Doppelte Enttäuschung

Was sind meine Rechte bei benutzter Retourenware?

Veröffentlicht: 17.01.2024 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 17.01.2024
Frau öffnet Paket

Durch zahlreiche Gesetze werden Verbraucherinnen und Verbrauchern jede Menge Zugeständnisse gemacht. Das Widerrufsrecht im Internet oder Erleichterungen bei der Beweisführung sind nur zwei Beispiele. Doch Verbraucher haben keinen Freifahrtschein. Ein Beispiel ist das Zurücksenden von benutzter Ware. Das Widerrufsrecht erlischt hier zwar nicht, es gibt aber Mittel und Wege für die betroffenen Unternehmen.

Zu Beginn dieses Jahres berichteten wir über eine der häufigsten Fragen im Zusammenhang mit Retouren im Online-Handel: Dürfen Kundinnen und Kunden (Saison-)Waren zurückschicken, die sie zuvor gebraucht haben und wenn ja, was kann ich tun? Viele unserer Leserinnen und Leser waren verärgert über diese Rechtslage und suchen nach Erklärungen, ob dem wirklich so sei und was man schlimmstenfalls tun kann. Hier kommt die Antwort.

Kein Irrtum: Widerrufsrecht erlischt nicht durch die Benutzung

Dem Verbraucher steht bei Internet-Bestellungen ein Widerrufsrecht zu. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Zugegeben, es gibt zwar ein paar wenige Ausnahmen, in denen von vornherein gar kein Widerrufsrecht besteht, so beispielsweise bei schnell verderblichen Waren oder personalisierten Objekten. 

Es gibt zudem Produktgruppen, bei denen der Widerruf nicht mehr möglich ist, wenn diese „versiegelt“ waren und die Versiegelung entfernt, und ein Widerruf aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht möglich ist (z. B. Medikamente). Voraussetzung ist jedoch auch für diesen Fall, dass eine vorhandene Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Gleiches gilt für Software oder CDs auf physischen Datenträgern. Artikel in einer versiegelten Packung können nicht zurückgesendet werden, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Aber: Die normale Cellophanverpackung ist keine Versiegelung. Um die soll es jedoch in diesem Artikel nicht gehen.

 

Bei den meisten online bestellten Produkten kann man sich jedoch nicht auf einen der wenigen Ausschluss- und Erlöschensgründe berufen. Und damit kommen wir auch schon zur nächsten wichtigen Erkenntnis: Das Widerrufsrecht ist durch ein Öffnen sowie durch das Benutzen oder gar Beschädigen nicht ausgeschlossen oder erloschen, denn das ist bis auf die Ausnahmefälle nicht im Gesetz genannt und auch an anderer Stelle findet dieser für den Online-Handel so wünschenswerte Grundgedanken keinen Niederschlag im Gesetz. Ähnlich sieht es aus, wenn die Verpackung bei der Retoure fehlt. Die Rücksendung der Ware ohne Originalverpackung ist keine Voraussetzung für eine wirksame Ausübung des Widerrufsrechtes.

Ergo: Für Ware, die geöffnet, benutzt oder beschädigt wurde, besteht trotzdem ein Widerrufsrecht. Im Gegenteil ist es Kundinnen und Kunden sogar ausdrücklich gestattet, den erworbenen Gegenstand zu prüfen und auszutesten.

Praxistipp: Das eigenmächtige Ergänzen in der Widerrufsbelehrung wäre zwar eine clevere Idee, bedeutet jedoch einen Freifahrtschein für die Abmahnindustrie. Jegliche Einschränkungen der Verbraucherrechte über das Gesetz hinaus sind unlauter.

Aber (und jetzt kommt die gute Nachricht): Unter bestimmten Voraussetzungen kommt immerhin ein Wertersatz infrage.

Ausschluss des Widerrufsrechtes kontra Wertersatz

Viele Händlerinnen und Händler haben argumentiert, dass es der Kundschaft bei Online-Bestellungen nicht anders als im Ladengeschäft auch möglich sei, die Ware lediglich anzuschauen und die Funktionsweise zu testen. Dies ist auch zutreffend. Das hat jedoch mit dem Ausschluss oder Erlöschen des Widerrufsrechts erst einmal nichts zu tun, sondern lediglich mit dem Wertersatz. Grundlage ist auch hier das Gesetz, nach dem die Kundschaft „Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten hat, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war“. Genau nachzulesen wäre das im Bürgerlichen Recht.

Entsprechend findet sich in der Widerrufsbelehrung ein Hinweis, der oftmals wie folgt lautet: „Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist“. 

Auslegungssache: Testen versus Benutzen

Üben Kunden ihr gesetzliches Widerrufsrecht aus, ist das also auch bei einem Benutzen oder Beschädigen ihr gutes Recht. Erst, wenn die gekauften Artikel aber über die notwendige Prüfung hinaus benutzt oder gar beschädigt werden, darf sich Online-Händlerinnen und -Händlern die Frage nach dem Wertersatz stellen. Und hier ist, so schön es in der Theorie erst einmal klingen mag, der Casus knacksus in der Praxis. Online-Händler müssen also hinnehmen, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher die Ware öffnen und im Zuge der Überprüfung in Gebrauch nehmen – auch wenn diese deshalb nicht mehr weiter verkäuflich sind, denn das Gesetz verbietet es nicht, die Ware zu prüfen. Beispielsweise ist das „Testschlafen“ auf einer online bestellten Matratze schon rechtskräftig für okay beschieden worden.

