Dreist oder berechtigt

Kundin schickt zerkratzten Schuhschrank zurück

Veröffentlicht: 27.09.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 27.09.2023
Schuhschrank
In unserer Reihe „Dreist oder berechtigt“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbrauchern, Kunden und Arbeitnehmern unter die Lupe.

 

Wieder einmal geht es um das Widerrufsrecht: Eine Kundin bestellt bei einem Möbelhändler einen Schuhschrank. Als er ankommt, baut sie ihn auf. An kniffligen Stellen rutscht sie wenige Male mit dem Schraubendreher ab und verursacht leichte Kratzer im Lack. Als der Korpus steht, stellt sie aber fest, dass der Schuhschrank doch nicht ganz auf ihre Bedürfnisse passt. Sie baut ihn auseinander, verpackt ihn und schickt ihn mit dem Retourenetikett zurück. Als der Händler den Schrank auspackt, bemerkt er die Kratzer. Als Neuware kann er den Schrank so nicht verkaufen. Er behält zehn Prozent vom Kaufpreis ein und überweist den Rest zurück. Die Kundin verlangt nun die vollständige Erstattung. Zu Recht? 

Grundsatz: Beschaffenheitsprüfung erlaubt

Um zur Lösung des Falles zu kommen, muss man sich zunächst anschauen, welchen Sinn und Zweck das Widerrufsrecht überhaupt verfolgt: Die Kundschaft soll Gelegenheit zur Beschaffenheitsprüfung bekommen. Damit soll die Brücke zwischen dem stationären und dem virtuellen Handel geschlagen werden. Da im stationären Handel Möbel eher selten einfach nur in Einzelteilen da stehen, dürfen Verbraucher:innen online erworbene Stücke aufbauen und auch in einem gewissen Umfang testen. Überschreiten sie die Grenze der Beschaffenheitsprüfung und entstehen dadurch Schäden, so haben Händler:innen einen Anspruch auf Wertersatz. Schäden, die im Rahmen der Beschaffenheitsvereinbarung entstehen, sind in der Regel aber hinzunehmen. 

Fazit: Keinen Anspruch auf Wertersatz

Die Gretchenfrage, die uns für diesen Sachverhalt also zur Lösung führt, ist die, ob die Kratzer im Rahmen der Beschaffenheitsvereinbarung entstanden sind. Wie erwähnt, durfte die Kundin den Schuhschrank aufbauen. Bei dem Aufbau eines Möbelstücks kann es besonders bei nicht so gut erreichbaren Stellen schon einmal dazu kommen, dass man mit dem Werkzeug abrutscht und feine Kratzer entstehen. Solange es sich nicht um größere Schäden handelt, die entstanden sind, weil die Kundschaft beim Aufbau nicht die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen, muss das Unternehmen kleinere Beschädigungen in der Regel hinnehmen. Entsprechend hat die Kundin einen Anspruch auf die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises. Gerade Unternehmen, die Möbel verkaufen, sollten daran denken, dass retournierte Ware möglicherweise „nur noch“ als B-Ware verkauft werden können und entsprechend ihre Preise kalkulieren. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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