Kommentar: Wenig Neues bei „Hart aber Fair“

Veröffentlicht: 09.12.2014 | Geschrieben von: Julia Ptock | Letzte Aktualisierung: 09.12.2014

Die aktuellste Folge von „Hart aber Fair“ vom 08. Dezember 2014 beschäftigte sich mit dem Thema Online-Handel. Natürlich haben wir eingeschaltet und waren sehr gespannt, wie sich die Diskussion über Amazon und Co. entwickeln würde. Neben den gängigen Klischees, dass der Online-Handel die Innenstädte kaputt macht, gab es aber tatsächlich den einen oder anderen Lichtblick.

ScreenShot - Hart aber Fair - ARD
© Screenshot ARD - Hart aber Fair

„Hart aber Fair“ mit Frank Plasberg lockt immer wieder tausende von Zuschauern vor den Fernseher. Titel dieser Sendung: „Süßer die Kunden nie klicken – zu viel Macht für Amazon und Co.?“. Es sollte also um Online-Handel gehen. An sich ein spannendes Thema, das viele betrifft, weil sie entweder selbst Händler sind oder – und das dürfte wahrscheinlich der Großteil der Zuschauer sein – Online-Shopper.

Die eingeladenen Diskussionsteilnehmer ließen eine spannende Sendung erwarten. Dabei waren: Günter Wallraff (Enthüllungsjournalist), Amelie Fried (Autorin), Prof. Dr. Gerrit Heinemann (Professor für BWL, Management und Handel an der Hochschule Niederrhein), Hermann Hutter (CEO von Abt in Ulm) und Gero Furchheim (Präsident des bevh).

Schlechte Arbeitsbedingungen bei Logistikdienstleistern

Soweit zur illustren Runde. Eingeleitet wurde die Diskussion mit einem kurzen Trailer über die Wege, die in Gang gesetzt werden, sobald ein Online-Shopper auf „Kaufen“ klickt. Da sind die armen Paketzusteller, die genervten Nachbarn und die kleinen stationären Händler, die als Paketannahmestation missbraucht werden. Da fühlt man sich als Shopper auch gleich ganz schlecht. Böser Online-Shopper! Gut, dass Gero Furchheim da war und sofort darauf hinwies, dass einige Punkte zwar stimmen, aber dennoch ziemlich übertrieben dargestellt wurden. Seine wenig überraschende Aussage in diesem Zusammenhang: „Ich sage, man kann mit gutem Gewissen im E-Commerce einkaufen.“ Danke dafür, Herr Furchheim.

Aber weg vom reinen E-Commerce hin zu den Logistikdienstleistern DHL, Hermes und Co. Wie Furchheim betonte, seien diese darum bemüht, Fehler zu minimieren und ihre Angestellten anständig zu behandeln – als Beispiel hatte er auch gleich das Heft der Stiftung Warentest dabei. Für Günter Wallraff war aber klar, das sind alles nur Werbemaßnahmen und die Stiftung Warentest ist drauf hereingefallen. Fast alle Dienstleiter seien nur am Profit orientiert und nutzen die Angestellten aus. Er muss ja schließlich wissen – er hat sie Undercover alle getestet. Übrigens fordert er: Gebt den Paketboten ein Trinkgeld und habt Mitgefühl mit ihnen.

Günter Wallraff war ohnehin ein eher fragwürdiger Diskussionsteilnehmer. Mit genau zwei Themen schaffte er es am Ende sogar den Moderator zu nerven. Die Themen: natürlich Amazon und natürlich auch die Logistikdienstleister. Aber doch mehr Amazon. Mit der Monopolstellung, den Allmachts-Fantasien von Jeff Bezos und den wenigen Steuern die Amazon zahlt, ist das Unternehmen das Böse vom Bösen. So weit, so bekannt. Wahrscheinlich wäre die Sendung ohne ihn 15 Minuten kürzer und bei weitem weniger populistisch gewesen. Entsprechend auch die Reaktion von Prof. Dr. Gerrit Heinemann: „Die Sendung heißt „Hart aber Fair“ und nicht „Polemisch und Unfair“.“

Der Kunde will die Wahl und nicht den Zwang

Der Wirtschaftswissenschaftler war dabei ohnehin neben Hermann Hutter, dem CEO von Abt, einer der beiden interessantesten Gesprächspartner. Zu Recht wies er darauf hin, dass es den Versandhandel schon seit sehr langer Zeit gibt und es wegen dem Internet nicht zum Untergang des Abendlandes kommen wird – oder des stationären Handels. Mit Zahlen, die für jeden Interessierten frei im Netz einsehbar sind, zerstörte er zudem die Mär vom Showrooming und demontierte danach auch gleich das Bild, dass die Deutschen ja sowieso alles auf Kosten der Händler zurück schicken würden.

