EuGH

Fehlende Widerrufsbelehrung: Kunde muss Elektroinstallateur nicht bezahlen

Veröffentlicht: 22.05.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 24.05.2023
Mann mit offenem Portemonnaie und anstatt Geld - ein trauriges Gesicht.

Die allermeisten Online-Händler kennen das Prinzip Widerrufsrecht ganz gut. Allerdings ist das Thema nicht nur für den Online-Handel relevant, sondern kann auch in ganz anderen Branchen handfeste Auswirkungen haben. So etwa in einem Fall, der kürzlich beim EuGH zur Vorabentscheidung lag: Ein Verbraucher hatte mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses geschlossen. Die Leistung wurde erbracht, die Rechnung geschickt; die Zahlung des Kunden allerdings blieb aus.

Stattdessen widerrief er den Vertrag – das Unternehmen hatte den Vertrag nämlich außerhalb seiner Geschäftsräume geschlossen, zugleich aber vergessen, den Kunden über das Widerrufsrecht zu belehren. Verhängnisvoller Weise, denn ein Anspruch auf Vergütung bestand so nicht mehr, und auch Wertersatz soll es laut der Entscheidung des EuGH nicht geben (Urteil v. 17.05.2023, Rs. C-97/22). 

Kein Wertersatz bei fehlender Belehrung trotz Leistungserbringung? Gericht fragt nach

Fehlt eine Widerrufsbelehrung dort, wo sie angezeigt wäre, kann das diverse Konsequenzen haben: So wird etwa die 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt, innerhalb derer Verbraucher sich üblicherweise vom entsprechenden Vertrag lösen können. Stattdessen haben Verbraucher dann in vielen Fällen ganze 12 Monate und 14 Tage Zeit. Immerhin: Kommt es dann zum Widerruf, kann der Verkäufer die jeweilige Ware grundsätzlich immerhin zurückfordern, wobei der Kunde ebenfalls seine Leistung zurückerhält.  

Besonders herb können die Auswirkungen aber im Bereich der Erbringung von Dienstleistungen sein: Versäumt es der Unternehmer hier, den Verbraucher über das ihm zustehende Widerrufsrecht zu informieren, dann muss der Kunde nicht für die Dienstleistung aufkommen, die bis zum Widerruf bereits erfolgt ist – also nicht dafür bezahlen. Auch nicht, wenn die Dienstleistung schon vollständig erbracht worden ist.

Dem Unternehmen könnte im Gegenzug ein Anspruch auf Wertersatz zustehen. Doch diesen macht das Gesetz davon abhängig, dass der Unternehmer die Voraussetzungen dafür eingehalten hat, wozu etwa die rechtskonforme Information über das Widerrufsrecht gehört. Gibt es die nicht, weil der Unternehmer das Widerrufsrecht in Gänze vergessen hat, sieht es auch mit dem Wertersatz nicht gut aus. Oder doch?

Europäischer Gerichtshof gibt klare Antwort 

Das war im Grunde die Frage, mit der sich das deutsche Gericht, das über den Fall entscheiden muss, an den Europäischen Gerichtshof wandte. Es stimmte dem Verbraucher zwar zu, dass er in diesem Fall keine Vergütung mehr leisten müsse, doch beim Wertersatz war es sich nicht ganz so sicher. Im Raum stand, dass es sich beim vollständigen Ausschluss des Wertersatzes um eine unverhältnismäßige Sanktion im Sinne der Richtlinie handeln könnte, auf deren Regelungen die entsprechenden deutschen Vorschriften beruhen.

Auf die Frage, ob der Verbraucher im Zuge seines Widerrufs nach Vertragserfüllung tatsächlich nichts zu zahlen habe, antwortete der EuGH in aller Klarheit: Ja. In dem Fall, dass der betreffende Unternehmer die Bereitstellung der nötigen Informationen vor dem Abschluss eines Vertrages außerhalb von Geschäftsräumen unterlässt und der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, sei der Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreit, und auch ein Wertersatz komme nicht infrage.

