Dreist oder berechtigt?

Rabattwunsch: Käufer benutzt Widerrufsrecht als „Drohung“

Veröffentlicht: 16.02.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 16.02.2023
Pakete mit Retouren-Rücksende-Stempel
In unserer neuen Reihe „Dreist oder berechtigt“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbrauchern, Kunden und Arbeitnehmern unter die Lupe.

 

Diesmal machen wir einen Ausflug ins Widerrufsrecht. Ein Käufer hat bei einem Händler eine Tastatur erworben. Kurze Zeit später erhält der Verkäufer folgende Nachricht:

„Hallo,
der Artikel ist gerade woanders 4 Euro günstiger. Können Sie mir einen Rabatt geben? Dann spare ich mir den Rückversand und die Neubestellung.“

Der Käufer will also einen Rabatt, um sich den Aufwand des Widerrufsrechts zu sparen. Aber: Ist das überhaupt rechtens?

Grundsatz: Sinn und Zweck des Widerrufsrechts

Das Widerrufsrecht ist eine verbraucherschütztende Norm und soll der Beschaffenheitsprüfung des Produktes dienen. Bis die Widerrufsfrist abläuft, gelten Kaufverträge, die beispielsweise über das Internet geschlossen wurden, als schwebend wirksam. Eine vollständige Bindung an die vertraglichen Vereinbarungen seitens der Käuferschaft entsteht erst mit Ablauf der Frist, ohne dass ein Widerruf erklärt wurde. Damit gibt das Widerrufsrecht Verbrauchern und Verbraucherinnen eine Möglichkeit, sich einfach und einseitig von einem Vertrag zu lösen. Komplizierte Voraussetzungen müssen dafür nicht erfüllt werden. Der Widerruf muss nicht einmal begründet werden. Das Gesetz selbst sieht auch keine Widerrufsgründe vor, weswegen die Kundschaft aus jedem beliebigen Grund den Widerruf erklären darf. Selbst wenn die Ware eindeutig nicht nur geprüft, sondern auch tatsächlich verwendet wurde, muss der Widerruf akzeptiert werden. Allerdings können Verkäufer und Verkäuferinnen in solchen Fällen einen Wertersatz verlangen. 

 

Es ist daher gut nachvollziehbar, warum Unternehmen das Widerrufsrecht als sehr nachteilig empfinden. Dies wird noch durch eine Grundsatzentscheidung des BGH (Urt. v. 16.3.2016, VIII ZR 146/15) verstärkt. Dieser hat festgestellt, dass es kein Missbrauch des Widerrufsrechts ist, wenn die Kundschaft das Recht dafür nutzt, um günstigere Bedingungen für sich auszuhandeln. Was bedeutet das aber für diesen Fall?

Fazit: Kein Missbrauch des Widerrufsrechts

Man könnte meinen, dass die Nachricht ein astreiner Missbrauch des Widerrufsrechts ist. Immerhin macht der Käufer deutlich, dass er mit der Beschaffenheit der Ware zufrieden ist. Nur der Preis passt ihm halt nicht. In einem ähnlichen Fall sah der Bundesgerichtshof das aber anders: „Im Gegenteil hat der Kläger lediglich versucht, mit Hilfe der ihm zustehenden (Verbraucher-)Rechte für sich selbst günstigere Vertragsbedingungen auszuhandeln. Ein solches Verhalten steht im Einklang mit den vorbezeichneten gesetzlichen Regelungen zum Widerrufsrecht des Verbrauchers.“ Soll heißen: Verbraucher und Verbraucherinnen dürfen das Widerrufsrecht nutzen, um Druck auf das Unternehmen auszuüben. Eine Ablehnung eines Widerrufs wegen Missbrauchs kommt nur dann ausnahmsweise infrage, wenn beispielsweise ein arglistiges Verhalten nachgewiesen werden kann. So ein arglistiges Verhalten kann dann vorliegen, wenn die Kundschaft von vornherein keine Kaufabsicht hat, sondern den Online-Shop eher als kostenloses Leihhaus betrachtet.

Entsprechend mag die Nachricht des Käufers zwar zunächst dreist erscheinen, ist allerdings berechtigt. 

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