Nur der „nicht notwendige Umgang“ ist also per Gesetz eingeschränkt. Und hier dürften sich die Geister scheiden, was ist Prüfen, was ist mehr? Darf ich eine Espressomaschine, die ich im Ladengeschäft am Ausstellungsstück ebenfalls testen kann, auch online bestellen, auspacken und in Betrieb nehmen, um zu prüfen, ob sie meinen Ansprüchen genügt? Woran erkenne ich als Händlerin oder Händler, ob die Kundschaft ein kurzes Testliegen auf der Matratze gemacht hat oder der Nachwuchs ebendieser einem Trampolin-Härtetest unterzogen hat?

Bei der Beurteilung nach dem „Ob“ des Wertersatzes ist stets im Einzelfall zu entscheiden – insbesondere wann eine über die Prüfung hinausgehende Verwendung der Ware vorliegt, die zum Wertersatz berechtigt. Klingt für Unternehmerinnen und Unternehmer eindeutig: Ware geöffnet/beschädigt o. ä. = nicht statthafte Prüfung = Wertersatz? Aber so einfach ist es nicht.

Sprechen wir übers Geld: Was ist drin für Shops? 

Und im Anschluss kommt die nächste Frage: Wie hoch ist denn nun der Wertersatz? Und auch hier: Für die Berechnung des Wertersatzes gibt es keine festen Pauschalen und keine gesetzlich festgelegten Berechnungsparameter. Es kommt also auch in dieser Frage auf die Lage im Einzelfall an. Die Berechnung des Wertersatzes erfolgt im Grundsatz durch eine realistische Einschätzung, zu welchem Preis die Ware in dem aktuellen Zustand noch angeboten oder verkauft werden kann. Einzubeziehen sind beispielsweise auch anfallende Kosten für eine Reparatur oder Reinigung. Eine Überprüfung, ob der Wertersatz in der geschätzten Höhe dann tatsächlich entstanden ist, kann im Streitfall allerdings nur ein Gericht entscheiden.

Praxistipp

Viele Händlerinnen und Händler entscheiden zugunsten ihrer Kundschaft, weil sie diese nicht vergraulen wollen, oder negative Konsequenzen wie schlechte Bewertungen oder Repressalien auf Marktplätzen befürchten. Wiederum andere lassen sich die Dreistigkeit nicht gefallen und streichen im schlimmsten Falle die Erstattung des Kaufpreises komplett. Je nach Fall ist das eine Frage des Naturells. Je nach Geschmack und unternehmerischem Spielraum muss man sich dann jedoch auf Gegenwind gefasst machen. Verbraucher haben immer noch eine starke Lobby und dann muss im schlimmsten Fall das Gericht vom Vorgehen überzeugt werden. Eine Situation, die eher seltener zugunsten der Shops ausgeht, wie die zitierten Beispiele zeigen.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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Kontaktieren Sie Yvonne Bachmann

Kommentare  

#2 D.A. 2024-01-21 12:03
Und es fehlt nun ein weitergehender Text
1. Wie lange muss ich retournierte Ware anbieten, um noch einen Erlös zu erzielen?

2. Wie verbuche ich die Reinigung eines Kleides oder dessen Reparatur?

3.Wann darf ich abschreiben?

Das Fa sagt mir,der Wertverlust sei zwingend vom Kunden einzufordern, anders mein Privatvergnügen .
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#1 Aisteg 2024-01-17 15:21
Ich muss mich wieder melden. Bei dem Artikel auf den Sie sich ursprünglich beziehen, haben Sie mir schon unterstellt, den Widerruf nicht verstanden zu haben. Dabei haben Sie mein Kommentar nicht richtig verstanden. Sie stellten es so dar als hätte der Händler kein Möglichkeit sich zu wehren und das stimmt nicht.
Jetzt stellen Sie es so dar als hätte der Händler keine Chance vor Gericht sich zu wehren und nehmen das unselige Matratzen Urteil als Beispiel.

Ich bringe Ihnen den Gegenbeweis:
Bundesgerichtsh ofs (Az.: VIII ZR 55/1) zum Thema Widerrufsrecht im „Fall Katalysator“

Die Entscheidung des BGH
Entgegen der Auffassung des Landgerichts entschied der Bundesgerichtsh of in seinem Urteil vom 12.10.2016 (Az.: VIII ZR 55/1) zugunsten der Verkäuferin und nicht des Klägers.

Zur Begründung führte er aus, dass der Einbau des Katalysators in das Fahrzeug und die anschließende Probefahrt über die bloße Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsfähigk eit hinausgehe und unstreitig zu einer Verschlechterun g der Kaufsache führe.

Der Kläger schulde daher trotz des erfolgreichen Widerrufs Wertersatz, da das Widerrufsrecht dazu diene, die Risiken auszugleichen, die mit einer bloß virtuellen Begutachtungsmö glichkeit anhand von Fotos aufgrund der im Fernabsatz fehlenden Möglichkeit, die Ware vor Vertragsschluss in Augenschein zu nehmen, verbunden seien.

Das Widerrufsrecht diene aber nicht dazu, den Verbraucher besser zu stellen, als er bei Vertragsschluss in einem Ladengeschäft stünde. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle der Verbraucher mit der online gekauften Ware so umgehen können, wie er es in einem Ladengeschäft könnte. Dabei sei jedoch eine zulässige „Prüfung“ der Ware von einer „übermäßigen Nutzung“ abzugrenzen.
Eine Ware, die bestimmungsgemä ß in eine andere Sache eingebaut werden soll (hier der Katalysator), könne vom Käufer im Ladengeschäft regelmäßig nicht auf ihre Funktion im Rahmen der Gesamtsache geprüft werden, so der BGH. Eine solche Prüfung sei daher auch bei einem Fernabsatzvertr ag nicht unentgeltlich zu gewähren.
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