Beim Thema Sourcing müssen sich Online-Händler entscheiden, vorher sie ihre Ware beziehen wollen. Folgender Beitrag versucht der Frage auf den Grund zu gehen, ob ein Import aus China oder der Einkauf direkt in der Europäischen Union sinnvoller ist.
Die Hauptargumente für den Import aus China sind in der Regel der günstige Netto-Stück-Preis sowie die große Auswahl an Produkten und Herstellern und die große Flexibilität in Richtung individueller Herstellung. Im Allgemeinen sind die chinesischen Hersteller auch bereit mit jedem Händler zusammen zu arbeiten, der bezahlen kann. In Europa muss man dagegen häufig erst einmal ein „Bewerbungsverfahren“ durchlaufen, bei dem an dem Punkt „Online-Händler und Verkauf auf Marktplätzen“ auch schnell einmal eine Absage kommt.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch klare Nachteile bei einem Lieferanten aus Fernost. Je nach Produktgruppen und Frachtmöglichkeiten muss in China eine deutlich höhere Menge gekauft werden als in Europa. Denn bei großen und/oder schweren Produkten rechnet sich häufig nur der Seeweg für den Transport. Dort führen jedoch schon die Handlingkosten am Hafen dazu, dass die chinesischen Produzenten in dem entsprechenden Produktsegment nur Aufträge über 5000 Dollar Wert annehmen. Diese Einschränkungen gibt es beispielsweise im Bereich Dekoration und Polyresin. Dagegen sind Produkte aus dem Bereich Fashion oder Elektronik in der Regel in kleinen Mengen einfach über Luftfracht zu versenden. Auf jeden Fall sind die Logistikkosten aber aufgrund der großen Distanz höher und der Transport dauert länger als beim Bezug in Europa, sodass man in diesem Bereich immer langfristiger planen muss. Bei Seefracht muss man insgesamt mit cirka acht Wochen rechnen, vier Wochen für den reinen Seeweg, der Rest fällt für Vor- und Nachlauf am Hafen und im jeweiligen Land an.
In der Regel wird der Chinese auch Individualisierungen erst ab einer gewissen Menge anbieten. Die Sprachbarriere kann die Kommunikation schwierig gestalten. All diese Punkte führen dazu, dass das Risiko, dass letztlich etwas schief geht, höher ist als beim Einkauf bei einem etablierten Hersteller oder Importeur.
Wenn sich ein Online-Händler für den Import aus China entscheidet, muss er beachten, dass er damit zum Quasi-Hersteller wird. In vielen Segmenten gibt es zum Schutz des europäischen Verbrauchers gesetzliche Vorschriften und Verordnungen, die ein Produkt, das in die EU eingeführt werden soll, erfüllen muss. Beispielsweise bei Elektrogeräten, Spielwaren oder auch Produkten, die mit Lebensmitteln oder dem menschlichen Körper in direkten Kontakt kommen. Gibt es derartige Regularien für eine Produktgruppe, dann muss der Importeur anhand einer Konformitätserklärung darlegen, dass das importierte Produkt den Vorschriften entspricht („konform ist“). Am Produkt selbst wird das CE-Zeichen angebracht, um das Erfüllen der Vorschriften offen zu zeigen.
Beim Import in die EU prüft die zuständige Zollstelle, ob das Produkt diese Verordnungen erfüllt. Der Importeur ist dafür verantwortlich, all diese Verordnungen einzuhalten und haftet in diesem Zusammenhang auch für spätere Schäden, die das Produkt verursacht.
Der Importeur sollte sich also vorher darüber informieren, welche Nachweise, Zertifikate und Kennzeichnungen die Produkte benötigen. Allein für Elektrogeräte können das die CE-Kennzeichnung, Registrierung nach dem Elektrogesetz, Elektrostoffverordnung (RoHS-Richtlinie), Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV-Prüfung), Eintragung ins Elektronik-Altgeräteregister und der Nachweis bleifreien Lötens sein. Dies nur als Beispiel. Wer sich über die nötigen Kennzeichnungen und Zertifikate für einen bestimmten Produktbereich informieren möchte, kann dies über die Plattform ProductIP. Die Fachleute dort können bereits ab 30 Euro alle Anforderungen herausfinden, die für die Verkehrsfähigkeit eines Produktes erfüllt sein müssen.
Die Nachteile der Beschaffung in Fernost bilden die Basis für die Vorzüge des EU-Sourcing. Händler können hier bereits produzierte Handelsware in kleinen Mengen einkaufen und bei Bedarf schnell und flexibel nachkaufen. Für die Einhaltung aller Vorschriften ist der Importeur zuständig, der an den Händler verkauft. Zeigen sich Probleme mit fehlenden CE-Zeichen (ich erinnere an die Import- und Zollmisere der Fidget Spinner im Frühjahr 2017) kann der Händler seinen Lieferanten in Regress nehmen und für eventuelle Schäden haftbar machen. Demgegenüber stehen die höheren Stückpreise beim Einkauf. Ein genaues Kalkulieren mit allen Kosten (inclusive Fracht, Zoll und Finanzierung etc.) ist deshalb nötig.
