Interview

Planung bis Übergabe: Die sichere und erfolgreiche Unternehmensnachfolge

Veröffentlicht: 14.12.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 14.12.2023
Geschäftsfrau bekommt Schlüssel überreicht

Entscheidungen über die Zukunft des Unternehmens sind trotz oder gerade wegen der vielen juristischen und formellen Fragen hochemotional und denjenigen, der sein Unternehmen in neue Hände abgibt, treiben jede Menge Fragen zur Zukunft des Unternehmens um.

Mit umfassendem juristischem Fachwissen und langjähriger Erfahrung begleitet Florian Lenck, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der HB E-Commerce Rechtsanwaltsgesellschaft, Unternehmen durch diesen anspruchsvollen Prozess. In einem Interview gewährt er uns Einblicke in die komplexe Welt der Unternehmensnachfolge. Von rechtlichen Fallstricken bis hin zu bewährten Strategien teilt der Experte sein Wissen über die Herausforderungen und Chancen mit, die mit der Weitergabe von Unternehmen einhergehen. 

Eine Unternehmensnachfolge erfordert auch psychologische Fähigkeiten

OnlinehändlerNews: Florian, stell dich doch mal kurz vor. Wie bist du zum Thema Handels- und Gesellschaftsrecht gekommen und welchen Bezug hast du speziell zur Unternehmensnachfolge?

Florian Lenck: Vielen Dank, dass ich dir heute Rede und Antwort stehen kann zu einem Thema, das mich als Rechtsanwalt schon länger begleitet. Mein Name ist Florian Lenck, ich bin 38 Jahre alt, und seit sieben Jahren als Rechtsanwalt tätig. 

Das Gesellschaftsrecht ist nicht nur juristisch anspruchsvoll, sondern erfordert auch psychologische Fähigkeiten, da Entscheidungen zur Unternehmensnachfolge in der Regel auch äußerst emotional sind. Fragen wie „Was passiert mit meinem Lebenswerk?“ und „Kommt es in gute Hände?“ stellen sich dabei oft. Auch der Umgang mit ausgeschlossenen oder nicht bedachten Familienmitgliedern bei einer familieninternen Nachfolge ist eine Herausforderung, für die man einiges an Fingerspitzengefühl braucht. Bereits während meines Studiums entwickelte ich daher und aufgrund des begeisternden Vortragsstiles meines damaligen Professors ein Interesse an diesem Rechtsgebiet.

Selbst gründen oder übernehmen? Wo liegen die Vor- und Nachteile und gibt es Unterschiede, welche Persönlichkeit sollte man jeweils mitbringen? 

Beides hat natürlich seine Vor- und Nachteile. Ich kann als Neugründer zunächst meine Ideen ohne äußere Einflüsse umsetzen und realisieren. Dadurch habe ich (fast) grenzenlose Freiheit und kann mich und mein Projekt selbst verwirklichen. Der Gründungsaufwand mit den entsprechenden Formalitäten ist jedoch eine Herausforderung. Der größte inhaltliche Aufwand besteht darin, das junge Unternehmen bekannt zu machen und eine Marktposition aufzubauen, was je nach Branche sehr aufwändig sein kann. Allerdings kann man seine Visionen hier ein bisschen selbstbestimmter umsetzen, als bei der Übernahme.

Dahingehend setzt man sich bei der Übernahme eines bereits bestehenden Unternehmens, das sich bereits positiv am Markt etabliert und im Idealfall eine bekannte Marke geschaffen hat, ins gemachte Nest und spart sich jede Menge an Formalitäten. In diesem Fall muss ich „nur“ weitermachen. Ein Nachteil könnte jedoch sein, dass alte, eingefahrene Strukturen vorhanden sind und trotz des Ausscheidens des (alten) Gesellschafters immer noch ein großer Einfluss besteht.

Better safe than sorry

Was sind deiner Meinung nach die wirklich wichtigen Themen bei der Nachfolge? Was sollte man vermeiden, wie geht man vor?

Wie der Name schon sagt, geht es um Unternehmen, unabhängig ob Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften. Das Eigentum an diesem Unternehmen soll dann im Rahmen einer Nachfolgelösung auf einen Dritten übertragen werden. Dieser Dritte kann z. B. ein Familienmitglied sein, aber natürlich auch ein sonstiger Dritter. Nachfolge bedeutet insoweit letztendlich unternehmerisch gesprochen, dass das Unternehmen von einer Person auf eine andere Person übertragen wird. Es gibt also eine familieninterne Nachfolge und eine sog. externe Nachfolge.

Bei der externen Nachfolge besteht die Herausforderung darin, einen geeigneten Käufer zu finden, der das Unternehmen im Sinne des bisherigen Inhabers weiterführt und natürlich den entsprechenden Preis bezahlt. Bei der Erbfolge besteht zusätzlich die Gefahr eines Erbstreits, insbesondere bei Familienunternehmen, was zu einem Liquiditätsentzug oder schlimmstenfalls sogar zur Zersplitterung oder Zerschlagung des Unternehmens durch streitende Familienmitglieder oder Erben führen kann.

