FDP-Blockade

Deutschland wird der EU-Lieferketten-Richtlinie nicht zustimmen

Veröffentlicht: 07.02.2024 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 07.02.2024
Christian Lindner

Eigentlich galt die Sache als beschlossen: Im Dezember einigten sich 27 Unterhändler:innen der EU auf den Inhalt der EU-Lieferketten-Richtlinie. Die Zustimmung des Rates der EU-Mitgliedstaaten, sowie des Parlaments galt – wie bei der Gesetzgebung der EU üblich – als Formsache. Dafür hat man sich ja schließlich bereits im Dezember zusammengesetzt. Allerdings wurde nun bekannt, dass Deutschland seine Stimme doch enthalten wird. Der Grund dafür ist wohl die FDP.

Kurz erklärt: Lieferkettengesetze 

Neben dem EU-Vorhaben hat Deutschland bereits ein eigenes Lieferkettengesetz, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten müssen Menschenrechtsverletzungen und Umweltsünden in ihrer eigenen Lieferkette verhindern. Von dem Gesetz sind in Deutschland etwa 2.900 Unternehmen betroffen.
Die EU-Lieferketten-Richtlinie geht weiter: Diese will Unternehmen ab 500 Beschäftigte in die Pflicht nehmen. 

 

Zu viel Bürokratie

Bereits kürzlich stellte sich die Frage, ob die FDP eine Blockade der EU-Lieferketten-Richtlinie bewirken wird. Man nannte das Vorhaben einen „Bürokratie-Burnout“. Die „unverhältnismäßigen bürokratischen Hürden“ würden „die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und der europäischen Wirtschaft bedrohen“. Finanzminister Lindner und Justizminister Buschmann, beide bekanntlich von der FDP, bleiben auch bei ihrer Kritik, während Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zuletzt versucht hatte, noch zu vermitteln. So schlug er einen Kompromiss vor, bei dem es keine doppelten Berichtspflichten geben sollte. Das hätte weniger Bürokratie zur Folge gehabt. Auch sollte verankert werden, dass große Unternehmen ihre Berichtspflichten eben nicht auf die kleineren Unternehmen abwälzen können, die gar nicht vom Gesetz betroffen sind. All das hat nichts gebracht. Die Kompromissversuche sind beendet.

Doch warum kommt der Widerstand gerade jetzt? Wie die Tagesschau berichtet, kritisiert die FDP, dass die Unterhändler:innen ihr Mandat überschritten hätten. 

Unklare Zukunft der EU-Lieferketten-Richtlinie

Da die FDP dem EU-Vorhaben nicht zustimmen wird, muss sich Deutschland nun bei anstehenden Abstimmungen enthalten. Für Heil ist diese Blockade „ideologisch motiviert“. Man werde bei den anderen Partnern der EU auf Unverständnis treffen. 

Im Vorfeld wurde darüber diskutiert, dass die Enthaltung keine Auswirkungen haben dürfte. Das sieht nun aber anders aus: Auch andere EU-Mitgliedstaaten haben ihre Zweifel angemeldet, womit unklar ist, ob das Vorhaben noch eine Mehrheit bekommt.

Sozialverbände enttäuscht, Wirtschaftsverbände erfreut

Für die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist die Blockade ein wichtiges Zeichen. Auch andere Wirtschaftsverbände begrüßen diesen Weg. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) dürfte die Enthaltung begrüßen. Im Vorfeld hieß es aus dem Verband, dass der EU-Lieferketten-Richtlinie „komplett wirklichkeitsfremde Vorstellungen zugrunde [liegen], die den Unternehmen uneinlösbare Pflichten aufbürden würden.“ 

Umwelt- und Sozialverbände finden jedenfalls auch klare Worte. „Die deutsche Enthaltung ist ein fatales Signal an alle Menschen, die weltweit von Ausbeutung, moderner Sklaverei, Vertreibung und Urwaldzerstörung betroffen sind", teilte Armin Paasch von der Hilfsorganisation Misereor mit. Germanwatch spricht von einem erschreckenden Maß „an europapolitischer Verantwortungslosigkeit“ und wirft dem Bundeskanzler Scholz weiter vor, dass sich die Regierung vom kleinsten Koalitionspartner die Agenda diktieren lasse. Vom WWF kommt die Aufforderung, dass Scholz seine Richtlinienkompetenz nutzen solle. 

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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Kommentare  

#3 TT 2024-02-07 14:53
Weg mit noch mehr Bürokratie. Wenn Deutschlanld wirtschaftlich noch weiter konkurrieren können will, dann müssen solche weiteren Formalismen aufhören.
Ich betreibe ein kleines Unternehmen und Jahr für Jahr kommen neue Auflagen aus Brüssel dazu.
Es bräuchte weitere Mitarbeiter, um das alles zu stemmen.
Jetzt spüren wir zunehmend alle die Rezession und da haben wir alle bald andere Sorgen, als sich um das Wohlergehen in anderen Ländern zu kümmern. Umsatzrendite 2022 noch 19%, nun 2023 nur 2%.
Wir können uns das bald nicht mehr leisten. Und um uns wird sich dann kein anderes Land noch kümmern.
Der Gürtel wird für alle in den nächsten Jahren enger. Nur will es niemand glauben.
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#2 K.I. 2024-02-07 12:40
Wettbewerbsfähi gkeit der deutschen und der europäischen Wirtschaft ist wichtiger als die weltweite Ausbeutung, moderne Sklaverei, Vertreibung und Urwaldzerstörung.
Ich denke das die FDP bei den nächsten Wahlen endlich wieder unter 5% bleibt.
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#1 Jörg Kuhn 2024-02-07 10:38
Das wieder mal Umwelt- und Sozialverbände protestieren ist ja klar.

Ich würde dazu raten das die Architekten solcher Modelle nicht nur eine dumme Idee nach der anderen Kundtun sondern ihre Entwürfe mit dem eigenen Unternehmen/Gel d ausprobieren und erst bei nachweisbar, reibungsloser Funktionalität, öffentlich machen.
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