„Disziplinierung der Presse“

Beirat „Junge Digital Wirtschaft“ blamiert sich mit Positionspapier

Veröffentlicht: 14.07.2021 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 14.07.2021
StartUp-Team

Der Beirat für „Junge Digitale Wirtschaft“ (BJDW) wollte die Bedingungen für StartUps in Deutschland verbessern. Vor allem die Berichterstattung im Rahmen von Börsengängen junger Tech-Unternehmen stieß den Mitgliedern des Beirats offenbar auf. In einem Positionspapier zum Thema „Börsengänge Deutscher StartUps“ forderten die Unternehmer und Investoren deshalb eine „Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information“. Das Handelsblatt hatte zuerst über die Forderungen berichtet, die rund zwei Monate über die Website des Bundeswirtschaftsministeriums aufrufbar waren.

Altmaier ließ das Papier umgehend entfernen

Die Medien sollten nach Ansicht der Autoren verpflichtet werden, auch über kleine Börsengänge zu berichten, damit diese nicht „durch das Raster fallen“. Dazu solle die Regierung „Regeln zur Vermeidung einseitig diffamierender Artikel“ erlassen. Denn, so das im Positionspapier angeführte Argument, Finanzredakteure hätten es sich angewöhnt, Börsengänge von Jungunternehmen in einem vergleichsweise schlechteren Licht darzustellen. 

Die in dem Positionspapier dargelegten Forderungen stellen allerdings einen beträchtlichen Eingriff in die Pressefreiheit dar. Auf Twitter wurde nach Bekanntwerden des Papiers scharfe Kritik geäußert. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier teilte über Twitter mit, dass das Positionspapier von der Webseite des Ministeriums entfernt wurde – es ist allerdings noch an anderen Stellen im Netz weiter aufrufbar.

Mit-Autoren sprechen von einer „Einzelmeinung“

Was folgte, waren viele Entschuldigungen und Distanzierungen. Ratepay-Gründerin Miriam Wohlfarth erklärte beispielsweise über Twitter, dass sie es „versäumt“ habe, das Positionspapier „vor der Veröffentlichung zu überprüfen“. Bei den dargestellten Forderungen handele es sich um eine „Einzelmeinung“, die nun die Arbeit der Mitglieder des Beirats beschädigt habe. Auch Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer distanziert sich nach Angaben des Spiegels von dem Positionspapier und will es ebenfalls vor der Veröffentlichung nicht gelesen und freigegeben haben – obwohl sie als Mit-Autorin aufgeführt ist. Mit-Autor Alex von Frankenberg distanzierte sich ebenfalls von dem Papier und erklärte auf LinkedIn, eine Prüfung vor Veröffentlichung versäumt zu haben.

Im offiziellen Statement des BJDW heißt es, bei dem Positionspapier habe es sich um ein „falsches und veraltetes Dokument“ gehandelt. Der Beirat habe eine agilere Arbeitsweise eingeführt, durch die sich die Entscheidungsprozesse in den vergangenen Monaten stark verändert hätten. „Wichtige Checks-and-Balances-Vorgänge, die für eine solche Arbeit fundamental sind, haben in diesem Moment nicht ausrechend stattgefunden.“ Der BJDW bekräftigte, sich der Pressefreiheit verpflichtet zu fühlen.

Der Vorfall hat Konsequenzen

Die kritisierten Passagen in dem Positionspapier stammen offenbar aus der Feder des Investors Christoph Gerlinger. Er gab sich als Autor zu erkennen und räumte Fehler ein: „Ich möchte mich bei allen Journalistinnen und Journalisten dafür entschuldigen, bedauere es außerordentlich und übernehme die Verantwortung dafür, dass eine unpassende und missverständliche Formulierung von mir aus einem frühen Teilkonzept des Positionspapiers aufgrund eines handwerklichen Fehlers in der finalen, veröffentlichten Fassung gelandet ist“, so Gerlinger auf LinkedIn. Der Investor hat Peter Altmaier seinen Rücktritt als Mitglied des BJDW angeboten – der Bundeswirtschaftsminister akzeptierte den Rücktritt. 

Im Gespräch mit dem Spiegel habe Gerlinger seine Medienkritik untermauert: „Es gab relativ viel negative Berichterstattung zu Börsengängen deutscher Techunternehmen, wo das meines Erachtens nicht wirklich ausgewogen war“, moniert der Investor. Trotzdem wolle der Investor die Pressefreiheit nicht einschränken, betonte er. Mit seiner Formulierung habe er vor allem versucht, einen Bezug zum Pressekodex herzustellen, der die Presse zu einer ausgewogenen und richtigen Berichterstattung verpflichtet.

Über den Autor

Michael Pohlgeers
Michael Pohlgeers Experte für: Marktplätze

Micha gehört zu den „alten Hasen“ in der Redaktion und ist seit 2013 Teil der E-Commerce-Welt. Als stellvertretender Chefredakteur hat er die Themenauswahl mit auf dem Tisch, schreibt aber auch selbst mit Vorliebe zu zahlreichen neuen Entwicklungen in der Branche. Zudem gehört er zu den Stammgästen in unseren Multimedia-Formaten, dem OHN Podcast und unseren YouTube-Videos.

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Kommentare  

#2 Heidemann 2021-07-16 16:25
Das war alles ! genau so gemeint, wie es da Stand !
alles andere sind nur ausreden /beschwichtigungen.
Start Up´s sind der Sargnagel jeglicher selbständigkeit - mit diesen Geldern für durchschnittlic h Müll und viel getöne - könnten hunderttausende selbständige in Ruhe Arbeiten und Neues Schaffen, wenn es Ihnen denn vergönnt sei.
mit den ganzen Gesetzen der letzten Jahre /vor allem auch 2021 stehst Du stattdessen, bevor Du es bemerkst schon im Knast und/ oder versinkst im Schuldenberg.
und wenn´s denn einmal eine dieser asozialen Geldabpumpmasch inen es schafft, an die Börse zu kommen, dann muss man sich das auch noch auf sein trocken Brot schmieren lassen !
natürlich ohne die Start Up´s müsste einige Schaumweinprodu zenten den Betrieb einstellen, weil es dann kaum noch etwas zu Feiern geben würde.
Mein Wort zum Freitag (Auszug)
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#1 MichaelWiechert 2021-07-15 08:14
Dann wollen wir mal hoffen dass die beiraete zumindest ihre Börsenprospekte vorher lesen wenn sie es schon nicht mit ihren Positionspapier en tun
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