Die nicht geregelte Managementfrage im Falle einer Nachfolge kann ebenfalls zu erheblichen Problemen führen. Daher ist es unbedingt erforderlich, vorher umfassende Regelungen zu treffen und gegebenenfalls während der Übertragungsphase die Gesellschaftsverträge anzupassen. Im Idealfall wurden diese Nachfolge-Szenarien bereits bei der Gründung bedacht und in entsprechenden Nachfolgeklauseln in den Gesellschaftsvertrag berücksichtigt. Zusätzlich können dann entsprechende testamentarische Verfügungen in Form eines sogenannten Unternehmer-Testaments getroffen werden.

Gibt es Fördermöglichkeiten für die Übernahme eines Unternehmens?

Ja. Sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen haben die Möglichkeit, öffentliche Fördermittel für die Finanzierung einer Nachfolge zu beantragen. Passende Förderprodukte sind bei der Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie auf der Webseite der KfW verfügbar.

Es bedarf Planung, Empathie und Flexibilität

Die Übernahme eines Unternehmens scheint eine Aufgabe mit vielen Stolpersteinen für beide Seiten. Wo kommt es am häufigsten zu Auseinandersetzungen zwischen Alt- und Neu-Leitung? Was rätst du den Betroffenen, damit ein Miteinander vor, während und nach der Übernahme funktioniert? 

Bei einem Verkauf eines Unternehmens geht die Rechtsnachfolge auf den Käufer über, der damit alle Rechte und Pflichten des bisherigen Eigentümers übernimmt. Dieser Prozess ist wichtig, um die Kontinuität des Unternehmens sicherzustellen und eine reibungslose Fortführung zu gewährleisten. Damit einher geht jedoch auch die Haftung für alle Verbindlichkeiten des (alten) Unternehmens.

Andererseits kann die Rechtsnachfolge auch Chancen bieten, beispielsweise durch den Zugang zu neuen Märkten oder Ressourcen. Insgesamt kann man sagen, dass eine Rechtsnachfolge viel Planung und Vorbereitung erfordert. Doch wenn sie erfolgreich umgesetzt wird, kann sie dem Unternehmen neue Chancen eröffnen und langfristige Stabilität gewährleisten.

Welche Pflicht siehst du vor allem bei den Verantwortlichen gegenüber den Mitarbeitenden, die sich oftmals fürchten, dass von heute auf morgen alles auf dem Kopf steht und ihre eigene Stelle bedroht werden könnte?

Die Ängste sind verständlich. Die Angestellten sind jedoch gesetzlich vor solchen Situationen geschützt. Bei einem Übergang des Unternehmens gilt grundsätzlich der § 613a BGB, welcher den gesetzlichen Betriebsübergang regelt und dahingehend auch den Übergang aller Arbeitsverhältnisse, welche im Zeitpunkt der Übernahme bestanden haben, absichert. 

Unabhängig von der juristischen Seite ist natürlich eine zeitige ausführliche Kommunikation und Information über den bevorstehenden Wechsel mit den Mitarbeitern unerlässlich. Nur so kann man Missverständnissen, Existenzängsten und sonstigen damit verbundenen Problemen präventiv entgegenwirken und Unsicherheiten idealerweise gar nicht erst entstehen lassen.

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Welchen Rat kannst du besonders jungen Unternehmern mit wenig Geschäftserfahrung geben?

Wer ein Unternehmen gründen will, sollte grundsätzlich einen (langfristigen) Plan haben und sich neben dem Status quo zunächst die Frage beantworten: Erstens: „Wo will ich hin?“, zweitens: „Was und wen benötige ich dafür?“, und drittens: „Wie bekomme ich das?“. Wer ein Unternehmen gründet oder übernimmt, muss sich bewusst machen, dass er Verantwortung übernimmt – für das Unternehmen, für Mitarbeiter und mittelbar auch für deren Familien. 

Am Anfang steckt man voller Tatendrang und zieht an einem Strang. Besonders bei einer gemeinsamen Gründung sollte man jedoch nicht völlig blauäugig ans Werk gehen, sondern sich auch auf harte Zeiten einstellen, in denen man sich mit seinen Partnern nicht (mehr) versteht. Solche Situationen kommen im Laufe der Zeit sehr wahrscheinlich vor und können im worst case in einem Gesellschafterstreit mit allen Konsequenzen vor Gericht enden. Hier können im Vorhinein aber ebenfalls entsprechende Regelungen getroffen werden, beispielsweise sollten klare Zuständigkeitsbereiche und Befugnisse schon im Gesellschaftsvertrag getroffen werden, die bei der Abgrenzung helfen.

Unternehmer, Firmennachfolger und Führungskräfte haben die Möglichkeit, sich entsprechendes Fachwissen gezielt in Seminaren oder einer IHK-zertifizierten Weiterbildung zum Thema Unternehmensnachfolge anzueignen. Besonders Fernlehrkurse eignen sich hervorragend, um sich berufsbegleitend und ortsunabhängig auf die Übernahme eines Unternehmens vorzubereiten.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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