Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig

EU-rechtswidrige Pfandregelung: Händler nicht zur Unterlassung verpflichtet

Veröffentlicht: 13.08.2020 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 13.08.2020

Wie Preise beim Verkauf an Endverbraucher angegeben werden müssen, ist natürlich geregelt. Selbst den Pfand, zum Beispiel auf Getränkeflaschen, betrifft das. Was hier beachtet werden muss, regelt die Preisangabenverordnung (PAngV). Doch rund um die spezielle Regelung zu Pfand kommt es immer wieder zu rechtlichen Streitigkeiten: Die deutsche Regelung verstößt nämlich gegen europäisches Recht. Betroffene bringt das in eine schwierige Situation – woran soll man sich nun halten? 

Ein Lebensmittelhändler, der Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern anbietet, hat sich dafür entschieden, die deutsche Regelung zu befolgen und sah sich dann mit einem Unterlassungsverlangen eines Wettbewerbsverbandes konfrontiert. 

Die Sache war nun vor dem Oberlandesgericht Schleswig gelandet (Urteil v. 30. Juli 2020, Az. 6 U 49/19). Einen Unterlassungsanspruch haben die Richter nicht als gegeben gesehen. Die gesetzliche Regelung sei zwar europarechtswidrig, aber gültig. Ähnlich hatte im März auch das Oberlandesgericht Köln geurteilt

Preisangabe und Pfand – Inklusive oder zuzüglich?

Laut der Preisangabenverordnung müssen gegenüber Verbrauchern stets Endpreise angegeben werden, also jene Kosten, die dem Käufer tatsächlich entstehen. Das schließt die Mehrwertsteuer ein, aber auch sonstige Preisbestandteile. Das Pfand gehört nach Ansicht vieler Juristen zu diesen Werten, die grundsätzlich als Preisbestandteil in den Gesamtpreis einfließen müssten. 

Doch wo eine Regel, da auch eine Ausnahme. § 1 Abs. 4 PAngV besagt: 

„Wird außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert, so ist deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden.“

Flaschenpfand ist so eine rückerstattbare Sicherheit und wäre nach dieser Vorschrift nicht in den Gesamtpreis einzubeziehen. Die Lösung liefe vielmehr nach dem Schema „Preis zzgl. Pfand“. So hatte es auch der Händler in diesem Fall praktiziert.

Verurteilung wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar

Nationale Vorschriften zur Preisangabe müssen wegen entsprechender Vorgaben EU-rechtskonform sein. Die deutsche Ausnahmeregelung zum Pfand, so stellen auch die Richter des OLG Schleswig fest, ist das aber nicht. Die Folge ist, so heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts, dass ein Gericht die Vorschrift nicht mehr anwenden darf. Was bedeutet das für denjenigen, der nun nicht anhand des Gesetzes ein Urteil spricht, sondern das Recht selbst anwenden muss, wie der Lebensmittelhändler? 

Für diesen handele es sich trotz der Europarechtswidrigkeit um geltendes Recht, die Vorschrift sei bindend und von ihm zu befolgen. Die Angabe, wie der Händler sie vorgenommen habe, sei also das gewesen, was das Recht von ihm verlangt hätte. „Ein rechtlich gebotenes Verhalten kann aber niemals die Grundlage für eine Verurteilung sein, in der unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, dieses Verhalten zu unterlassen“, heißt es weiter in der Pressemitteilung.

Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen wäre eine Verurteilung nicht vereinbar. Wer sich rechtstreu verhalte, der müsse auch die Gewissheit haben, dafür nicht belangt zu werden. „Die Folge des Widerspruchs zwischen der Nichtanwendbarkeit und der Gültigkeit des § 1 Abs. 4 PAngV kann deshalb nur die Abweisung der Unterlassungsklage sein“, schreibt die Pressesteille des Gerichts. Die Revision gegen das Urteil wurde allerdings zugelassen.

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