Hintergrund

Was ist Werbung, und was darf sie (nicht)?

Veröffentlicht: 11.08.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 14.08.2023
Plakat mit Aufschrift "Advertising" zwischen Bänken

Um sie kommt man jedenfalls im Online-Business selten herum: Werbung. Wer ein Produkt hat, das ein Bedürfnis von Konsumenten erfüllen kann, der tut gut daran, darauf aufmerksam zu machen – oder die Bedürfnisse gar selbst mittels Werbung zu kreieren. 

Wo Werbung in der freien Wirtschaft einen kaum zu unterschätzenden Einfluss haben kann, darf sie sich allerdings nicht alles erlauben. Da ist es wie mit Versprechungen im Allgemeinen: Wer das Blaue vom Himmel verspricht, hat es schwer, wenn es dann regnet. Dafür sorgen im Bereich der Werbung insbesondere die zahlreichen rechtlichen Vorschriften, die von den Werbeaussagen nicht zuletzt Substanz verlangen. 

Hier gibt es einen kleinen Überblick darüber, was Werbung ist, und was sie (nicht) darf. 

Werbung ist alles, aber was ist Werbung?

Werbung hat eine lange Tradition, man denke nur an Marktschreier oder die innovative Litfaßsäule. Ist dort ein Plakat angeschlagen, das auf ein Produkt aufmerksam macht, liegt die Annahme nahe, dass es sich um Werbung handelt, ebenso bei entsprechenden Clips oder Online-Anzeigen. Die Grenzen dessen, was Werbung sein soll, stecken solche offensichtlichen Beispiele aber wenig ab. Und auch der EuGH weiß: Werbung erschöpft sich keinesfalls in den klassischen Formaten (Urteil v. 11.7.2013, Rs. C-657/11).

Bevor man sich in die juristischen Tiefen vorwagt, vielleicht erstmal folgende Frage: Was könnte „Werbung“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeuten? 

Während sich jede und jeder diese Frage gern einmal selbst beantworten darf, folgt hier die Auffassung des Bundesgerichtshofes (Urteil v. 12.9.2013, Az. I ZR 208/12): Danach umfasst der Begriff (nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nicht anhand konkreter Gesetze) alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Neben der unmittelbar produktbezogenen Werbung umfasse das auch die mittelbare Absatzförderung – beispielsweise Imagewerbung oder Sponsoring. 

Auch so gedacht? Super. Nicht wirklich schlauer geworden? Möglich. 

Diese Definition ist tatsächlich sehr weitgehend und grenzt nicht so eindeutig ab, wie man es vielleicht gern hätte. Und es ist selbstredend nicht die einzige, wofür ausnahmsweise nicht allein die Juristerei verantwortlich ist: Wer der Auffassung ist, dass zwei Juristen nicht selten drei Meinungen vertreten, der werfe mal einen Blick in die wirtschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Begriff Werbung. Dort gibt es einen ganzen bunten Blumenstrauß an Definitionen. 

Werbung im Recht: Es kommt darauf an, natürlich

Zugegeben: Das Recht steht dem selbstverständlich in nichts nach. Eine universell verbindliche Definition existiert hier genau genommen gar nicht erst. Sowieso ist Werbung eine Querschnittsmaterie: Was Werbung ist und darf, dazu gibt es Regelungen in verschiedenen Bereichen, etwa 

  • produktspezifische Vorgaben (z.B. Arzneimittel, Tabak etc.)
  • medienspezifische Vorgaben (z.B. Telemedien) oder
  • standesrechtliche Vorgaben (z.B. für Rechtsanwälte oder Heilberufe).

Aber Butter bei die Fische: Praktisch besonders ausschlaggebend sind die Regeln rund um die Lauterkeit von Werbung, welche sich hierzulande insbesondere im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) finden. Dieses Gesetz benutzt den Begriff Werbung zwar an mehreren Stellen, so taucht er insbesondere in der sogenannten Schwarzen Liste häufig auf. Es schweigt sich aber dazu aus, was diese Werbung genau sein soll. 

Das UWG, bei dem es sich zwar um deutsche Gesetzgebung handelt, hat allerdings durch die EU-Gesetzgebung auch internationale Züge. Mit Blick auf die Richtlinie (2006/114/EG) versteht die Rechtsprechung unter Werbung insofern jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH, Urteil v. 10.7.2018, Az. VI ZR 225/17). 

„Äußerung“ meint dabei selbstredend nicht nur verbale Mitteilungen, sondern auch grafische oder bildliche Mitteilungsformen. Und es ist auch nicht nur die sogenannte Angebotswerbung gemeint, bei der ein Unternehmer etwa eine Ware zum Verkauf anbietet, sondern auch die Nachfragewerbung, bei der ein Kauf angeboten wird. Genauso muss Werbung nicht zwingend an die große Glocke gehängt worden sein, es können auch individuelle Aussagen darunter fallen. Für die Beurteilung entscheidend soll dabei die Sichtweise des angesprochenen Verkehrskreises sein, also der Gruppe, die durch die geschäftliche Handlung bzw. Werbung angesprochen wird. 

Beispiel: Ist eine Double-Opt-In-Mail für einen Newsletter Werbung?

