Dass sie (bewusst oder unbewusst) einen Fehler gemacht haben, sehen die meisten abgemahnten Online-Händler im Abmahnfall ein. Dass mit einem kleinen (und subjektiv als unbedeutend empfundenen) Fehler jedoch meist viele Hundert Euro zu zahlen sind, lässt viele am deutschen Rechtssystem zweifeln. Die Meinungen zum Thema Abmahnungen im Online-Handel sind daher verständlicherweise geteilt: Einige Online-Händler finden sich schlicht und ergreifend damit ab, dass sie mit Abmahnungen im E-Commerce leben müssen. Andere hingegen starten (leider) gar nicht erst in den E-Commerce oder geben auf und machen die Schotten wieder dicht.
Abmahnungen sind jedoch eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme, um den ordnungsgemäßen Wettbewerb zu sichern und Konkurrenten auf Verstöße hinzuweisen. An diesem Grundsatz wird sich auch in Zukunft nichts ändern, denn Abmahnungen sind Sache der Konkurrenten untereinander beziehungsweise ein Fall für die speziellen Verbände und Vereine (sofern sie nicht selbst rechtsmissbräuchlich handeln) und es wird ansonsten keine übergeordnete Kontrolle der Wettbewerbsverstöße als solche durch staatliche Kontrollinstrumente wie Behörden geben. Außen vor bleiben natürlich die bußgeldbewehrten Verstöße wie die fehlende Registrierung bei der Stiftung EAR oder Ähnliches.
Doch alle diejenigen, die abmahnen dürfen und dies auch tun, müssen ebenfalls dazu berechtigt sein und ein Ziel verfolgen: Die Abmahnung muss daher aus dem Grund erfolgen, faire Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen. Hat die Abmahnung allein oder ganz überwiegend andere Motive, kann ein Rechtsmissbrauch vorliegen.
Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn
Eine umfangreiche Abmahntätigkeit muss und kann jedoch nicht für sich genommen und automatisch einen Rechtsmissbrauch begründen, es handelt sich lediglich um Indizien, von denen das Gericht zu überzeugen ist. Ein Rechtsmissbrauch kann daher auch nicht bei jeder Vielfachabmahnung automatisch angenommen werden. Besonders dann nicht, wenn Verstöße abgemahnt werden, durch die sich Mitbewerber einen spürbaren Wettbewerbsvorteil verschaffen (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.05.2021, Aktenzeichen: 6 W 23/21).
In dem Fall ging es um die Nutzung der Bezeichnung „Bio“ für Lebensmittel, obwohl die abgemahnten Unternehmen gar nicht entsprechend der gesetzlichen Pflicht Bio-zertifiziert waren. Diese Kosten und Mühen, die sich die Abmahnerin selbst für die Zertifizierung machte, hatte sich die Konkurrenz gespart. Die Zahl der Abmahnungen (es waren 51) könne daher als Indiz für eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung nicht in Betracht kommen und es muss legal möglich sein, gegen alle Verletzer vorzugehen.
Kein Unternehmer wird Kostenrisiken in einer existenzbedrohenden Höhe durch eine Vielzahl von Abmahnungen eingehen, wenn die Abmahnung und damit der Druck hin zu einem rechtskonformen Verhalten (hier: Bio-Zertifizierung) für ihn keine nennenswerten Vorteile im Wettbewerb bringen, so das Gericht zu dem konkreten Fall.