Gravierendes Urteil für den Online-Handel

OLG München: Amazons Check-out ist rechtswidrig

Veröffentlicht: 03.02.2019 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 07.02.2019

Das OLG München hat am 31.01.2019 eine Entscheidung getroffen, die alle Online-Händler nachhaltig beeinträchtigen dürfte. Rechtliche Grundlage des weitreichenden Urteils ist die Umsetzung der sogenannten Button-Lösung.

Der § 312j BGB hat den Kosenamen „Button-Lösung” und soll den Verbraucher vor übereilten Entscheidungen schützen: Anlass für die Schaffung dieses Paragraphen war der Umstand, dass die Kauf-Buttons in Online-Shops häufig so gestaltet waren, dass für den Verbraucher nicht ersichtlich war, ob er nun eine kostenpflichtige Bestellung abschickt, oder lediglich zum nächsten Schritt in der Abarbeitung weiter geleitet wird.

Neben der „Button-Lösung” sieht der Paragraf aber auch einen weiteren Schutzmechanismus vor:

„Bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, [...], muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen [...], unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen.”

Das aktuelle Urteil des Oberlandesgericht München vom 31.01.2019 dreht sich um genau zwei Aspekte dieser Regelung: Zum einen geht es um die Anwendung des Wörtchens „unmittelbar” und zum anderen geht es darum, welche Informationen genau zur Verfügung gestellt werden.

Klage der Wettbewerbszentrale gegen Amazon vor dem Landgericht

Begonnen hat der Streit um die Auslegung dieses Paragraphen bereits im Jahr 2018: Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale gegen die deutsche Niederlassung von Amazon vor dem Landgericht München (Urteil vom 04.04.2018 – 33 O 9318/17).

Problem ist die Gestaltung des Check-outs: Zwar werden auf der Produktseite alle für das Produkt wesentlichen Informationen zur Verfügung gestellt; im letzten Schritt des Bestellvorgangs – also bevor der Kunde die Ware endgültig bestellt – werden diese Informationen aber nicht noch einmal angezeigt.

Unmittelbarkeit

Das Landgericht München stellte in seinem Urteil noch einmal klar heraus, was unter dem Begriff „unmittelbar” zu verstehen ist:

„Die Beklagte [Amazon] ist als Anbieterin von Waren im elektronischen Geschäftsverkehr gemäß § 312j Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Verbraucher bei einem Vertragsschluss die [im EGBGB] genannten Informationen klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen, bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt.

[...]

Die unmittelbare Anzeige vor dem Bestellvorgang ist deshalb erforderlich, weil der Verbraucher dadurch (nochmals) die Gelegenheit erhält, das von ihm zu erwerbende Produkt konkret zu besichtigen und auf die Übereinstimmung mit seinen Vorstellungen zu überprüfen. Er soll dadurch vor übereilten Kaufentscheidungen geschützt werden, insbesondere dann, wenn er - wie häufig der Fall -nicht nur ein Produkt auswählt, sondern mehrere verschiedene Produkte nach mitunter langer Suche in den digitalen Einkaufskorb gelegt hat und daher nur noch eine rudimentäre Erinnerung an die einzelnen Produkte und ihre wesentlichen Eigenschaften hat. Die Situation ist somit nicht anders als die in einem gegenständlichen Warenhaus, in dem der Käufer die im Verlauf seines Einkaufs in den Warenkorb gelegten Produkte auf die Ladentheke legt und sich dabei nochmals ihre konkreten Eigenschaften bewusst machen und sie gegebenenfalls auch wieder aussortieren kann.”

Diese Unmittelbarkeit der Informationen hat Amazon laut dem Landgericht München nicht gewährleistet. Dieser Entscheidung hat sich das Oberlandesgericht München im Berufungsverfahren nun offensichtlich angeschlossen.

Produkt eins: Das Kleid

Streitgegenstand ist zum einen ein Kleid: Unter dem Artikelnamen „O. Damen Kleid Weria” sind auf der Produktseite alle wesentlichen Informationen aufgeführt.

Im Warenkorb vor der Abgabe der Bestellung steht bei dem Produkt allerdings nur noch „O. Damen Kleid Weria, Farbe, Größe”:

Das Landgericht München sah das als unzureichend an: Zu den wesentlichen Informationen bei Kleidungsstücken zählt nun einmal auch die Zusammensetzung des Materials. Daraus lassen sich für den Kunden Rückschlüsse auf Unverträglichkeiten und Waschbarkeit, sowie die Qualität des Materials ziehen. Daher gehören sie mit zu den Informationen, die auch noch einmal in der Bestellübersicht angezeigt werden müssen.

Produkt zwei: Der Schirm

Zum anderen haben sich Amazon und die Wettbewerbszentrale um einen Schirm gestritten. Bei dem Sonnenschirm fehlten in der Information in der Bestellübersicht das Gewicht, das Material des Bezugstoffs und des Ständers. Auch das sind laut dem Landgericht München wesentliche Merkmale, an Hand dessen der Verbraucher seine Kaufentscheidung abwägt.

Urteil des Oberlandesgerichts München

Gegen das Urteil des Landgerichts München hatte Amazon Berufung eingelegt. In der vergangenen Woche nun hat das Oberlandesgericht München (Urteil vom 31.01.2019 – Az. 29 U 1582/18) entschieden und die Berufung zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht München hat außerdem noch einmal klargestellt, dass auch eine Verlinkung zu der genauen Produktbeschreibung in der Bestellübersicht nicht reicht: Der Verbraucher wird durch diese Verlinkung von der finalen Bestellseite weggelotst.

Im Großen und Ganzen dürfte die Urteilsbegründung ganz ähnlich zur ersten Instanz ausgefallen sein. Eine Begründung liegt uns zurzeit aber noch nicht vor.

Bedeutung für den Online-Handel

Auch wenn es bei dem Urteil um Amazon geht, ist von dieser Entscheidung natürlich jeder Online-Händler betroffen und zwar gleich, ob auf dem eigenen Shop oder einem Marktplatz Handel betrieben wird.

Das Urteil zeigt noch einmal klar auf, wieviel Händler im Sinne des Verbraucherschutzes leisten müssen. Es ist bei manchen Produkten nämlich gar nicht so einfach zu sagen, welche Informationen wesentlich sind, und welche getrost weggelassen werden können. Produkte weisen häufig eine Vielzahl wesentlicher Eigenschaften auf: So umfasst ein modernes Soundsystem uner Umständen eine dreistellige Anzahl an wesentlichen Merkmalen. Alle Informationen in der Bestellübersicht aufzuführen, macht die Sache aber schnell unübersichtlich, was wiederum als verbraucherfeindlich und eventuell sogar abmahnfähig gewertet werden kann.

Den Richtern kann an dieser Stelle sicherlich kein Vorwurf gemacht werden: Sie haben lediglich bestehendes Recht handwerklich korrekt angewendet. An dieser Stelle ist der Gesetzgeber zum Nachjustieren gefragt.

Was können Händler unternehmen?

Aktuell gibt es keine Handhabe gegen dieses Urteil, wir bleiben an der Entwicklung dran und sind mit verschiedenen Technologieanbietern in Kontakt, um Sie bei der Umsetzung noch besser zu unterstützen. Online-Händler sollten aber ihren Check-out überprüfen: Wesentliche Mermale sind übersichtlich darzustellen. Welche Merkmale aufgelistet werden, müssen Händler nach besten Wissen und Gewissen im Einzelfall entscheiden. Immerhin für Kleider und gewissermaßen auch Möbel (Sonnenschirme) gibt das Urteil Merkmale vor.

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