Omnibus-Richtlinie

Neuheit im UWG: Verbraucher können bald Schadensersatz verlangen

Veröffentlicht: 06.04.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 22.06.2022
Frau hält Geld

Ab dem 28. Mai 2022 gelten durch die Umsetzung der europäischen Omnibus-Richtlinie diverse neue Regeln im Verbraucherrecht und Wettbewerbsrecht – mit großer Bedeutung, insbesondere für den Online-Handel. Dabei geht es nicht nur um die Anpassung von Rechtstexten, Preisangaben und Informationspflichten in Online-Shops: Es werden zudem neue Sanktionen und Konsequenzen eingeführt. Im Hinblick auf die Rechtsbehelfe von Verbrauchern bei unzulässigen geschäftlichen Handlungen kommt es zu einem kleinen bis großen rechtlichen Novum: Sie erhalten im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eine Anspruchsgrundlage für Schadensersatz. Dafür sorgt das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht, welches wiederum die durch die Omnibus-Richtlinie veranlassten Änderungen an der Verbraucherrechterichtlinie umsetzt. 

Novum: Lauterkeitsrechtliche Ansprüche im UWG für Verbraucher

Das UWG ist ein Teil des deutschen Lauterkeitsrechts und stellt die Basis für die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs dar – so ist es etwa die Grundlage der wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, die Online-Händler bei rechtlichen Verstößen erhalten können. Es schützt gleich mehrere Personengruppen: Mitbewerber, Verbraucher und auch die Allgemeinheit. Obwohl aber der Schutz von Verbrauchern Teil des Schutzzwecks des UWG ist, verleiht das Gesetz dieser Personengruppe keine eigenen Ansprüche. Schadensersatz, Unterlassung und damit die Abmahnung, diese Ansprüche stehen besonders Mitbewerbern und Verbänden zu. Zumindest bisher, denn mit der Möglichkeit von Verbrauchern, künftig auch nach dem UWG Schadensersatz von Unternehmern zu verlangen, öffnet sich das UWG für diese. 

Bereits jetzt können Unternehmer nach § 9 UWG dazu verpflichtet sein, Mitbewerbern den Schaden zu ersetzen, der ihnen aus der vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommenen, nach § 3 oder § 7 unzulässigen geschäftlichen Handlung entsteht. Betreibt ein Unternehmer also beispielsweise unzumutbar belästigende Werbung und sorgt damit für einen Schaden bei einem Mitbewerber, kann dieser Schadensersatz geltend machen. 

Verbraucher hingegen können hinsichtlich Schadensersatzansprüchen bisher auf das allgemeine Zivilrecht zurückgreifen, nicht aber auf das Lauterkeitsrecht. Hier bestehen etwa die Möglichkeiten der Anfechtung oder eines vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzanspruches. Auch die Ansprüche aus dem Gewährleistungsrecht gehören dazu. 

Gesetz will Schutzlücken schließen: Schadensersatz für schuldhafte Verstöße von Unternehmern

In bestimmten Situationen können sich nach der bestehenden Rechtslage für Verbraucher aber Schutzlücken ergeben, so etwa im Hinblick auf einen Schadensersatz, wenn zwischen Verbraucher und Unternehmer kein Vertrag besteht. Das kann etwa die sogenannten „Anlockfälle“ betreffen – also die Situation, in denen Verbrauchern eine Ware besonders günstig beworben wird und sich diese auf den Weg ins Geschäft machen, der Unternehmer aber die Ware nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage auf Lager hat und so durch den erfolglosen Besuch „frustrierte Aufwendungen“ entstehen. Auch in Fällen, in denen Unternehmer eine Überrumplungssituation herbeiführen, physisch wirkenden Zwang ausüben oder Notlagen von Verbrauchern ausnutzen, sind die Ansprüche von Verbrauchern auf Schadensersatz bisher nicht lückenlos. 

Die kommende Neuregelung im UWG soll solche Schutzlücken schließen. Es werde sichergestellt, dass Verbrauchern, denen durch schuldhafte Verstöße von Unternehmen gegen Vorgaben aus der EU-Richtlinie für unlautere Geschäftspraktiken Schäden entstanden sind, auch ein Anspruch auf Ersatz dieses Schadens zusteht, so heißt es in der Gesetzesbegründung. Das gelte dann auch in Fällen, in denen es sich nicht um den Vertragspartner des Verbrauchers handelt. Ein Beispiel: Bislang kann ein Verbraucher Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer einer Sache geltend machen, wenn falsche bzw. irreführende Werbeaussagen über das Produkt getätigt wurden. Wird diese schuldhafte irreführende Aussage durch den Hersteller des Produkts getätigt, können Verbraucher mit der Neuregelung künftig auch einen Schadensersatz gegen den Hersteller selbst geltend machen. 

Unter welchen Voraussetzungen haben Verbraucher den Schadensersatzanspruch?