Hermann Hutter, der Geschäftsführer von Abt, einem in Ulm angesiedelten Haushaltswarenfachgeschäft mit dazugehörigem Online-Shop, war, wie bereits erwähnt, der zweite sehr interessante Gesprächsteilnehmer. Denn ganz im Gegensatz zu manch anderem – nennen wir ihn G.W. – verteufelte er das Internet nicht. Ganz im Gegenteil. Er selbst sieht es als Möglichkeit zur Weiterentwicklung. Stichwort Multichannel. Natürlich ging es diesem Zusammenhang auch um das Thema der aussterbenden Innenstädte. Dass der E-Commerce daran nicht ganz unschuldig sei, bestritt niemand, aber Heinemann verwies zurecht auf teilweise miserable Kommunalpolitik und die Engstirnigkeit manch eines stationären Händlers.

75 Minuten ohne Erkenntnisgewinn

Man könnte noch viel über die „Hart aber Fair“-Sendung schreiben, aber eigentlich lohnt es nicht. Die wenigen Lichtblicke die es gab, wie die Aussagen von Hermann Hutter und Prof. Dr. Gerrit Heinemann, waren in der doch sehr oberflächlich geführten Diskussion ein Highlight. Gero Furchheim vom bevh war darum bemüht, die Ehre des Online-Handels zu verteidigen, konstruktive Beiträge waren aber eher selten.

Falls Sie sich fragen, warum Amelie Fried bisher noch nicht in diesem Artikel erwähnt wurde, liegt das nur daran, dass sie nichts zu dem Thema beitragen konnte. Wir haben den Verdacht, dass sie eher über horrende Mietpreise und anständige Asylwohnheime in München sprechen wollte. Sie hätte höchstens als Verbraucherin gelten können, aber selbst da, hätte der Platz vielleicht anders besetzt werden können. Und Günter Wallraff ist eben Günter Wallraff. Wir wären vielleicht sogar ein bisschen enttäuscht gewesen, wenn er nicht so sehr gewettert hätte, wie er es getan hat.

Am Ende blieben leider nur allgemeingültige Aussagen übrig. So muss sich schließlich jeder Online-Käufer selbst überlegen, ob er die Strukturen und Entwicklungen im Online-Handel unterstützen will oder nicht. Bedenken sollte man dabei allerdings auch, dass der E-Commerce keine homogene Masse ist und nicht nur aus Amazon und Zalando besteht, die teilweise nicht ganz zu Unrecht in der Kritik stehen.

Wenn Sie sich die „Hart aber Fair“-Folge in ganzer Länge ansehen wollen, können Sie dies in der Mediathek der ARD.

Kommentare  

#1 Hans Jürgen FRANTZ-B 2014-12-10 17:14
Guten Tag,

wir verkaufen stationär und online.

Folgende Punkte kamen m.E. zu kurz:

Ganz klar, wir haben den Onlinehandel und Dieser wird sich weiter entwickeln, aber
Ich stütze als stationärer Händler mit der Gewerbesteuer die Region meiner Kunden
Ich möchte -online oder stationär- gleiche (Steuer-) Bedingungen für alle
Ich möchte stationär nicht der Promoter von Produkten sein, die mir der Onlinehändler später (über den Preis) wegnimmt
Nicht jeder stationäre Händler hat die Möglichkeit (das Geld) für Promotionaktion en wie Sie die Fa.
Abt in Ulm veranstaltet
Wenn es dem Kunden nur noch um den Preis geht ist der kleine stationäre Handel und übrigens auch der kleine Onlinehändler einfach chancenlos.

Es grüsst aus dem Allgäu
dogelements.de
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