Dabei weist die Entscheidung auch auf das Ziel der Richtlinie hin, die Sicherstellung eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Die vorvertragliche Information über das Widerrufsrecht sei hierbei für Verbraucher von grundlegender Bedeutung. Könnten nun aber Kosten entstehen, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind, und das, obwohl er nicht korrekt über sein Widerrufsrecht informiert wurde, würde das dem Ziel der Richtlinie zuwiderlaufen. „Hat der betreffende Unternehmer es unterlassen, einem Verbraucher diese Informationen bereitzustellen, muss dieser Unternehmer somit die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags während der Widerrufsfrist [...] entstanden sind“, heißt es in der Entscheidung. 

 

Für Unternehmen, die Dienstleistungen gegenüber Verbrauchern erbringen und dabei entsprechende Verträge beispielsweise über Online-Shops schließen oder außerhalb von Geschäftsräumen wie hier, kann das Bestehen des Widerrufsrechts böse enden, wenn man es nicht kennt oder auch nur vergisst. Mit den nötigen Vorkehrungen kann ansonsten dafür gesorgt werden, dass der Dienstleister unproblematisch mit seiner Arbeit beginnen kann, ohne solche Konsequenzen fürchten zu müssen. 

Über den Ausgang des Falls selbst muss nun grundsätzlich das zuständige deutsche Gericht eine Entscheidung fällen, da der EuGH im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren lediglich die Auslegung europäischer Vorschriften beurteilt. 

Kommentare  

#8 Torsten 2023-05-24 15:26
So wie ich das sehe, ist Justitia tatsächlich blind. Der Verbraucher beruft sich darauf, keine Kenntnis über die Möglichkeit eines Widerrufs gehab zu haben. Nun stellt sich die Frage wie man etwas widerrufen kann, wenn man nicht weis das es überhaupt möglich ist.
Hier ist aus meiner Sicht ein Vorsatz beim Verbraucher wenn nicht sogar Heimtücke zu sehen und nicht allein deshalb das Urteil falsch.
Zitieren
#7 Bettina 2023-05-24 14:28
Das ist wirklich ein Unding! Armes Deutschland kann man da nur sagen und der Richter gibt dem auch noch recht!

