Dreist oder berechtigt?

Kundin fordert nach Widerruf Ware zurück

Veröffentlicht: 11.04.2024 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 12.04.2024
Elster hält eine Kette im Schnabel
In unserer Reihe „Dreist oder berechtigt?“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbraucher:innen, der Kundschaft und Beschäftigten unter die Lupe.

 

In dieser Woche machen wir wieder einen Abstecher ins Widerrufsrecht: Eine Kundin bestellt über Amazon Schmuck. Innerhalb der Frist erklärt sie den Widerruf und schickt die Ware zurück. Der Händler muss allerdings feststellen, dass die Kette sichtbare Gebrauchsspuren hat. Das Metall, insbesondere der Anhänger, hat deutliche Kratzer. Offenbar wurde die Kette nicht einfach nur anprobiert, sondern eine geraume Zeit lang getragen. Der Händler informiert die Kundin daraufhin darüber, dass er einen Wertersatz für das Tragen der Kette verlangt und überweist ihr nur einen Teilbetrag vom Kaufpreis zurück. Die Kundin fordert daraufhin die Herausgabe des Schmuckstückes. Wenn sie den Kaufpreis nicht komplett zurückbekommt, will sie die Kette wieder haben. Zu Recht?

Grundsatz: Der Wertersatz im Widerrufsrecht

Was das Widerrufsrecht ist, dürfte einem Großteil klar sein. Was aber viele nicht wissen, sind zwei Fakten, die für diesen Fall relevant sind.

Fakt 1: Kaufverträge sind schwebend wirksam

Grundsätzlich kommen Kaufverträge im Online-Handel entweder durch das Betätigen des Bestellbuttons oder aber durch eine extra Bestätigung zustande. Im B2C-Geschäft haben wir aber die Besonderheit, dass Verbraucher:innen ein 14-tägiges Widerrufsrecht haben. Ohne Angabe von Gründen darf der Kaufvertrag in dieser Frist widerrufen werden. Bis die Frist verstrichen ist, gilt der Vertrag als schwebend wirksam. Wird von dem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht, ist der Vertrag hingegen unwirksam. 

Fakt 2: Retouren dürfen selten abgelehnt werden

Außerdem ist es so, dass Ware, die im Rahmen des Widerrufsrechts zurückgeschickt wird, nur in gesetzlich geregelten Fällen abgelehnt werden darf. So darf der Widerruf für schnell verderbliche oder individualisierte Ware ausgeschlossen werden. Hygieneprodukte dürfen abgelehnt werden, wenn das Siegel gebrochen wurde. Wird ein Produkt verspätet oder beschädigt zurückgesandt, muss der Widerruf aber dennoch angenommen werden. Allerdings haben Händler:innen in diesen Fällen möglicherweise einen Anspruch auf Wertersatz: Geht beispielsweise der Schaden auf einen Umgang mit dem Produkt zurück, der über die Beschaffenheitsprüfung hinaus geht, dann dürfen Händler:innen einen Wertersatz verlangen, wenn sie die Ware nicht mehr zum ursprünglichen Preis anbieten können.

Fazit: Die Kundin kann sich nicht mehr auf den Kaufvertrag berufen

Was aber bedeutet das für unseren Fall? Der Kaufvertrag wurde durch den fristgerechten Widerruf der Kundin faktisch unwirksam. Sie kann sich also nicht mehr auf diesen berufen und hat entsprechend keinen Anspruch mehr auf die Kette. Daran ändert auch der Wertersatz, den der Händler verlangt, nichts: Wurde die Kette durch Tragen, welches über die Beschaffenheitsprüfung hinaus geht, beschädigt, steht ihm der Wertersatz zu. Wäre die Kette unverkäuflich, dürfte er sogar 100 Prozent Wertersatz geltend machen. Im Ergebnis würde das bedeuten, dass die Kundin wegen des Widerrufs die Kette nicht mehr hat, aber auch wegen des Wertersatzes den Kaufpreis nicht zurückerhält. Die Forderung der Kundin ist damit im Sinne dieses Formates dreist. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Sandra May

Kommentare  

#1 Susanne 2024-04-12 08:30
Das ist sehr interessant, denn nach einer Beratung vom HB vor längerer Zeit, wurde uns in der Rechtsberatung gesagt, dass wir - bevor wir eine Wertminderung in Abzug bringen (meist starke Verunreinigung bei Hundebekleidung ) - dem Kunden anbieten müssen, dass er die Ware doch behalten könne, was wir dann auch so gehandhabt haben und teils sogar auf unsere eigenen Kosten wieder zum Kunden geschickt haben. Ist dies im Falle von Hundebekleidung anders?

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Antwort der Redaktion

Hallo Susanne,

vielleicht ist es hier zu einem Missverständnis gekommen: Grundsätzlich hast du keine Pflicht, die Ware dem Verbraucher in so einem Fall noch mal anzubieten. Es kann höchstens aus dem Serviceaspekt heraus sinnvoll sein zu sagen: "Also entweder Wertersatz oder du nimmst die Ware wieder zurück." Eine rechtliche Verpflichtung gibt es aber nicht.

Mit den besten Grüßen
die Redaktion
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