Wegwerfmentalität im Online-Handel?

Kabinett beschließt Gesetzentwurf zur Verhinderung von Retourenvernichtung

Veröffentlicht: 12.02.2020 | Geschrieben von: Patrick Schwalger | Letzte Aktualisierung: 13.02.2020

Das Bundeskabinett, also die Ministerinnen und Minister aller Ressorts, hat ein Gesetz zur Verhinderung der Retourenvernichtung beschlossen. Nun steht ein Regierungsentwurf des Gesetzes, der in den nächsten Wochen und Monaten im Bundestag beraten wird. Erst wenn der Bundestag das Gesetz angenommen hat, wird der Entwurf zu geltendem Recht. Und auch dann müssen die Pflichten für Händler erst noch durch Verordnungen konkretisiert werden.  

Aber was will die Regierung nun erreichen? Händler sollen künftig dafür Sorge tragen, dass Retouren weiterhin genutzt werden können und nicht im Müll landen. Das soll durch eine sogenannte Obhutspflicht erreicht werden. 

Wie kam es zu dem Entwurf? 

Im vergangenen Jahr haben Medienberichte über den Umgang Amazons mit Retouren weite Wellen geschlagen, der Plattform wurde großflächige Vernichtung von zurückgesendeten Artikeln vorgeworfen. Daraufhin begann Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) mit dem Entwurf eines Gesetzes, um solche Praktiken einzudämmen. Dieser Entwurf des Umweltministeriums wurde im August 2019 veröffentlicht. Danach fing die Abstimmung mit anderen Ministerien, insbesondere dem Wirtschaftsministeriums, an. Das Ergebnis ist der Regierungsentwurf zur Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, der seit 12. Februar vorliegt. 

Herrscht in Deutschland eine Wegwerfmentalität im Online-Handel? 

„In Teilen des Onlinehandels grassiert derzeit eine regelrechte Wegwerfmentalität”, lässt sich die Umweltministerin zitieren. Daher müsse die Vernichtung von Waren untersagt werden. Fakt ist: Retouren stellen in der Tat eine Herausforderung dar. Forscher der Uni Bamberg benennen die Anzahl der retournierten Artikel für das Jahr 2018 mit 490 Millionen. Eine riesige Zahl, die die Umwelt belastet und für Online-Händler finanzielle, zeitliche und bürokratische Probleme bedeutet. 

Von einer Wegwerfmentalität will die Branche aber nicht sprechen. „Die Händlerbund-Logistikstudie zeigt, dass 64 Prozent der befragten Händler noch nie Waren vernichtet haben,” sagt der Bundesvorsitzende des Händlerbund e.V. Andreas Arlt. „Die übrigen Händler entsorgen gelegentlich geringe Mengen.” Auch die Uni Bamberg kommt zu einem ähnlichen Fazit. Von 490 Millionen Rücksendungen wurden 2018 ganze 470 Millionen wiederverwendet. 12,5 Millionen entsorgten Produkte waren entweder technisch nicht mehr aufbereitbar oder die Markeninhaber gaben die Vernichtung vor. Nur knapp 7,5 Millionen Artikel wurden vernichtet, obwohl sie theoretisch noch wiederverwertbar gewesen wären. Also nur 1,5 Prozent aller Retouren. Bei solch einem geringen Prozentsatz sehe der Händlerbund keine Wegwerfmentalität bei kleinen oder mittelständischen Online-Händlern. 

Eine Lösung könnte laut dem Händlerbund sein, dass Sachspenden von B-Ware so gestaltet werden, dass Händler keine Umsatzsteuer mehr zahlen müssen. Einheitliche Größenvorgaben für Hersteller oder technische Innovationen im KI-Bereich könnten ebenfalls Abhilfe schaffen.

Welche Pflichten kommen jetzt auf Händler zu? 

Der Gesetzentwurf wird nun im Bundestag beraten. Die Regierung muss zudem Verordnungen ausarbeiten, um die Obhutspflicht für Produkte zu konkretisieren. Bislang ist noch nicht im Detail ersichtlich, wie genau die Pflicht für Händler gestaltet sein wird. Zu erwarten ist es aber, dass Händler dafür Sorge tragen müssen, dass retournierte Artikel instand gehalten werden. 

Außerdem gilt es als wahrscheinlich, dass Berichtspflichten auf Händler zukommen. Denn auch die Bundesregierung kann das exakte Ausmaß der Retourenentsorgung noch nicht überblicken. Künftig sollen Händler Berichte über ihren Umgang mit Rücksendungen anfertigen und einreichen, um so eine valide Datengrundlage zu schaffen. Dies wird auch die Konkretisierung der Obhutspflicht beeinflussen. 

Wie lässt sich das Problem mit der hohen Retourenquote lösen?

Die Online-Handelsbranche ist sich seit geraumer Zeit bewusst, dass nachhaltige, ressourcenschonende Geschäftsmodelle und Angebote notwendig sind. Auch Verbraucher nehmen das wahr und äußern immer wieder ihr Interesse an nachhaltigen Lösungen im E-Commerce. Und doch: Die Retourenquoten steigen jährlich, genau wie die absolute Anzahl an Rücksendungen, was das eigentliche Problem für Online-Händler darstellt. Doch wie sich dieses Problem lösen lässt, das behandelt die Politik derzeit nicht. 

Immer wieder kommen Vorschläge. Händler kritisieren die derzeitigen widerrufsrechtlichen Regelungen, die Retourenforscher der Uni Bamberg bringen die Idee einer verpflichteten Retourengebühr vor, die Politik nimmt die Online-Händler ins Visier. Viele Forderungen sind rechtlich und politisch nur schwer umsetzbar, für vieles fehlt der gesellschaftliche Konsens. Daher gibt es derzeit noch keine Musterlösung dafür, wie man die Zahl der Retouren reduzieren kann. Es braucht daher nach Ansicht der Branche einen gemeinsamen Prozess und gemeinsame Diskussion. So urteilt Andreas Arlt vom Händlerbund: „Um das Kernproblem zu lösen und die Anzahl Retouren zu reduzieren ist es notwendig, dass wir mit den Kunden an einem Strang ziehen und gemeinsam nachhaltiger handeln.”

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