Kolumne

Warum ich irgendwie kein Mitleid mit Influencern habe

Veröffentlicht: 08.02.2019 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 10.08.2022

Jeder, der einen Online-Shop eröffnet, setzt sich spätestens nach der ersten Abmahnung doch noch mal konkreter mit dem juristischen Hintergrund seines Tuns auseinander. Die alten Hasen im E-Commerce wissen außerdem, wie enorm wichtig es ist, sich in puncto Rechtsprechung und Gesetzesänderungen auf dem neuesten Stand zu halten. Ist ja auch logisch: Schließlich leben sie von ihrer Tätigkeit und wollen diese im Rahmen der Legalität ausüben.

Eine recht junge Berufsgruppe scheint mit dieser Selbstverständlichkeit aber irgendwie komplett überfordert zu sein. Die Rede ist von Influencern. Immer wieder liest man von einer regelrechten Abmahnwelle des Verbandes Sozialer Wettbewerb wegen Schleichwerbung. Die Reaktionen von Influencern wirken doch teilweise recht skurril. Manchmal bekommt man den Eindruck, es handle sich eher um kleine Kinder, die die Welt nicht so recht verstehen und getreu dem Motto „denn sie wussten nicht, was sie tun” keinerlei Ahnung hatten, das ihr Handeln auch rechtlich relevant ist.

Who the f*** is Vreni Frost?

Zugegeben: Zu Influencern hatte ich noch nie einen Bezug. Insofern tauchte in meinem Hirn dann schon ein großes Fragezeichen auf, als ich das erste mal den Namen Vreni Frost laß. Bei der jungen Frau handelt es sich offensichtlich um ein recht erfolgreiches Instagram-Sternchen. Immerhin folgen ihr rund 57.000 Abonnenten. Über den Sinn und Unsinn der Existenz von Influencern will ich hier gar nicht streiten, vielmehr geht es mir um folgendes: Frau Frost geht als Influencerin einer Tätigkeit nach, mit der sie ihren Lebensunterhalt finanziert. Das Geld kommt von Herstellern und Markeninhabern, für die Frau Frost bestimmte Produkte in Szene setzt. Die Hersteller und Markeninhaber profitieren in der Form, dass die Follower Frau Frost folgen, weil sie ihr Leben interessant und spannend finden und selbst gern ein so interessantes und spannendes Leben haben wollen und daher die vermarkteten Produkte kaufen. So funktioniert Influencer-Marketing.

Und wie auch der Online-Shop-Betreiber muss sich natürlich auch ein Influencer mit den rechtlichen Hintergründen seiner Tätigkeit auseinandersetzen. Also müssen vielleicht nicht. Er sollte. Und wenn er es nicht tut – naja: Glashaus, Steine, Sie wissen schon. Dazu unten mehr.

Irgendwo zwischen Werbung und „ich wollt ja nur”

Frau Frost markiert Beiträge, für die sie Geld von den jeweiligen Marken bekommen hat, als Werbung. Das ist auch richtig. Allerdings gibt es auch Beiträge, in denen sie Marken verlinkt, ohne das sie diese als Werbung gekennzeichnet hat. Das stieß dem Verband Sozialer Wettbewerb sauer auf und auf eine erste Abmahnung folgte recht bald das Verfahren vor dem Kammergericht Berlin. Folge: Zwei der drei beanstandenden Beiträge müssen als Werbung gekennzeichnet werden, einer darf bleiben. Aus dem ganz einfachen Grund: Bei den zwei Posts hatte Frau Frost willkürlich, ohne Zusammenhang zum Foto oder Text, Marken markiert. Das nimmt der Außenstehende zwangsläufig als Werbung war. Daher muss es auch als solche markiert werden. Ich darf in meinen Artikeln ja auch schließlich nicht willkürlich Marken nennen und auch noch verlinken, wenn ich nicht auch gleichzeitig über sie berichte. Erst dann besteht nämlich ein für den Leser erkennbarer redaktioneller Zusammenhang.

Die goldenen Blogger

Vreni Frost versteht jedenfalls die Welt nicht mehr.  „Demnach hätte ich nicht zu viel über das Unternehmen geschrieben, sondern zu wenig“, gab sie nach dem Urteil zum besten.

Fast möchte man ein bisschen Mitleid haben: Die arme Influencerin, die mit ihren Posts doch nur ihre Follower informieren möchte gegen den bösen Verband Sozialer Wettbewerb, der ihr das verbieten möchte!

Naja… aber auch nur fast. Ich bezweifle, dass jemand, der Geld mit der Nennung von Marken verdient, überhaupt Marken und Hersteller ohne kommerzielles Interesse verlinken kann. Schließlich fängt jeder Influencer ohne Bezahlung an. Durch das Verlinken von Marken werden dann die Markeninhaber auf den Blogger aufmerksam und kommen auf die Idee, eben jenen für seine Leistung zu bezahlen. Natürlich darf Frau Frost gern Shampoohersteller XY verlinken – aber nicht kommentarlos, wenn auf dem dazugehörigen Bild lediglich Luftballons dargestellt sind. Ein wenig mehr Zusammenhang wäre toll.

Übrigens, noch mal zum oben genannten Glashaus und den Steinen: Die gute Frau hat den goldenen Blogger in der Kategorie beste Markenbotschafterin gewonnen.

Markenbotschafter sind übrigens die, die per Definition schon dafür bezahlt werden, bestimmte Marken zu promoten.

Kampf um Meinungsfreiheit? Also bitte.

Zum Abschluss noch mal kurz was zum Thema Meinungsfreiheit: Cathy Hummels ist nämlich auch zum „Opfer” dieser Abmahnwelle geworden. Leidenschaftlich gab sie vor ihrem Gerichtsverfahren zum Besten: „Recht auf freie Meinungsäußerung, dafür kämpfe ich."

Inwiefern die Nennung von Marken eine Meinung darstellen soll, ist mir im übrigen schleierhaft. Der Fakt, woher man etwas hat, ist eine Tatsache. Keine Meinung. Nix da Meinungsfreiheit. Die kommt erst zum Einsatz, wenn gesagt wird, wie etwas gefunden wird. Und sie darf ja auch sagen, dass sie was gut findet, ohne dafür bezahlt zu werden. Dann darf sie theoretisch sogar verlinken. Stichwort: Redaktioneller Zusammenhang, Sie erinnern sich? Nur das zusammenhanglose Verlinken von Marken ist mangels Meinungsgehalt nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt und hat – für mich absolut nachvollziehbar – werbenden Charakter, weswegen ein entsprechender Hinweis erfolgen muss. Und selbst wenn man davon ausgeht, – jetzt mal kurz ganz tapfer sein – dass sich Influencer wie Journalisten auf die Pressefreiheit berufen können, so würde diese Freiheit auch ihre Grenzen an der gesetzlich normierten Schleichwerbung finden.

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