Anfechtung

Abgebrochener Ebay-Verkauf: Vertipper muss unverzüglich kommuniziert werden

Veröffentlicht: 01.09.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 01.09.2023
Hund auf Sofa

Verträge sind zu halten, das ist eines der wohl wichtigsten Prinzipien des Privatrechts. Dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen einer der Vertragspartner davon gerne eine Ausnahme machen würde – und es gibt durchaus Konstellationen, in denen das möglich ist. 

Ein Fall, der kürzlich vor dem Landgericht Köln verhandelt wurde, hätte dabei für die Verkäuferin durchaus günstiger verlaufen können (Urteil v. 25.8.2023, Az. 37 O 220/22). Stein des Anstoßes war der Preis, der im Angebot deutlich unter Wert angesetzt wurde. Eine wirksame Anfechtung wäre vielleicht möglich gewesen, scheiterte jedoch.  Die Verkäuferin muss jetzt Schadensersatz zahlen. Doch wie wäre die Lage, wenn die Anfechtung wirksam gewesen wäre?

Der Fall: Ein Sofa für 700 statt 7.000 Euro

Eingestellt hatte die Verkäuferin ein hochwertiges Sofa für 700 Euro auf Ebay. Tatsächlich wert war es jedoch eine Null mehr, 7.000 Euro. Ein Käufer schlug über die Sofort-Kaufen-Funktion zu und zahlte per Paypal, die Verkäuferin meldete sich jedoch noch am selben Tag, informierte über das Vorliegen eines Fehlers und teilte mit, dass der Käufer die 700 Euro zurückerhalten würde. 

Der allerdings zeigte sich damit nicht einverstanden und bat darum, ihm einen Termin zur Abholung mitzuteilen. Die Antwort der Verkäuferin folgte direkt am nächsten Tag: Sie wohne in den USA und nicht in Deutschland, der Verkauf sei insofern nicht möglich. Auf Ebay wählte sie den Abbruchgrund „Ich habe den Artikel nicht mehr vorrätig oder er ist beschädigt“. Der Kaufpreis wurde dem Käufer sodann erstattet. 

Auch mit dieser Situation war der Käufer offenbar nicht einverstanden. Er forderte erneut zur Übergabe auf und verlangte hilfsweise Schadensersatz wegen des Kaufabbruches. Als eine von ihm gesetzte Frist zur Abholung fruchtlos verstrichen war, ließ er durch seinen Anwalt den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und forderte 6.300 Euro Schadensersatz – die Differenz zwischen vereinbartem Preis und Wert des Sofas. Die Verkäuferin lehnte das ab, und berief sich nun, Monate nach dem Kauf,  auf einen Tippfehler beim Eingeben des Preises. 

Abholung unmöglich: Verkäuferin gibt vor, in den USA zu leben

Die Schadensersatzsumme wollte der Kläger nun gerichtlich geltend machen, und das gelang ihm auch: Das Landgericht Köln gab seiner Klage statt und sah einen entsprechenden Anspruch. Zwischen den Parteien sei ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen, den die Verkäuferin nicht wirksam angefochten habe. 

Solch eine Anfechtung ist im Falle eines (relevanten) Grundes grundsätzlich durchaus möglich. Zu den zulässigen Anfechtungsgründen gehört zwar nicht, es sich einfach anders überlegt zu haben, ein Tippfehler kann aber durchaus valide sein. Neben einem Anfechtungsgrund braucht es allerdings auch eine Anfechtungserklärung, und auch die Anfechtungsfrist muss eingehalten worden sein. 

Nun hatte die beklagte Verkäuferin zunächst erklärt, das Sofa nicht übergeben zu können, da sie in den USA lebe. Das beurteilten die Richter nicht nur als juristisch irrelevant, sondern auch schlichtweg als sachlich falsch. Die Abbruchgründe, der Artikel sei nicht mehr vorrätig oder beschädigt, würden die Verkäuferin ebenfalls nicht zur Anfechtung berechtigen, da kein Irrtum ersichtlich sei. 

Dass sich die Verkäuferin bei der Angabe des Preises vertippt habe, wie sie ja auch im Verlauf der Auseinandersetzung mit dem Käufer mitteilte, könne hingegen durchaus ein Anfechtungsgrund sein, da ein sogenannter Erklärungsirrtum vorliege. 