Die richtige Beschaffungsstrategie für den Online-Handel
Eine allgemeingültige Strategie Entweder-Oder macht aus den vorgenannten Gründen für den Online-Handel keinen Sinn. Stattdessen gibt es verschiedene Erfolgskonzepte zum Thema Beschaffung. Zwei davon stellen wir hier vor:
Aktuell ist das Thema Dropshipping mal wieder als die Methode für das schnelle Geldverdienen im Gespräch. Unter dem Stichwort „Shopify Dropshipping“ schießen Verkäufer von Ausbildungs-Kursen aus dem Boden und versprechen „Viel Gewinn mit wenig Arbeit“. Aus diesem Grund wollen wir dieses Thema hier auch kurz beleuchten.
Dropshipping bedeutet, dass der Händler, der ein Produkt an einen Kunden verkauft, dieses ihm nicht direkt schickt. Stattdessen schickt der Händler einen Auftrag an den Produzenten, der dieses dann direkt an den Kunden verschickt. Der Vorteil für den Händler: Er muss die Ware nicht auf Lager nehmen und vorfinanzieren. Dafür erhält im Gegenzug der Hersteller einen Serviceaufschlag für das Versenden von einzelnen Aufträgen. Der Nachteil des Systems: Der Händler hat die Ware selbst nie in den Händen, kann also weder die Qualität des Produkts prüfen, noch weiß er genau, was der Hersteller verschickt hat. In Zusammenhang mit Dropshipping aus Asien kommen auf den Hersteller die gleichen Pflichten zu wie beim normalen Import. Auch hier ist der Händler der Inverkehrbringer der Ware und haftet für eventuelle Schäden. In der Regel wird Asien-Dropshipping nur mit günstigen Produkten betrieben, die beim Zoll nicht auffallen und deshalb einfach so durchgehen. Ein seriöser Händler sollte Dropshipping nur mit Lieferanten betreiben, die absolut zuverlässig sind und die Prozesse im Vorfeld abstimmen. Häufig wird Dropshipping als Sortimentsergänzung betrieben. Dann nimmt der Händler sein Kernsortiment und die Produkte, die häufig verkauft werden auf Lager. Den Rest bietet er dann im Dropshipping-System mit wenig Risiko an.
Plattformen, die zum Sourcing für Online-Händler geeignet sind:
Alibaba www.alibaba.com |
Internationale Beschaffungsplattform mit Schwerpunkt Asien/China. Hier finden Online-Händler die ersten Kontakte für Hersteller, wenn sie importieren möchten. |
WerliefertWas www.wlw.de |
Europäische Plattform mit vielen Herstelleradressen. Hier finden Online-Händler einen europäischen Hersteller für ihr Private Label Produkt. Etwas industrielastig, sodass man in manchen Kategorien schwer die passenden Hersteller für Konsumgüter findet. |
Zentrada www.zentrada.de |
Europäische Beschaffungsplattform für Händler (stationär wie online) im Bereich Konsumgüter. Alle Produkte wurden bereits in die EU importiert. Interessant für Händler, die Handelsware ohne eigene Entwicklungsarbeit verkaufen möchten. Über 60 % der Produkte auf dem deutschen Marktplatz kommen aus dem EU-Ausland. |
Fazit: Gerade im Online-Handel ist eine ausgefeilte Beschaffungsstrategie die Basis für den Erfolg. Überstürzen Sie deshalb nichts.
Diese Incoterms sind internationale Definitionen für die Frage, wer was beim Transport bezahlt und wer zu welchem Zeitpunkt für die Ware verantwortlich ist. Sie gelten also ebenso in Europa, dort sind allerdings nur ein Teil davon gängig.
In Fernost ist die gängigste Variante FOB (Free on Board), was sowohl ein Schiff, ein Flugzeug wie auch ein Zug sein kann. Der Bundesanzeiger Verlag hat zum Thema Incoterms einen guten Ratgeber herausgebracht. Die Grafik ist aus diesem Buch entnommen.
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Über die Autorin: Martina Schimmel (Dipl.-Kfm.) ist Deutschland-Managerin der Beschaffungsplattform zentrada und damit bei dem europaweiten Großhandels-Marktplatz für die Betreuung der deutschen Lieferanten sowie Einkäufer verantwortlich. Die gelernte Journalistin beschäftigt sich seit Jahren mit den innovativen Themen des Handels. Als nebenberufliches Hobby betreibt sie das Schneekugelhaus und kennt damit auch die Themen Asien-Import, Vertrieb über Online-Shop und Amazon FBA sowie den Aufbau eines Handelsvertriebs aus eigener Erfahrung.