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Mädchenflohmarkt-Insolvenz: Welche Rechte haben Betroffene? (Update)

Veröffentlicht: 07.08.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 07.08.2023
Sparschweine, Taschenrechner und Münzen

Seit Monaten häufen sich die Beschwerden über die Online-Plattform Mädchenflohmarkt, die auf das Kaufen und Verkaufen von gebrauchter (Designer)Mode spezialisiert ist. Wie die Verbraucherzentrale berichtet, erhielten Nutzer:innen zuletzt gar kein Geld für ihre verkauften Produkte ausgezahlt oder mussten lange darauf warten (wir berichteten). Was schon seit einiger Zeit gemunkelt wurde, ist nun jedoch amtlich: Die Plattform für gebrauchte Kleidung ist zahlungsunfähig und musste mit gestern veröffentlichtem Beschluss Insolvenz anmelden. Doch was bedeutet das für die zahlreichen noch offenen Forderungen, die die User:innen haben?

Wie wird das Insolvenzverfahren von Mädchenflohmarkt ablaufen?

Um die eigenen Rechte einordnen und das Ganze etwas besser verstehen zu können, muss man sich ganz kurz mit dem Insolvenzrecht befassen.

Ab dem Tag des Insolvenzantrags treten die herkömmlichen und bekannten Rechte in den Hintergrund und das Insolvenzrecht kommt zur Geltung. Dies hat zur Folge, dass statt der Unternehmensleitung ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestellt wird, der sich nun um die Geschäfte des Unternehmens kümmert. Der Insolvenzverwalter befasst sich auch mit den laufenden Forderungen. Das Amtsgericht Stuttgart hat Rechtsanwalt Ilkin Bananyarli, Partner der Wirtschaftskanzlei Pluta, als vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt.

Ist kein Vermögen vorhanden, wird das Insolvenzverfahren gar nicht eröffnet und alle Beteiligten gehen komplett leer aus. Oder das Insolvenzverfahren wird eröffnet. Dann müssen die Vertragspartner:innen ihre Forderungen über die sogenannte Insolvenztabelle anmelden, denn die Forderungen fallen in die sogenannte Insolvenzmasse. Vom Vermögen wird in erster Linie das Insolvenzverfahren (Gerichtskosten, Insolvenzverwalter:in, Kanzleien) bedient. Erst dann kommen die offenen Forderungen dran. 

In der Regel bekommt man als Gläubiger:in dann jedoch nur einen sehr geringen (meist einstelligen) Prozentsatz seiner ursprünglichen Forderung. Das Insolvenzverfahren kann sich außerdem über viele Jahre hinweg ziehen. Am Beispiel von Air Berlin warten die Betroffenen mittlerweile seit 2017 auf ihr Geld. Ausgang ungewiss.

Es kann jedoch auch dazu kommen, dass das Unternehmen wieder saniert wird. Dann kann trotz vorheriger Insolvenz weiter gearbeitet werden und das Unternehmen möglicherweise wieder florieren und offene Forderungen bezahlen.

Was passiert mit meinen offenen Forderungen?

Häufig, und so ist auch das Feedback über unser Portal, wurde gar kein Geld für verkaufte Ware ausgezahlt. Kurzfristig an sein offenes Geld zu kommen, ist vermutlich nicht realistisch (s.o.). Es bleibt nun abzuwarten, ob das Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet werden kann, oder ob bereits hierfür nicht genügend Vermögen vorhanden ist. Wir beobachten den Fall und berichten an dieser Stelle.

Dies gilt für alle offenen Forderungen, die vor Eröffnung bzw. im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden. Zu neuen Forderungen gleich mehr.

Werden die Betroffenen informiert?

Bisher ist nicht bekannt, ob bereits erste Informationen an Betroffene versendet wurden. Es ist jedoch die Pflicht des Insolvenzverwalters, soweit das Gericht das Insolvenzverfahren eröffnen kann (s.o.), alle Gläubiger zu kontaktieren. Denn nur darüber erhalten diese weitergehende Informationen, wo sie ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden können. Bei größeren Unternehmen wird meist eine Webseite genannt, über die die Forderung schnell und unkompliziert angemeldet werden kann.

Wichtig zu wissen ist, dass es hierfür nur eine bestimmte Frist gibt, die der Insolvenzverwalter dann mitteilen wird.

Lohnt es sich, eine Kanzlei mit der Forderungseintreibung einzuschalten?

Zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Individuelle Maßnahmen gegen Mädchenflohmarkt (z. B. die Beantragung eines gerichtlichen Mahnbescheids) sind ab Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags nicht mehr möglich. Bei sehr hohen Forderung kann es später Sinn machen, sich beraten zu lassen, damit die Forderung ordnungsgemäß zur Tabelle angemeldet werden kann.

Was sollten Betroffene noch beachten?

Da es möglich ist, dass die Webseite bald nicht mehr erreichbar ist, sollten User:innen noch Beweise für ihre offenen Forderungen sichten, beispielsweise Chatverläufe mit dem Mädchenflohmarkt-Service oder Auszüge aus dem Kundenkonto.

Was passiert mit Forderungen von Mädchenflohmarkt gegenüber den Betroffenen?

Auch umgekehrt kann Mädchenflohmarkt Forderungen gegenüber Betroffenen haben, beispielsweise Kosten für Anzeigen-Upgrades o.ä. Hier gilt: Trotz der Mädchenflohmarkt-Insolvenz ist der User oder die Userin verpflichtet, den Vertrag zu erfüllen und zu zahlen. Der Insolvenzverwalter wird entscheiden, ob die gekaufte Leistung noch erfüllt werden kann, beispielsweise weil die Plattform eingestellt wird.

Hier sollte man ggf. prüfen, um welche Leistung es sich handelte und ob noch ein Widerruf möglich ist.

Sollte ich künftig nicht mehr auf Mädchenflohmarkt verkaufen?

Jein. Um in Zahlungsschwierigkeiten geratene Unternehmen etwas abzufedern, hat das Insolvenzrecht jedoch einen Winkelzug eingebaut. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Ansprüche sind sogenannte Neuforderungen. Für sie gilt das oben Gesagte nicht. Neuforderungen müssen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden, sondern können wie gewohnt eingefordert werden. Aufgrund der aktuell heiklen Situation sollte man sich einen künftigen Verkauf jedoch gut überlegen. Andernfalls könnte das Vertrauen der Kunden und Kundinnen ein Unternehmen auch retten, denn jede Einnahme zählt.

Kurz-Video zur Insolvenz von Mädchenflohmarkt: Was Betroffene jetzt tun können

 

Update vom 07.08.2023

Das Amtsgericht Stuttgart hat das Insolvenzverfahren am 1. August 2023 eröffnet. Ungeachtet dessen wurde ein Investor für die Mädchenflohmarkt GmbH gefunden. Die MFG Recommerce GmbH  übernahm mit Wirkung zum 1. August 2023 den Geschäftsbetrieb des bekannten Secondhand-Shops im Rahmen einer Sanierung. 

Das ändert jedoch zunächst einmal nichts an den oben erläuterten Rechten. Es bleibt dabei, dass Mädchenflohmarkt sich trotz der Sanierung in einem laufenden Insolvenzverfahren befindet. „Sämtliche Verkäufer, die noch auf Zahlungen aus der Zeit vor der Insolvenzanmeldung warten, können ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Alle Gläubiger werden in den kommenden Tagen vom Insolvenzverwalter angeschrieben.“ heißt es in einer Pressemeldung, die unser Redaktion vorliegt.

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