Der Anspruch auf Schadensersatz nach § 9 Abs. 2 UWG besteht dabei nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zunächst führt nicht jeder UWG-Verstoß eines Unternehmers zu diesem Anspruch. Der Sache nach betrifft er nur geschäftliche Handlungen, die nach § 3 UWG unzulässig sind. Ausdrücklich nicht besteht der Anspruch bei Verstößen gegen § 3a UWG (Rechtsbruch), § 4 UWG (Mitbewerberschutz), § 6 UWG (vergleichende Werbung) und der ebenfalls neuen Nr. 32 der schwarzen Liste (Aufforderung zur Zahlung bei unerbetenen Besuchen in der Wohnung eines Verbrauchers am Tag des Vertragsschlusses). Für Verbraucher (und Unternehmer) dürfte es dabei jedoch oftmals schwierig sein, zu differenzieren, ob der Sache nach ein Anspruch auf Schadensersatz besteht oder nicht. 

Weiter kann der Anspruch nur bestehen, wenn der Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift des UWG verstoßen hat. Zudem muss der Verbraucher durch die unzulässige geschäftliche Handlung des Unternehmers zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sein, die er nicht getroffen hätte, wenn es die unzulässige Handlung nicht gegeben hätte. Das betrifft etwa die Entscheidung

  • ob, wie und unter welchen Bedingungen der Verbraucher ein Geschäft abschließt,
  • eine Zahlung leistet, 
  • eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben will, 
  • ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will,

und das ganze unabhängig davon, ob sich der Verbraucher auch tatsächlich entschließt, tätig zu werden. Im Hinblick auf die oben angesprochenen Anlockfälle kann die geschäftliche Entscheidung zum Beispiel auch die Entscheidung des Verbrauchers sein, sich wegen der Werbung des Geschäfts mit einem guten Angebot auf den Weg in ein stationäres Geschäft zu machen oder nicht. 

Aus dieser Entscheidung heraus muss auch ein Schaden entstanden sein. Beispiel: Ein Verbraucher hat in der Werbung eines Möbelhauses ein besonders gutes Angebot für eine Matratze gesehen und daraufhin die Entscheidung getroffen, einen Transporter zu mieten, zum Möbelhaus zu fahren und dort die Matratze zu erwerben und mitzunehmen. Diese geschäftliche Entscheidung beruht auf der Werbung des Möbelhauses. Das Möbelhaus hat aber nicht für eine ausreichende Menge an Matratzen gesorgt – jedenfalls liegt in der Werbung ein unzulässiges Lockangebot. Hätte der Verbraucher gewusst, dass der Lagervorrat in Wirklichkeit so gering ist, hätte er sich den Aufwand mit dem Transporter gespart. Auf Basis des neuen Anspruchs könnte er nun unter Umständen den Ersatz der Transportermietkosten vom Möbelhaus verlangen. 

Händler, Hersteller, Influencer – Wer muss den Schaden ersetzen, und wie? 

Zu der Frage, wer den Schadensersatz leisten muss, legt die neue Regelung keinen konkreten Adressaten, beispielsweise „Händler“ fest. Vielmehr kann mit dem Schadensersatzanspruch derjenige Unternehmer konfrontiert werden, der die unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen hat, die für den Schaden ursächlich war. Das kann, wie oben schon angedeutet, etwa der Hersteller eines Produkts sein, der eine irreführende Werbeaussage aufstellt – genauso gut aber auch eine Agentur oder ein Influencer im entsprechenden Fall.  

In der Praxis werden Schadensersatzansprüche oft über Geldzahlungen abgewickelt. Der Grundsatz des Schadensersatzes ist allerdings die sogenannte Naturalrestitution – der Schädigende muss demnach den Zustand wiederherstellen, der bestünde, wenn es die unlautere geschäftliche Handlung nicht gegeben hätte. Bezogen auf eine beschädigte Sache kann dies etwa die Reparatur bedeuten. Im Kontext des neuen Schadensersatzanspruchs kann darunter aber auch die Aufhebung eines geschlossenen Vertrags fallen, wenn der Verbraucher durch den Verstoß des Unternehmers etwa zum Abschluss dieses (wirtschaftlich nachteiligen) Vertrags veranlasst wurde. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs könnte diese Konsequenz etwa in solchen Fällen greifen, in denen ein Verbraucher durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen, beispielsweise in Form der Werbung mittels Telefonanrufen, zum Abschluss eines solchen Vertrags veranlasst worden sind. 

Die Verjährungsfrist ist, wie beim Schadensersatz für Mitbewerber, mit sechs Monaten relativ knapp bemessen. Auch verdrängt der neue Anspruch die anderen, allgemein zivilrechtlichen Ansprüche von Verbrauchern nicht. Die praktische Bedeutung des neuen Anspruchs wird sich dabei erst zeigen müssen. 

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