Es ist zu 80 % im Handwerk immer so, dass der Handwerker zum Kunden fährt und sich die Baustelle anschaut. Daraufhin macht er sein Angebot! Der Kunde bekommt das Angebot und nimmt es an oder nicht und unterschreibt auch dafür! Und nun soll der Kunde am besten in die Geschäftsräume des Handwerkers fahren? ... oder der Handwerker soll eine Widerrufsformul ar beifügen? --- Echt nicht mehr zu toppen! Wenn das die Runde macht.... Deutschland besteht nur noch aus irrsinnigen Gesetzen, die an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten sind!
Zitieren
#6 anja 2023-05-23 13:11
tja, früher hieß es, daß alles was ohnehin gesetzlich geregelt ist, nicht extra vereinbart werden muß bzw. anderweitige angaben ungültig sind. heute muß man alles dem "dummen" kunden zigmal hinlegen, was er eh nicht liest bzw. sowieso fast überall gleich drin steht. und wie sich zeigt, hat dieser kunde wohl die widerrufsbelehr ung sehr wohl gekannt, um das nicht extra darauf hinweisen so schamlos ausschlachten zu können. allerdings heißt es doch auch, daß die ware bis zur bezahlung eigentum des verkäufers bleibt. was denn damit ???? somit sind die verbauten elektroinstalla tionen immer noch eigentum des unternehmers !! und zumindest das müßte der kunde zahlen oder eben zurückgeben ggf. dann selbst ausbauen oder von einem anderen ausbauen lassen (sofern noch jemand für ihn arbeiten will). selbstverständl ich muß das material dann im neuwertigen zustand sein oder der kunde muß es ersetzen bzw. für die wertminderung aufkommen. WAS, bitteschön, ist den DAMIT ?!?? denn schließlich gibt es dieses gesetz bei widerruf ebenso: ware zurück an den verkäufer !! werden die gesetze mal wieder nur einseitig durchgesetzt oder wie ?
Zitieren
#5 anja 2023-05-23 11:51
mich wundert es nicht mehr, wenn das handwerk in deutschland ausstirbt. für mich klingt das auch nicht nach dienstleistung, sondern elektroinstalla tion, also handwerk. bei solchen kranken gesetzen und gerichtsurteile n wird es zeit, daß die handwerksbetrie be und rechtschaffende n dienstleister ihre unternehmen aus deutschland abziehen. die grundlage ist zur zeit dafür ohnehin mehr als mies und war zuvor schon von gesetzen und auflagen gebeutelt gewesen, doch solche dinge klingen für mich schon fast nach genau geplantem vorgehen. es scheinen ja keine mängel vorzuliegen, was etwas anderes wäre. solche dinge sollten eher vor einen bürgerentscheid als vor ein sog. gericht, das nur nach paragraphen urteilt ohne gewissen, moral und gesunden menschenverstan d. wer jammert, daß es hierzulande mittlerweile zuwenig fachkräfte gibt, der sollte sich eher mal fragen, warum überhaupt noch welche bleiben.
Zitieren
#4 Stefan 2023-05-23 11:22
Man gibt also dem armen Konsumenten alle Rechte in die Hand, etwas nicht bezahlen zu müssen. Fair! im Gegenzug bürdet man dem Unternehmen alle Pflichten auf. Wohl auch fair! Und das alles unter dem Schutzschirm des Gesetzgebers.

Kein Ende in Sicht, da geht noch was in der Eudssr. Und es braucht sich keiner über die EU aufregen, der lokale Gesetzgeber war ja dabei und befand es für gut.
Zitieren
#3 Stefan 2023-05-23 11:06
Was sind die nötigen Vorkehrungen? Eine Widerrufsbelehr ung haben und erst nach Ablauf der Widerrufsfrist mit den Arbeiten beginnen? Kann der Kunde die 14-tägige Widerrufsfrist verkürzen?

________________________________________

Antwort der Redaktion

Hallo Stefan,

das ist eine Möglichkeit, ja. Der Kunde kann aber auch zustimmen, dass mit der Arbeit eher begonnen wird und dafür auf sein Widerrufsrecht verzichten. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es überhaupt eine vernünftige Widerrufsbelehr ung gab und entsprechend die Einwilligung eingeholt wurde. Das ganze gibt es übrigens auch bei Downloadprodukt en. Hier bestünde sonst das gleiche Problem. Mehr kannst du hier nachlesen: onlinehaendler-news.de/.../...

Mit den besten Grüßen
die Redaktion
Zitieren
#2 Sven 2023-05-23 10:45
Ganz ehrlich ? So langsam wird es lächerlich was das Thema angeht. Entweder fehlt hier die Hälfte an Informationen die man braucht um den Fall richtig zu verstehen oder ein gewitzter Anwalt hat hier die Chance genutzt um die Zeche zu prellen.

Hin und Her was was das Thema Widerrufsrecht angeht. Eine Leistung wurde vereinbart und anscheinend ordentlich vollbracht. Was jetzt kommt ist ein reiner juristische Aberwitz der seines gleichen sucht.

Da sag ich nur armes Deutschland ^^
Zitieren
#1 Michaela Zang 2023-05-23 09:00
Wo bleibt hier die Moral des Verbrauchers? Unsere Gesetzgeber befürtorten ja noch das Betrügen. Wo soll das noch hinführen? Recht hin oder her, eine vollbrachte Dienstleistung ist zu zahlen. Ich würde mich als Kunde schämen so zu handeln.
Zitieren

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.