Dreist oder berechtigt?

Kunde will Versandkosten wegen zu früher Lieferung ersetzt haben

Veröffentlicht: 13.03.2024 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 13.03.2024
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In unserer Reihe „Dreist oder berechtigt?“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbraucher:innen, der Kundschaft und Beschäftigten unter die Lupe.

 

Normalerweise beschwert sich die Kundschaft eher, wenn das Produkt später ankommt als angegeben. Es geht aber auch andersherum, wie ein aktueller Fall zeigt: Der Kunde bestellt bei einem Möbelhaus eine Garnitur. Als Lieferzeit werden 20 bis 30 Tage angegeben. Es wird darum gebeten, dass bei der Lieferung eine Person mit anwesend ist, die dazu in der Lage ist, beim Entladen zu helfen. Bereits wenige Tage nach der Bestellung erhält der Kunde eine Nachricht, dass die Ware bereits innerhalb von zehn Tagen geliefert wird. Es wird ein Termin und ein Zeitfenster genannt.

Dem Kunden ist das zu kurzfristig und er macht daher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch. An dem besagten Termin kommt auch keine Spedition. Der Händler erstattet auch den bereits geleisteten Kaufpreis – zieht aber davon 250 Euro für den Widerruf ab. Der Kunde will sich das nicht gefallen lassen und verlangt auch dieses Geld zurück. Immerhin hat sich der Händler nicht an die Lieferzeitangabe gehalten. Zu Recht?

Grundsatz 1: Die Lieferzeitangabe ist keine Vereinbarung

Bei diesem Fall kommen gleich zwei Grundsätze zum Tragen. Beginnen wir erst einmal damit, was eine Lieferzeitangabe im Online-Shop überhaupt bedeutet. Mit der Angabe einer Lieferzeit erfüllen Händler:innen eine gesetzliche Informationspflicht. Ein genaues Datum muss im Rahmen dieser Informationspflicht nicht genannt werden. Es genügt die Angabe einer Zeitspanne. Die Kundschaft soll damit einfach in die Lage versetzt werden, zu entscheiden, ob das Gesamtangebot passt. Eine richtige Lieferzeitvereinbarung stellt diese Angabe allerdings nicht dar.

Von einer konkreten Lieferzeitvereinbarung spricht man dann, wenn eine nach dem Kalender bestimmte Frist abgesprochen wurde. Eine nach dem Kalender bestimmte Zeit liegt beispielsweise dann vor, wenn ein konkreter Termin (z. B.: 15.05.2024), ein bestimmter Monat (z. B. August 2024) oder eine feste Kalenderwoche (z. B.: 15. KW) angegeben wurde. Eine Zeitspanne von Tagen, die je nach Bestelldatum beliebig im Kalender verteilt ist, ist damit gerade keine nach dem Kalender bestimmte Zeit. Entsprechend begehen Unternehmen in der Regel keine Pflichtverletzung, wenn die angegebene Lieferfrist nicht eingehalten wird. 

Grundsatz 2: Der Widerruf kann auch vor Lieferung erklärt werden, aber …

Das Widerrufsrecht dient zwar der Prüfung der Beschaffenheit der Ware, allerdings darf der Widerruf auch vor dem eigentlichen Erhalt der Ware erklärt werden. Aber: Was ist dann eigentlich mit den Retourenkosten? In der Widerrufsbelehrung können Unternehmen schließlich festlegen, dass diese von der Kundschaft getragen werden sollen. Das ist auch dann der Fall, wenn der Widerruf vor der Lieferung erklärt wurde.

Allerdings darf hier das Unternehmen nicht einfach pauschal Retourenkosten verlangen: Es kommt hier entscheidend darauf an, ob das Unternehmen die Lieferung bereits veranlasst hat oder eben nicht. Liegt die Ware noch im Lager, dürfen die nicht entstandenen Kosten für den Rückversand auch nicht auf die Kundschaft abgewälzt werden.

Fazit: Auf den Stand der Lieferung kommt es an

Was aber bedeutet das für unseren Fall? Dass die Ware schneller kommt als angegeben, ist nicht weiter schädlich. Die Kundschaft muss in aller Regel damit leben, wenn die Ware früher oder später als angegeben geliefert wird. Bezüglich der Retourenkosten kommt es darauf an, ob der Händler zum einen eine korrekte Widerrufsbelehrung hat und ob sich zum anderen die Ware bereits im Lieferprozess befindet und dem Händler damit konkrete Kosten entstanden sind. Gehen wir davon aus, dass beide Voraussetzungen vorliegen, ist die Forderung des Kunden im Sinne dieses Formates dreist.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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