Radikalisierung der Corona-Proteste

Telegram: Politiker fordern härteres Vorgehen gegen den Messenger

Veröffentlicht: 14.12.2021 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 14.12.2021
Telegram

Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen werden zunehmend gewalttätiger. Am vergangenen Wochenende gab es in ganz Deutschland – oftmals unangemeldete – Demonstrationen gegen die Auflagen des Bundes und eine möglicherweise bevorstehende Impfpflicht. Ins Visier von Bund und Ländern rückt nun einmal mehr der Messenger Telegram, der vor allem von den radikalen Kräften der Corona-Leugner – und Rechtsextremisten, die die Bewegung unterwandern wollen, genutzt wird. „Wir reden hier nicht nur über ein paar Chats auf Telegram, sondern über Hunderte Chats“, erklärt der Thüringer Verfassungsschutz-Chef Stephan J. Kramer im ARD-Hauptstadtstudio.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) spricht sich für Einschränkungen von Telegram aus. „Es kann nicht länger angehen, dass die Betreiber von Telegram von Dubai aus tatenlos zuschauen, wie in ihrem Netzwerk Morddrohungen verbreitet werden“, so Kretschmer in der Bild am Sonntag. Kretschmer selbst muss sich immer wieder mit Hass auf Telegram auseinandersetzen. Dem ZDF zufolge waren Mordpläne gegen Kretschmer in dem Messengerdienst aufgetaucht. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) warnt dem Spiegel zufolge vor einer „unglaublichen Mobilisierungswucht“ des Dienstes, Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) fordert eine schnelle Reaktion des Staates. Nehme Telegram Hass und Hetze nicht ernst, „müssen Sanktionen wie Bußgelder folgen“.

NetzDG: Zahnloser Tiger?

Die rechtliche Regelung, die Telegram dazu zwingt, gefährliche Inhalte zu bekämpfen, gibt es eigentlich: das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG. Soziale Netzwerke müssen dem Bundeskriminalamt strafrechtlich relevante Inhalte melden, dazu zählen Mordaufrufe und Hassbotschaften. Das Gesetz regelt auch, dass in Deutschland agierende Plattformen für Behörden erreichbar sein müssen. „Unabhängig davon, wie man gegen strafbare Inhalte bei Telegram vorgeht, muss das Unternehmen jedenfalls mit den Sicherheitsbehörden kooperieren, wenn es in Deutschland agieren will“, verdeutlicht der stellvertretende FDP-Generalsekretär Konstantin Kuhle im ARD Hauptstadtstudio.

Telegram hält sich aber nicht die Regeln und bricht damit, so Kuhle, deutsches Recht. Ohne zustellfähige Anschrift ist das Unternehmen nicht erreichbar, das NetzDG wirkungslos. Zudem ist nach wie vor umstritten, dass das Gesetz die Plattformen zur Löschung strafbarer Inhalte verpflichtet. Dies sei eigentlich Aufgabe der Justiz. Die ARD betont in ihrem Beitrag zudem den Umstand, dass die Plattformen strafrechtlich relevante Inhalte oft gar nicht löschen wollen, weil sie selbst von der Reichweite entsprechender Inhalte profitieren. Das ZDF Magazin Royale hat dies jüngst in einem Beitrag über Facebook wieder unterstrichen.

„Die neue Bundesinnenministerin Faeser und der neue Bundesjustizminister Buschmann machen zu Recht deutlich, dass sich der Staat dies nicht bieten lassen darf“, so Konstantin Kuhle. Statt „wolkiger Ankündigungen“ erwarte er von Nancy Faeser (SPD) „konkrete Vorschläge“. Es sei etwa nötig, dass Faeser sich der Forderung nach gesetzlichen Regelungen anschließt, die eine eindeutige Identifizierbarkeit von Straftätern ermöglichen. Die Forderungen nach Klarnamenpflicht oder eindeutig zugeordneten Logins werden wieder lauter.

Internationale Lösung

Eine Lösung des Umgangs mit Telegram ist nur international zu erreichen, das unterstreicht auch der neue Justizminister Marco Buschmann von der FDP. „Was auf Telegram in Umlauf gebracht wird, ist teils unanständig und oft auch kriminell. Mein Wunsch ist, dass wir keinen deutschen Sonderweg einschlagen, sondern einen gemeinsamen europäischen Rechtsrahmen schaffen, der es uns ermöglicht, gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen“, so Buschmann via Twitter.

Allerdings regt sich auch Kritik an einem rigideren Umgang mit Telegram. Querdenker und Rechtsextremisten sehen womöglich ihre wichtigste Kommunikationsplattform bedroht, aber auch Datenschützer und Menschenrechtler sehen einen zu strikten Umgang mit Telegram – gerade international kritisch. In Deutschland mag der Messenger derzeit vor allem wegen gefährlicher Inhalte in den Schlagzeilen sein, in Autokratien ist er oft die einzige Möglichkeit für Aktivisten oder Verfolgte, zu kommunizieren. Verschlüsselte Kommunikation zu verbieten, bringt diese Menschen in Gefahr. Und auch in Deutschland wird Telegram vom überwältigenden Teil seiner Nutzer schlicht zur Kommunikation abseits von WhatsApp genutzt. Das Problem, so die Kritiker der Pläne gegen Telegram, ist nicht die Plattform, sondern die Minderheit, die diese Plattform missbraucht.

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