Rechtliche Einordnung

Was taugt die Argumentation von Temu gegen die Abmahnung der Verbraucherzentrale?

Veröffentlicht: 28.03.2024 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 28.03.2024
Weiblicher Detektiv in einer türkisen Jacke steht vor einem orangenen Hintergrund.

Der umstrittene Billig-Marktplatz Temu wurde von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) abgemahnt. Hintergrund sind verschiedene Praktiken, die aus rechtlicher Sicht irreführend seien und damit gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen könnten. Temu hat nun zu einzelnen Vorwürfen Stellung bezogen. Was taugt die Verteidigung aus rechtlicher Sicht?

Aggressive Werbung mit Rabatten

Der vzbv moniert unter anderem die Darstellung der krassen Rabatte: So werde mit Rabatten geworben, ohne dabei den Bezugspreis zu erläutern. Temu sagte dazu, dass die Referenzpreise aus dem stationären Handel stammen würden. Aber geht das überhaupt?

Laut der Preisangabenverordnung, die im Zuge der Omnibus Richtlinie angepasst wurde, muss bei Rabatten als Bezugspreis stets der günstigste Preis der letzten 30 Tage genannt werden. Bei dem Bezugspreis, auch Streichpreis genannt, muss es sich um den Preis handeln, der auf der konkreten Plattform oder dem Shop verlangt wurde. Ein Bezug zu Preisen in anderen Vertriebskanälen, wie etwa dem stationären Handel, ist unzulässig. Das ist auch ganz logisch: Der Rabatt soll für die Kundschaft in dem Moment, in dem sie den Rabatt sieht, transparent werden. Was nützt denn da der Preis im stationären Handel als Bezug, wenn man schon gar nicht weiß, wo dieses stationäre Geschäft ist?

Bei Stichproben fällt außerdem auf, dass bei vielen Produkten als Bezug die unverbindliche Preisempfehlung (UVP) angegeben wird. Auch dieser Bezugspreis ist eher kritisch zu betrachten, denn: Die UVP zeichnet sich meistens dadurch aus, eher selten tatsächlich verlangt worden zu sein. 

Hinzu kommt der Umstand, dass Produkte auf Temu faktisch ständig rabattiert sind und es daher unglaubwürdig wirkt, dass dort als Bezugspreis tatsächlich immer der niedrigste Preis steht, der aktuell in den letzten 30 Tagen verlangt wurde.

 

„Beeile dich! Über 126 Personen haben diesen Artikel in ihrem Warenkorb“

Als Zweites nimmt Temu zu dem Vorwurf des Einsatzes von Dark Patterns Stellung: Der Verbraucherzentrale Bundesverband moniert, dass mit Aussagen wie „Beeile dich! Über 126 Personen haben diesen Artikel in ihrem Warenkorb“ Druck aufgebaut werden soll. Zudem sind solche Dark Patterns seit dem Inkrafttreten des Digital Service Acts für sehr große Unternehmen im Februar 2024 verboten.

Temu bestreitet, dass es sich bei dieser Darstellung um ein Dark Pattern handle: Solche Informationen „sollen den Verbrauchern dabei helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen, und nicht manipulativ“ sein, heißt es dazu. 

Schauen wir uns doch mal kurz an, was Dark Patterns sind: Unter Dark Patterns versteht man Designs, die dazu verleiten, bestimmte Handlungen auszuführen. Dabei bedienen sie sich typischer Verhaltensweisen, wie etwa Unaufmerksamkeit, Bequemlichkeit oder dem Vorhandensein von Vorerwartungen. Eine typische Verhaltensweise ist übrigens auch FOMO – die Fear of missing out, also die Angst, etwas zu verpassen. Mit dieser „Angst“ spielen Billig-Marktplätze wie Temu ganz offensichtlich. Herablaufende Timer, begrenzte Angebote – und eben die Information, wie viele hundert andere Personen das Produkt bereits im Warenkorb haben. 

Allerdings trifft diese Strategie nicht nur auf Temu zu: So wird einem auch auf anderen Marktplätzen, wie etwa Etsy, angezeigt, wie viele Menschen sich gerade für ein Produkt interessieren. Nur passiert dies eben weniger aggressiv. 

Ob Temu aber tatsächlich rechtswidrig Dark Patterns einsetzt, lässt sich nicht konkret sagen, weil es schlicht noch keine ausreichende Rechtsprechung zum Digital Services Act gibt. 

Wie echt sind die Produktbewertungen?

Außerdem vermutet der vzbv, dass Temu schlechte Bewertungen zurückhält oder gar löscht. Das wäre natürlich rechtswidrig. Immerhin zeigt Temu an, dass es sich bei den Bewertungen um verifizierte hält. Damit wird ebenfalls eine Pflicht aus der Omnibus Richtlinie erfüllt

Das Unternehmen bestreitet das Unterdrücken von Bewertungen natürlich. Welche Seite am Ende im Recht ist, wird sehr wahrscheinlich auch eine Frage der Beweislast sein. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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Kommentare  

#1 lux 2024-03-28 10:45
Die Antwort von Temu ist so naiv, wie die eines kleinen deutschen Verkäufers der kaum Plan von den rechtlichen Erfordernissen hat und seine erste Abmahnung bekommt und dann einfach eine Antwort mit seiner Meinung schreibt und sein Vorgehen und seine Naive Sicht der Dinge erklärt. Kurze Zeit später muß er dann doch aufwachen, weil plötzlich die einstweilige Verfügung vom Gericht da ist.

Na wollen wir mal hoffen, dass die Verbraucherzent rale bereit und fähig ist den schwierigeren / riskanteren / teureren internationalen Rechtsweg zu gehen.
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