Tippfehler: Wäre eine wirksame Anfechtung möglich gewesen? 

Der Verkäuferin half das allerdings nicht, wegen der anderen beiden Anfechtungsvoraussetzungen: Eine Anfechtung wegen Erklärungsirrtum muss nämlich „unverzüglich“ erfolgen, also ohne schuldhaftes Zögern. Monate nach dem Kaufabschluss könne man aber nicht mehr von unverzüglich sprechen, so das Urteil. Grundsätzlich hängt die Frist zwar nicht am Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern beginnt zu laufen, sobald der Anfechtungswillige Kenntnis davon nimmt, dass ein Anfechtungsgrund gegeben ist. Ab diesem Zeitpunkt beträgt die Frist grundsätzlich maximal zwei Wochen. 

Nach Auffassung der Richter konnte man hier aber nicht die – rechtlich unbeachtliche und auch unzutreffende – Erklärung heranziehen, die die Verkäuferin am Tag nach dem Vertragsschluss abgegeben hatte. Zwar sei es grundsätzlich möglich, Tatsachen nachzuschieben, die einen Anfechtungsgrund begründen können. Wenn es sich dabei aber um einen ganz anderen Lebenssachverhalt handelt (Tippfehler statt Wohnsitz in den USA), würde das eben eine ganz neue Anfechtungserklärung darstellen – zumal die beklagte Verkäuferin bereits am Tag des Vertragsschlusses festgestellt habe, dass es sich um einen Tippfehler handelte. Eine Anfechtung wegen des Tippfehlers wäre der Sache nach also wohl möglich gewesen, aber die zulässige Anfechtungserklärung erfolgte, mit zweieinhalb Monaten, zu spät.

Indem die Verkäuferin das geschuldete Sofa nun trotz wiederholter Aufforderung und Fristsetzung nicht lieferte bzw. keinen Abholtermin nannte, habe sie eine Pflichtverletzung begangen und schulde dem Käufer Schadensersatz. Hierbei ist dieser so zu stellen, als wäre das Geschäft ordnungsgemäß vollzogen worden: Er hätte 700 Euro gezahlt und dafür ein Sofa im Wert von 7.000 Euro erhalten – es besteht also ein Schaden in Höhe von 6.300 Euro. 

Wie wäre die Lage bei wirksamer Anfechtung?

Nicht ganz uninteressant ist natürlich auch die Frage, welche Konsequenzen für die Verkäuferin bestanden hätten, wenn sie wirksam angefochten hätte. Tatsächlich macht auch eine wirksame Anfechtung nicht zwingend komplett von Folgen für den Anfechtenden frei, es kann auch dann ein Schadensersatzanspruch bestehen. Allerdings in anderer Form: Der Anfechtende muss hier ggf. den Schaden ersetzen, der dem Anfechtungsgegner entstanden ist, weil dieser auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut hat – den sogenannten Vertrauensschaden. Andersherum ausgedrückt: Der Betroffene ist so zu stellen, als hätte er gerade nicht auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut. Was meint das nun? Der Schadensersatz von oben wäre hier, für sich genommen, nicht möglich gewesen. Hätte der Käufer aber etwa bereits Zubehör für dieses konkrete Sofa besorgt, oder einen Vertrag mit einer Spedition zur Abholung geschlossen, dann könnte dafür auch im Falle einer wirksamen Anfechtung womöglich Schadensersatz gefordert werden – schließlich hätte der Käufer diese Aufwände wohl nicht gemacht, hätte er nicht auf die Wirksamkeit des Kaufvertrags vertraut. 

Allerdings sind diesem Schadensersatzanspruch auch Grenzen gesetzt, etwa der Höhe nach: Es kann nämlich nicht mehr verlangt werden, als in der Situation, dass auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut wird. Und wenn der Geschädigte den Grund der Anfechtbarkeit kannte oder hätte kennen müssen (bzw. fahrlässig nicht kannte), ist die Schadensersatzpflicht nach § 122 Abs. 2  BGB gänzlich ausgeschlossen. 

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