Ein Gastwirt aus Bayern schloss zum 1. März 2020 eine Betriebsschließungsversicherung ab. Im Vertrag stand:
„Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger in Nr. 2 aufgeführten Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb [...] schließt; [...].“
Es folgte eine Auflistung verschiedener Krankheiten. Nur eine vermisste man in der Liste: Das Coronavirus. Zu dem Thema Corona äußerte sich die Versicherung lediglich in einem Informationsschreiben vom 4. März an die Versicherungsvertreter. Dort hieß es:
„Wir stellen den Coronavirus "2019-nCoV" den in unseren Bedingungen für die gewerbliche Betriebsschließungsversicherung namentlich genannten Krankheitserregern gleich. [...] Somit sind behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund des neuartigen Coronavirus in unserer gewerblichen Betriebsschließungsversicherung mitversichert.“
Als der Wirt aufgrund des Lockdowns im Verlaufe des Monats März seinen Betrieb schließen musste, musste er auf einen Großteil seiner Einnahmen verzichten. Daher forderte er von der Versicherung die Zahlung.
Die Versicherung bot dem Gastwirt lediglich eine teilweise Leistung an. Schließlich sei sein Betrieb nicht vollkommen geschlossen gewesen, da er noch den Außerhausverkauf betreiben konnte. Es handle sich daher lediglich um eine Beschränkung und nicht um eine mit der Versicherung abgedeckte Schließung. Außerdem sei das Coronavirus auch gar nicht von der Versicherung abgedeckt.
Auch die Allgemeinverfügung, mit der Bayern die Schließung der Betriebe verfügt hatte, sei nicht wirksam gewesen. Die Versicherung monierte außerdem, dass es keine Verfügung gebe, die speziell den Betrieb des Versicherungsnehmers betrifft, sondern eben nur die Allgemeinverfügung.
Das Landgericht München (LG München I, Endurteil vom 01.10.2020 - 12 O 5895/20) lässt diese Begründung allerdings nicht gelten. Für das Gericht ist maßgeblich, wie der Versicherungsnehmer – hier sind es in der Regel Kaufleute – die Versicherungsunterlagen verstehen. Daher ist der Versicherungsvertrag so zu lesen, wie ihn jemand ohne vertiefte Kenntnisse in Sachen Infektionsschutzgesetz verstehen würde.
Das bedeutet:
Unternehmer, die eine solche Versicherung abgeschlossen haben, können also im Einzelfall auf die Auszahlung der Versicherungssumme pochen. Jedenfalls müssen sie sich möglicherweise nicht mit der Begründung zufrieden geben, dass ihr Betrieb gar nicht geschlossen, sondern zu beschränkt wurde. Es kommt eben immer darauf an, in welchem Umfang der betroffene Betrieb im Lockdown weiter machen konnte.