Ein praktisch relevantes Beispiel für die Abgrenzung ist die sogenannte Double-Opt-In-Mail. Diese wird etwa im Rahmen einer Newsletter-Anmeldung an die E-Mail-Adresse versendet und behält einen Link bereit, der bestätigt werden muss. So soll sichergestellt werden, dass die Anmeldung tatsächlich im Sinne der Person geschieht, welcher die E-Mail-Adresse gehört. Hier haben sich die Gerichte immer wieder mal damit auseinandersetzen müssen, ob es sich dabei nicht bereits um Werbung handele – für die sie eine vorherige Einwilligung hätten einholen müssen.

Und tatsächlich gab es vereinzelt bestätigende Urteile. Das Argument: Die Bestätigungsmail stehe im unmittelbaren Zusammenhang mit der Förderung der Geschäftstätigkeit des Versenders. Zutreffenderweise wurde solchen Auffassungen aber ein Riegel durch den BGH vorgeschoben (Urteil v. 10.2.2011, Az. I ZR 164/09) – was nicht bedeutet, dass nicht dennoch Feingefühl angesagt ist. Geht so eine Mail über den besagten Zweck hinaus, etwa weil sie Angebote, Veranstaltungstipps oder auch nur die Kontaktaufnahme bei Fragen zum Newsletter benennt, war das bislang teils schon Grund für Gerichte, darin Werbung zu sehen (so etwa LG Stendal, Urteil v. 12.5.2021, Az. 22 S 87/20).

Ähnlich sieht das etwa mit E-Mail-Kundenzufriedenheitsbefragungen aus, und auch bei Geburtstags- oder Weihnachtsgrüßen eines Unternehmens wird es sich nur allzu oft um Werbung handeln, weil sie eben nicht nur eine nette Geste ist, sondern auch eine Äußerung, die die Förderung des eigenen Geschäfts bezweckt. Wichtig ist diese Einordnung in diesen Fällen, nicht weil es vom Gesetzgeber nicht gewünscht ist, das Kundinnen und Kunden zum Ehrentag gratuliert oder ihre Meinung zum Shop erfragt wird, sondern weil Werbung per elektronischer Kommunikation grundsätzlich von der vorherigen Einwilligung der Empfänger abhängt. 

Spitzenstellung: Wir sind die Besten, ein bisschen 

„Wir haben einfach das beste Produkt seiner Art“: Inhaltlich bewegt man sich als Werbetreibender schnell auf dünnem Eis, wenn man mit entsprechenden Argumenten hantiert, um Aufmerksamkeit zu generieren und dadurch letztlich das Verhalten der Adressaten im eigenen Sinne positiv zu beeinflussen. 

Dafür sorgt das UWG allein schon mit seiner schwarzen Liste, die verschiedene, gegenüber Verbrauchern verbotene werberechtliche Praktiken aufzählt, beispielsweise

  • die unerlaubte Verwendung von Gütezeichen wie bspw. Siegeln,
  • die unwahre Angabe über eine zeitliche Begrenzung eines Angebots,
  • die Darstellung gesetzlicher Verpflichtungen als Besonderheit eines Angebots („Werben mit Selbstverständlichkeiten“),
  • als Information getarnte Werbung,
  • die Angabe, dass der Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt gefährdet sei, wenn der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung nicht abnimmt, 
  • verdeckte Werbung in Suchmaschinen oder
  • Kaufaufforderungen an Kinder.

Was hier in der Liste steht, das ist per se verboten. 

Von großer Bedeutung ist aber auch das Verbot irreführender Werbung nach § 5 UWG. Eine solche Irreführung kann dann vorliegen, wenn eine unwahre Angabe oder eine zur Täuschung geeignete Handlung durch einen Unternehmer vorgenommen wird, die geeignet ist, den Angesprochenen zu einer Entscheidung zu bewegen, die er sonst nicht getroffen hätte. Das trifft etwa auf Aussagen zu, die schlichtweg nicht der Wahrheit entsprechen. Dabei muss es gar nicht final zu einer Täuschung kommen bzw. gekommen sein, es reicht schon aus, dass diese möglich ist. 

Ein bekanntes Beispiel für solche potenziellen Irreführungen ist die Alleinstellungs- oder Spitzengruppenwerbung. Der größte, schnellste, billigste oder die Nummer 1 – mit solchen Aussagen kann man werben, wenn sie denn zutreffen, und man vergleichbare Konkurrenten also tatsächlich mit offenbarem Abstand übertrifft. 

Ab ins Gefängnis? Werbung kann strafbar sein!

Das Werben mit Selbstverständlichkeiten wiederum findet sich nicht nur in der Schwarzen Liste des UWG, sondern ist ebenso eine besondere Form einer irreführenden geschäftlichen Handlung. Um hier in die Unlauterkeit abzurutschen, kann es schon ausreichen, dass der Eindruck erweckt wird, ein Detail sei eine Besonderheit des Angebots. Dass diese Angabe wirklich hervorgehoben wird, ist dabei grundsätzlich nicht erforderlich, wobei es natürlich dennoch auf die Art und Weise der konkreten Darstellung ankommt. Wo es zum Beispiel absolut in Ordnung und richtig ist, Verbraucher in einer Widerrufsbelehrung über die ihnen zustehenden Rechte aufzuklären, wäre eine Darstellung dieser Aspekte auf eine werbliche Weise problematisch. 

Abmahnungen von Verbänden oder Mitbewerbern, oder Ärger mit der Käuferschaft müssen dabei nicht die einzige Konsequenz unlauteren Werbens sein. Was häufig nicht bekannt ist: Das UWG enthält sogar eine Strafvorschrift. Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt, wird nach § 16 Abs. 1 UWG mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

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