Lebensmitteln enthält. Im Fall von teilentrahmter Milch liegt die Grenze bei 1,8 Gramm Fett auf 100 Milliliter. Die Angabe, dass ein Lebensmittel einen hohen Proteingehalt hat, darf nur dann gemacht werden, wenn der Proteingehalt 20 Prozent oder mehr des gesamten Brennwertes des Lebensmittels ausmacht. Hier ist zu beachten, dass die Regeln auch für ähnliche Formulierungen gelten. Man kann die Verordnung also nicht dadurch umgehen, dass das Produkt mit „High Protein“ anstatt „Hoher Proteingehalt“ beworben wird.

„Zuckerfrei“ und „bekömmlich“: Die Klassiker unter den Abmahnungen

Ein paar Begrifflichkeiten sind so beliebt, dass man schon von sogenannten Klassikern unter den Abmahnungen sprechen kann. Ein Beispiel ist die Bewerbung von Lebensmitteln, wie Wein oder Kaffee, mit dem Begriff „bekömmlich“. Getränke, die einen Alkoholgehalt von über 1,2 Prozent haben, dürfen ohnehin nicht mit gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden und beim Begriff „bekömmlich“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Aussage.

2020 hat das Landgericht München mit Verweis auf den BGH dazu ausgeführt: „Der Begriff ‚bekömmlich‘ wird, als ‚gesund‘, ‚zuträglich‘ und ‚leicht verdaulich‘ verstanden. Er bringt bei einer Verwendung für ein Lebensmittel zum Ausdruck, das Lebensmittel werde gut vertragen und im Verdauungssystem gut aufgenommen (vgl. BGH GRUR 2018, 1266 Rn. 37 - Bekömmliches Bier).“ Da diese nicht spezifische gesundheitsbezogene Aussage nicht in der Health-Claims-Verordnung aufgeführt ist, liegt beim Werben mit diesem Begriff ein Verstoß gegen die Verordnung vor. Auch wenn es sich um ein nicht-alkoholisches Getränk handelt, ist die Werbeaussage daher tabu.

Ebenso die Bezeichnung, dass ein Produkt zuckerfrei sei, findet man immer wieder unter den Werbeaussagen. Es ist nicht per se verboten, ein Produkt als zuckerfrei zu bewerben. Die HCVO legt allerdings fest, dass der Zuckergehalt bei 0,5 Gramm Zucker auf 100 Gramm beziehungsweise 100 Milliliter betragen darf. Erst dann ist ein Produkt rechtlich „zuckerfrei“.

Hinzu kommt, dass man die Bezeichnung nicht mit der Aussage „Ohne Zuckerzusatz“ verwechseln darf. Diese Aussage darf dann genutzt werden, wenn das Produkt keine zugesetzten Mono- oder Disaccharide oder irgendein anderes wegen seiner süßenden Wirkung verwendetes Lebensmittel enthält. Dabei muss zusätzlich darauf hingewiesen werden, dass ein Produkt von Natur aus Zucker enthält. 

Der „Monsterbacke Streit“

Wie weit gefasst der Begriff einer nährwert- beziehungsweise gesundheitsbezogenen Angabe wird, zeigt der Streit um den Früchtequark „Monsterbacke“. Das Produkt, welches speziell die Zielgruppe Kinder angesprochen hat, warb damit, dass es „so wichtig wie das tägliche Glas Milch“ sei. Die Aussage bezog sich auf den Kalziumgehalt des Quarks. 100 Gramm Quark hat so viel Kalzium wie 100 Gramm Kuhmilch.

Verbraucherschützer sahen in dieser Aussage eine Irreführung. Zum einen wurde kritisiert, dass vier Becher des Quarks nötig waren, um auf die gleiche Menge an Kalzium zu kommen, wie ein Glas Milch (0,2 Liter). Zum anderen wurde bemängelt, dass der Quark auf 100 Gramm mehr Zucker hat, als 100 Gramm Milch und somit eine ungesündere Alternative zum Glas Milch ist.

Der Streit ging durch viele Instanzen und dauerte fast fünf Jahre. Zum Schluss mussten sich sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinandersetzen, ob der Slogan stehen bleiben darf. Bis das Urteil gefällt wurde, hatte sich die Firma schon von sich aus dazu entschieden, den Slogan nicht mehr zu verwenden. Zum Schluss kam allerdings heraus: Es handelt sich um keine Irreführung (BGH, Urteil vom 12.02.2015 - I ZR 36/11). Allerdings darf er nicht alleine da stehen, sondern nur mit einem Hinweis auf eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung. 

Praxistipp für Händler:innen

Abschließend lässt sich sagen: Kaum ein Gebiet ist wohl so abmahngefährdet wie der Verkauf von Lebensmitteln. Händlerinnen und Händlern, die sich für Werbeslogans mit gesundheitsbezogenen Angaben entscheiden, sollten in Betracht ziehen, die Aussagen vorher juristisch überprüfen zu lassen, um eine Abmahnung zu verhindern. 

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Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Hanna Hillnhütter
Hanna Hillnhütter Expertin für: Verbraucherschutz- und Strafrecht

Hanna verschlug es 2012 für ihr Jurastudium vom Ruhrgebiet nach Leipzig. Neben dem Studium mit dem Schwerpunkt Strafrecht, spielte auch das Lesen und Schreiben eine große Rolle in ihrem Leben. Nach einem kurzen Ausflug in das Anwaltsleben, freut Hanna sich nun, ihre beiden Leidenschaften als Redakteurin verbinden zu können.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Hanna Hillnhütter

Kommentare  

#1 Uwe Bibrach 2024-02-27 08:50
Ich kann nicht nachvollziehen, warum unverarbeitete Lebensmittel nicht zur Gesundheit beitragen sollten. Beispielsweise werden unbehandelte Gewürze sogar medizinisch genutzt. Es ist verwirrend, dass Verbrauchern nicht mehr erklärt werden darf, wie diese auf unseren Körper wirken können - ein überliefertes Wissen unserer Vorfahren wird einfach ignoriert. Das könnte bedeuten, dass in Zukunft niemand mehr zwischen natürlichen und industriell hergestellten Lebensmitteln unterscheiden kann! Wer erlässt solche Gesetze? Mir scheint es so, als ob die Menschen bewusst unwissend gehalten werden sollen, damit verschiedene Lobbygruppen ihre Profite noch weiter steigern können.

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Antwort der Redaktion

Hallo Uwe,

die in der Health Claims Verordnung erlaubten Werbeaussagen sind Aussagen, die in Bezug auf das jeweilige Lebensmittel wissenschaftlic h geprüft wurden. Es geht also nicht darum, Wissen zurückzuhalten, sondern Verbraucher:inn en nicht durch nicht-nachgewie sene Behauptungen in die Irre zu führen.

Mit den besten Grüßen
die Redaktion
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